Oberverwaltungsgericht Münster Urteil16.12.2025
Haus der Geschichte muss Verkäufer von Schabowski-Zettel nennenPresse hat Anspruch auf Auskunft über die Verkäufer des Schabowski-Zettels
Die Stiftung Haus der Geschichte der Bundesrepublik Deutschland muss einem Journalisten Auskunft über die Namen des Erst- und Zweitverkäufers des sogenannten Schabowski-Zettels geben. Das hat das Oberverwaltungsgericht Nordrhein-Westfalen entschieden.
Der Kläger ist Chefreporter bei einer überregionalen Tageszeitung und recherchiert zum Erwerb des Schabowski-Zettels. Dabei handelt es sich um den Sprechzettel, von dem das Politbüro-Mitglied Günter Schabowski auf der Pressekonferenz vom 09.11.1989 eine neue Regelung für die Reisen von DDR-Bürgern ins westliche Ausland ablas, die seiner Kenntnis nach "sofort, unverzüglich" in Kraft trete. Diese Aussage führte wenige Stunden später zur ungeplanten Öffnung der Berliner Mauer. Die Stiftung Haus der Geschichte der Bundesrepublik Deutschland erwarb den Schabowski-Zettel für 25.000 Euro und übernahm ihn im Jahr 2015 in ihre Sammlung.
Auskunftserteilung versus Recht auf informationelle Selbstbestimmung
Die Stiftung, die die Namen des Erstverkäufers und des ihr gegenüber aufgetretenen Zweitverkäufers kennt, lehnte deren Nennung dem Journalisten gegenüber ab. Der Auskunftserteilung stehe das Recht auf informationelle Selbstbestimmung des Zweitverkäufers entgegen. Diesem sei mündlich zugesagt worden, dass er anonym bleiben könne. Wenn sie, die Stiftung, potentiellen Verkäufern von Ausstellungsstücken keine Anonymität zusichern könne, sei sie auf dem Markt, auf dem sie mit privaten Sammlungen und Museen um den Erwerb von Ausstellungsstücken unmittelbar konkurriere, nicht wettbewerbsfähig und könne ihren Stiftungszweck nicht erfüllen. Das Verwaltungsgericht Köln hat die Stiftung verurteilt, dem Kläger die Namen des Erst- und des Zweitverkäufers zu nennen. Die dagegen gerichtete Berufung der Stiftung blieb jetzt beim Oberverwaltungsgericht ohne Erfolg.
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Informationsinteresse der Presse überwiegt die Vertraulichkeitsinteressen des Verkäufers und der beklagten Stiftung
In der mündlichen Urteilsbegründung hat der Vorsitzende des 15. Senats des Ober-verwaltungsgerichts ausgeführt: Dem Kläger stehen auf der Grundlage des verfas-sungsunmittelbaren Auskunftsanspruchs der Presse aus Art. 5 Abs. 1 Satz 2 Grundgesetz die begehrten Auskünfte zu. Das Informationsinteresse der Presse überwiegt die Vertraulichkeitsinteressen des Zweitverkäufers und der beklagten Stiftung. Die Weitergabe der in Rede stehenden personenbezogenen Daten an den Kläger betrifft allein die Sozialsphäre des Zweitverkäufers. Besondere, über den Wunsch nach Anonymität hinausgehende Gründe liegen insoweit nicht vor. Die behördliche Informationsweitergabe an die Medien ist zudem gerade noch nicht mit einer Veröffentlichung dieser Informationen gleichzusetzen. Die Verwertung der erbetenen Informationen fällt in die redaktionelle Verantwortung des jeweiligen Presseorgans, wobei grundsätzlich darauf zu vertrauen ist, dass die Presse sich ihrer Verantwortung bewusst ist. Der Auskunftserteilung stehen auch keine vorrangig schutzwürdigen öffentlichen Interessen an der Nichtweitergabe der Informationen entgegen.
Das Oberverwaltungsgericht hat wegen grundsätzlicher Bedeutung die Revision zum Bundesverwaltungsgericht zugelassen.
© urteile.news (ra-online GmbH), Berlin 17.12.2025
Quelle: Oberverwaltungsgericht für das Land Nordrhein-Westfalen, ra-online (pm/pt)