21.11.2024
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Oberverwaltungsgericht Bremen Urteil12.10.2010

Plagiat: Wer im Examen schummelt, kann kein Lehrer werdenAuch für den Anhang einer Examens­haus­arbeit gilt die Zitie­rungs­pflicht

Wer aus anderen Werken abschreibt, ohne dies zu kennzeichnen, kann sich nicht damit herausreden, dass ihm am Computer bloß Formatierungs- und Bearbei­tungs­fehler unterlaufen seien und er beim Korrekturlesen aufgrund der eigenen Fachver­trautheit keinen Unterschied der kopierten Stellen zu den eigenen Formulierungen habe erkennen können. Dies entschied das Oberver­wal­tungs­gericht der Freien Hansestadt Bremen.

Der Kläger hatte sich gegen die Entscheidung der Beklagten, wonach er die Zweite Staatsprüfung für das Lehramt an öffentlichen Schulen wegen eines Täuschungs­versuchs bei der schriftlichen Hausarbeit nicht bestanden hatte, gewandt. Er scheiterte vor dem Verwal­tungs­gericht Bremen sowie in der Berufung vor dem Oberlan­des­gericht Bremen.

Angehender Lehrer bediente sich aus Broschüre des Bayerischen Umwelt­mi­nis­teriums

Der Kläger war promovierter Geologe mit erstem Staatsexamen. Für die zweite Staatsprüfung fertigte er eine schriftliche Hausarbeit an zum Thema "Boden­un­ter­suchung im Unterricht". Dabei bediente er sich im 2. Kapitel aus einer Broschüre des Bayerischen Umwelt­mi­nis­teriums mit dem Titel "Lernort Boden". Für dieses Kapitel übernahm er fast vollständig Textstellen aus der Broschüre.

Wortgetreue Kopie der Vorlage

Die verwandten Textstellen waren größtenteils wortgetreu, zum Teil mit Satzum­stel­lungen, mit Wortaus­las­sungen oder dem Austausch einzelner Worte bzw. der sinngemäßen Wiedergabe der Quelle übernommen worden. Zudem hatte der Kläger Arbeitsblätter aus der Broschüre im Anhang zu seiner Arbeit übernommen. Er versicherte entsprechend der Prüfungs­ver­ordnung des Landes Bremen, dass er die Arbeit selbständig angefertigt und keine anderen als die angegebenen Hilfsmittel benutzt habe.

Examenskandidat muss nachweisen, Lehramt selbständig ausüben zu können

Die Richter konstatierten, dass der Kläger sich nicht an diese Versicherung gehalten habe, sondern vor allem im 2. Kapitel der Arbeit in erheblichem Umfang Texte übernommen habe, ohne dies kenntlich zu machen. Nach § 1 der Prüfungs­ver­ordnung habe der Lehramts­kandidat nachzuweisen, dass er fähig sei, aufgrund wissen­schaft­licher Erkenntnisse und berufs­prak­tischer Kompetenz sein Lehramt selbständig auszuüben. Diesem Nachweis diene die schriftliche Hausarbeit, die wissen­schaft­lichen Ansprüchen genügen müsse.

Zitiergebot entspricht wissen­schaft­licher Redlichkeit und soll Prüfern zuverlässiges Urteil ermöglichen

Zu diesem Zweck sei es erforderlich, dass zweifelsfrei kenntlich gemacht werde, welche Stellen der Arbeit im Wortlaut oder nach ihrem wesentlichen Inhalt anderen Werken entnommen seien. Diese genaue Zitie­rungs­pflicht sei nicht nur ein Gebot wissen­schaft­licher Redlichkeit, sondern ermögliche ihre Beachtung es den Prüfern erst, ein zuverlässiges Urteil über die Fähigkeit des Kandidaten zur selbständigen Ausübung des Lehramts abzugeben. Gerade in Zeiten des Internets, das die Möglichkeiten des Rückgriffs auf die Gedanken Dritter noch vervielfacht habe, komme der Beachtung der Zitie­rungs­pflicht für die Beurteilung einer schriftlichen Hausarbeit wesentliche Bedeutung zu.

