21.11.2024
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Oberverwaltungsgericht Koblenz Urteil17.11.2022

Einreise­verweigerung an deutsch-französischer Grenze zu Beginn der Corona-Pandemie rechtmäßigEinreise­verweigerung stellt auch keine Verstoß gegen das unions­rechtliche Diskri­mi­nierungs­verbot dar

Die gegenüber einem französischen Staats­an­ge­hörigen mit Wohnsitz in Frankreich mündlich verfügte Einreise­verweigerung an der deutsch-französischen Grenze als Reaktion auf die Ausbreitung des Virus SARS-CoV-2 im Bundesgebiet im Frühjahr 2020 war rechtmäßig. Dies entschied das Ober­verwaltungs­gericht Rheinland-Pfalz in Koblenz.

Am 15. März 2020 beschloss das Bundes­mi­nis­terium des Innern, für Bau und Heimat (BMI) angesichts der Ausbreitung des Virus SARS-CoV-2 im Bundesgebiet unter anderem, an der Landgrenze zu Frankreich vorübergehend Binnen­grenz­kon­trollen und Einrei­se­be­schrän­kungen für nicht erforderliche Reisen aus Frankreich einzuführen. Als der Kläger, ein französischer Staats­an­ge­höriger mit Wohnsitz in Frankreich, am 2. Mai 2020 in das Bundesgebiet einreisen wollte, um in einem Supermarkt einzukaufen, verweigerten ihm Polizeibeamte der Bundes­po­li­zei­di­rektion Koblenz mündlich die Einreise. Mit seiner daraufhin erhobenen Klage begehrte er die Feststellung der Rechts­wid­rigkeit der Einreiseverweigerung. Zur Begründung hat er insbesondere geltend gemacht, die ihm gegenüber alleine aufgrund des Fehlens eines dringenden Einreisegrundes ausgesprochene Einrei­se­ver­wei­gerung sei mangels Ermäch­ti­gungs­grundlage rechtswidrig gewesen. Zudem habe sie gegen das unions­rechtliche Diskriminierungsverbot verstoßen, da ihm die Einreise allein aufgrund seiner französischen Staats­an­ge­hö­rigkeit verweigert worden sei.

OVG bestätigt Entscheidung des VG

Das Verwal­tungs­gericht Koblenz wies die Klage ab. Das Oberver­wal­tungs­gericht bestätigte diese Entscheidung und wies die Berufung des Klägers zurück. Die am 2. Mai 2020 gegenüber dem Kläger mündlich verfügte Einrei­se­ver­wei­gerung sei rechtmäßig gewesen. Sie finde ihre Rechtsgrundlage in § 6 Abs. 1 des Gesetzes über die allgemeine Freizügigkeit von Unionsbürgern (Freizü­gig­keits­gesetz/EU - FreizügG/EU -), wonach aus Gründen der öffentlichen Ordnung, Sicherheit oder Gesundheit die Einreise verweigert werden könne, aus Gründen der öffentlichen Gesundheit allerdings nur dann, wenn es sich um Krankheiten mit epidemischem Potenzial handele. Zutreffend sei das Verwal­tungs­gericht davon ausgegangen, dass es sich bei COVID-19 um eine Krankheit mit epidemischem Potenzial handele, die eine Gefahr für die öffentliche Gesundheit aufgrund der weiteren Ausbreitung begründet habe.

Einrei­se­ver­wei­gerung auch verhältnismäßig

Die ausgesprochene Einrei­se­ver­wei­gerung sei damals verhältnismäßig gewesen. Der Gefahr für das Gesund­heits­system und daran anknüpfend der Gesund­heits­ver­sorgung der Bevölkerung habe damals nur dadurch begegnet werden können, die Verbreitung der Erkrankung so gut wie möglich zu verlangsamen, die Erkran­kungswelle auf einen längeren Zeitraum zu strecken und damit auch die Belastung am Gipfel leichter bewältigbar zu machen. Gegen die Annahme, dass durch Einreisen aus Frankreich das oben aufgezeigte Risiko erhöht worden wäre, bestünden keinen Bedenken. Denn zum Zeitpunkt der Einrei­se­ver­wei­gerung sei die Infektionslage in Frankreich, insbesondere in dem an das Saarland unmittelbar angrenzenden Département Moselle, in dem der Wohnort des Klägers liege, besonders kritisch gewesen.

Einrei­se­ver­wei­gerung stellt auch keine unzulässige unionsrechts-widrige Diskriminierung dar

Die gegenüber dem Kläger ausgesprochene Einrei­se­ver­wei­gerung stelle auch keine unzulässige unionsrechts-widrige Diskriminierung aufgrund der französischen Staats­an­ge­hö­rigkeit dar. Der Europäische Gerichtshof gehe in ständiger Rechtsprechung davon aus, dass eine Diskriminierung dann nicht vorliege, wenn eine diffe­ren­zierende Behandlung objektiv gerechtfertigt sei. Angehörigen der Mitgliedstaaten, denen die Einreise aus Gründen der öffentlichen Ordnung oder Sicherheit oder öffentlichen Gesundheit verwehrt worden sei, und eigenen Staats­an­ge­hörigen müssten nicht die gleichen Maßnahmen entge­gen­ge­halten werden. Beide Fallge­stal­tungen seien nämlich nicht vergleichbar. Für die eigenen Staats­an­ge­hörigen sei das Einreiserecht eine Folge ihrer Stellung als Staats­an­ge­hörige, sodass es nicht im Ermessen des Staates stehe, die Ausübung dieses Rechts einzuschränken. Die Einrei­se­ver­wei­gerung genüge auch den Anforderungen an die Verhältnismäßigkeit. Dabei sei zu berücksichtigen, dass damals eine erhebliche wissen­schaftliche und praktische Unsicherheit in Bezug auf die Eigenarten und Auswirkungen der pandemischen Situation wie auch den Effekt der beschlossenen Maßnahmen bestanden habe. Unter solchen Umständen sei einem Mitgliedstaat zuzugestehen, dass er nach dem Vorsorgeprinzip Schutzmaßnahmen treffe, ohne abwarten zu müssen, dass das Vorliegen und die Größe dieser Gefahren klar dargetan seien.

Quelle: Oberverwaltungsgericht Koblenz, ra-online (pm/ab)

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