18.10.2024
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Dokument-Nr. 32584

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Urteil08.12.2022Oberverwaltungsgericht Koblenz7 A 10774/21.OVG
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Oberverwaltungsgericht Koblenz Urteil08.12.2022

Beteiligung des Jugend­amt­s­trägers an den Baukosten einer Kinder­ta­gesstätte zu 40 % angemessenJugend­amt­s­trägers muss sich auch an Baukosten für Ersatzbau beteiligen

Als "angemessene" Kosten­be­tei­ligung des Jugend­amt­s­trägers an den Baukosten einer Kinder­ta­gesstätte ist nach dem Kinder­tages­stätten­gesetz in der bis zum 30. Juni 2021 geltenden Fassung in der Regel ein Anteil von 40 % festzusetzen. Dies entschied das Ober­verwaltungs­gericht Rheinland-Pfalz in Koblenz.

Im Jahr 2017 beantragte die Verbands­ge­meinde Nassau beim beklagten Rhein-Lahn-Kreis Bad als Träger der Jugendhilfe die Gewährung einer Zuwendung für den Bau einer Kindertagesstätte. Der Beklagte bewilligte entsprechend den Vorgaben seiner Förder­richt­linien eine Zuwendung in Höhe von 420.000,00 €. Nach Zurückweisung des hiergegen eingelegten Widerspruchs erhob die Verbands­ge­meinde Bad Ems-Nassau als Rechts­nach­folgerin der Verbands­ge­meinde Nassau Klage, mit der sie vom Beklagten eine weitere Förderung in Höhe von 876.831,20 € forderte. Sie machte geltend, die bewilligte Förderung belaufe sich nur auf einen Anteil von 11,61 % der zuwen­dungs­fähigen Gesamtkosten und werde der Verantwortung des Beklagten als örtlichem Träger der Jugendhilfe nicht gerecht. Angemessen erscheine vielmehr eine Förderung in Höhe von ca. 40 % der förderfähigen Gesamtkosten des Neubauvorhabens.

Auch Kosten für Ersatzbau betei­li­gungsfähig

Das Verwal­tungs­gericht Koblenz gab der Klage statt und verpflichtete den Beklagten, der Klägerin eine weitere Förderung in der beantragten Höhe zu bewilligen. Das Oberver­wal­tungs­gericht wies die hiergegen eingelegte Berufung des Beklagten zurück und führte zur Begründung aus: Nach dem hier anwendbaren rheinland-pfälzischen Kinder­ta­gess­tät­ten­gesetz in der bis zum 30. Juni 2021 geltenden Fassung (KitaG a.F.) habe sich der Träger des Jugendamts entsprechend seiner Verantwortung für die Sicherstellung ausreichender und bedarfs­ge­rechter Kinder­ta­gess­tätten an den notwendigen Bau- und Ausstat­tungs­kosten einer Kinder­ta­gesstätte angemessen zu beteiligen (§ 15 Abs. 2 Satz 1 und 2 KiTaG a.F.). Die Baukosten für den Neubau einer Kinder­ta­gesstätte seien entgegen der Auffassung des Beklagten auch dann betei­li­gungs­fähige Kosten im Sinne dieses Zuwen­dungs­an­spruchs, wenn sie im Zusammenhang mit der Errichtung eines sog. Ersatzbaus stünden, bei dem - wie hier - bereits bestehende Bauten einer Kinder­ta­gesstätte (teilweise) ersetzt würden.

Kosten­be­tei­ligung von Richtwert von 40 % weiterhin maßgeblich

Die "Notwendigkeit" der Baukosten im Übrigen stehe nicht im Streit. Was als im Einzelfall "angemessen" im Sinne des § 15 Abs. 2 Satz 2 KiTaG a. F. gelte, unterliege als unbestimmter Rechtsbegriff der vollen gerichtlichen Überprüfung. Der Senat folge der Auffassung des Verwal­tungs­ge­richts, dass sich eine "angemessene" Kosten­be­tei­ligung des Jugend­amt­s­trägers nach § 15 Abs. 2 Satz 2 KiTaG a. F. an dem in der Vergangenheit ausdrücklich gesetzlich fixierten Richtwert von 40 % der Bau- und Ausstat­tungs­kosten eines Neu- bzw. Umbaus einer Kinder­ta­gesstätte zu orientieren habe, der allerdings abweichend von der Vorinstanz nicht als Mindest­be­tei­li­gungsquote, sondern als in der Regel vom Träger des Jugendamts zu entrichtender Anteil festzusetzen sei. Mit einer Geset­ze­s­än­derung im Jahre 1981 sei zwar die bis dahin normierte Mindest­be­tei­li­gungsquote von 40 % weggefallen. Jedoch ließen sich weder aus der Neufassung des Gesetzes noch den hierzu angeführten Erwägungen in der Geset­zes­be­gründung weiterführende Informationen zu stattdessen maßgeblichen Gesichtspunkten entnehmen.

Gemeinsame Aufgabe rechtfertigt nahezu paritätische Kosten­last­ver­teilung

Maßstabsprägend sei, dass die Verpflichtung des Trägers des Jugendamts zur angemessenen Kosten­be­tei­ligung mit der ihm zugeschriebenen Verantwortung für die Sicherstellung ausreichender und bedarfs­ge­rechter Kinder­ta­gess­tätten korrelieren solle. Jugend­amt­s­träger und Gemeinden seien letzten Endes gemeinsam dazu berufen, ausreichende Kapazitäten zur Erfüllung des in § 5 Abs. 1 KiTaG a.F. niedergelegten Anspruchs für Kinder vom vollendeten zweiten Lebensjahr auf Erziehung, Bildung und Betreuung in einem in zumutbarer Entfernung gelegenen Kindergarten zu schaffen. Diese gemeinsame Aufgabe verbunden mit der zentralen Rolle des örtlichen Trägers der öffentlichen Jugendhilfe als Bedarfs­pla­nungs­behörde erweise sich als hinreichend tragfähige Grundlage zur Konkretisierung des unbestimmten Rechtsbegriffs der Angemessenheit in Gestalt einer nahezu paritätischen Kosten­last­ver­teilung. Ausgehend hiervon erscheine es gerechtfertigt, das Tatbe­stands­merkmal der "angemessenen" Kosten­be­tei­ligung im Sinne des § 15 Abs. 2 Satz 2 KiTaG a.F. unter Rückgriff auf eine vom Gesetzgeber bereits in der Vorgän­ger­vor­schrift zum Ausdruck gebrachte Bewertung der Finan­zie­rungs­ver­ant­wortung des örtlichen Trägers der öffentlichen Jugendhilfe auszufüllen, die mit der Abschaffung einer starren Mindestquote nicht gänzlich aufgegeben worden sein müsse und auch weiterhin die dem Jugend­amt­s­träger unverändert zugeschriebene Aufga­ben­zu­weisung adäquat abbilde. Es bedürfe vorliegend keiner Entscheidung, unter welchen Voraussetzungen und in welchem Maße die Finanzlage der Gemeinde als Einrich­tungs­träger ein Abweichen von der Regelquote von 40 v.H. rechtfertigen könnte, da die Klägerin weder über eine über- noch unter­durch­schnittliche Finanzkraft verfüge.

Quelle: Oberverwaltungsgericht Koblenz, ra-online (pm/ab)

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