Auch für Anhang einer Hausarbeit gilt Zitie­rungs­pflicht

Entgegen der Auffassung des Klägers sei auch der Anhang ein Teil der Hausarbeit, für den die Zitie­rungs­pflicht gelte. Auch der Anhang sei Teil des "selbständigen Arbeitens". Denn auch die Gestaltung und Auswahl der Arbeits­ma­te­rialien für die Schüler im Anhang gebe Aufschluss über die Fähigkeit eines Kandidaten, das Lehramt selbständig auszuüben und unterliege deshalb dem Zitierungsgebot.

Kläger hat zumindest mit bedingtem Vorsatz getäuscht

Dadurch, dass der Kläger es unterlassen habe, im Text und im Anhang genau anzugeben, welche Stellen der Arbeit er übernommen habe, habe er den Eindruck erweckt oder erwecken wollen, als seien diese Stellen von ihm selbst verfasst worden und Ausdruck seines eigenen Leistungs­ver­mögens. Darin liege die ihm vorzuhaltende Täuschung. Das Gericht folgte nicht dem Einwand des Klägers, dass er unter den Abbildungen, die in den Text eingefügt worden seien, die Quelle angegeben habe und Text und Abbildung "miteinander verwoben" seien, so dass sich die jeweilige Quellenangabe auch auf den vorangegangenen Text beziehe.

Quellenangabe unter Abbildung bezieht sich nur auf die Abbildung, nicht auf den vorangehenden Text

Die Richter führten aus, dass in keiner Weise kenntlich gemacht worden sei, dass sich die Quellenangaben nicht nur auf die jeweilige Abbildung, sondern darüber hinaus auch auf den vorangehenden Text beziehen sollen. Ohne anders lautende Hinweise könne die unter einer Abbildung nach einem kurzen Erklärungstext angebrachte Quellenangabe nur dahin verstanden werden, dass sie sich nur auf die jeweilige Abbildung und den der Abbildung beigefügten Text beziehe.

Kläger kann sich nicht mit Compu­ter­pro­blemen herausreden

Die Richter ließen auch folgende bemerkenswerte Verteidigung des Klägers nicht gelten: Er hatte die Auffassung vertreten, gar nicht getäuscht zu haben. Denn er habe in seiner schriftlichen Hausarbeit zum ersten Mal mit pdf-Dateien in einem Textver­a­r­bei­tungs­programm gearbeitet, und dies auch nur in dem beanstandeten 2. Kapitel. Er habe Textpassagen und Abbildungen aus den Originaltexten ins Word-Format kopiert, um ein geeignetes Gerüst für die Sachanalyse zu erhalten. Die originalen Textbausteine seien von ihm überarbeitet worden, und zwar dergestalt, dass sie modifiziert und durch eigene Texte ergänzt wurden.

Fehlende Quellenangabe lässt sich nicht auf Forma­tie­rungs­fehler zurückführen

Dabei seien Relikte aus den Originaltexten übrig geblieben, zum Teil ganze Absätze. Ferner habe er die verwandten Abbildungen zunächst separat, d.h. zeitlich und räumlich getrennt vom Text bearbeitet und mit den Quellen versehen. Erst später habe er die Abbildungen in seinen Text eingefügt. Aufgrund der Formatierung des gesamten Textes seien ihm bei den nachfolgenden Korrekturen und Durchsichten die originalen Rest-Bausteine "nicht mehr auffällig geworden", d.h. beim Korrekturlesen sei ihm "wegen seiner Fachver­trautheit kein Unterschied zu seinen eigenen Formulierungen aufgefallen". Der beschriebene Formatierungs- und Bearbei­tungs­fehler sei der einzige Grund für die fehlenden Quellen im Text. Einen Täuschungs­vorsatz habe er nicht gehabt. Dieser Ausrede erteilte das Gericht eine Absage. Die Richter verneinten schließlich angesichts des Umfangs der Täuschungen das Vorliegen eines bloß "leichteren Falls". Dies verbiete sich schon aus genera­l­prä­ventiven Gründen.

Quelle: ra-online, Oberverwaltungsgericht Bremen (vt/we)

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