21.11.2024
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Oberverwaltungsgericht Berlin-Brandenburg Urteil18.12.2008

Postmin­dest­lohn­ver­ordnung auch in zweiter Instanz beanstandetMindestlohn kann nicht auf ganze Branche ausgeweitet werden

Das Oberver­wal­tungs­gericht Berlin-Brandenburg hat auf die Berufung der beklagten Bundesrepublik Deutschland gegen das Urteil des Verwal­tungs­ge­richts Berlin die Klagen von Brief­dienst­leis­tungs­un­ter­nehmen, u.a. der PIN Mail AG, als unzulässig abgewiesen. Ob Lohnansprüche ihrer Arbeitnehmer nach dem Mindest­lohn­niveau rechtmäßig begründet seien, müsse vor den Arbeits­ge­richten geklärt werden.

Im Übrigen - bezüglich des Bundesverbandes der Kurier-Express-Post-Dienste blieb die Berufung ohne Erfolg. Insoweit habe das Verwal­tungs­gericht der Klage zu Recht stattgegeben. Die Verordnung des Bundesministers für Arbeit und Soziales vom 28. Dezember 2007, mit der die Mindest­lohn­re­ge­lungen des am 29. November 2007 zwischen dem mehrheitlich von der Deutschen Post AG und mit ihr verbundenen Unternehmen getragenen Arbeit­ge­ber­verband Postdienste e.V. und der Gewerkschaft ver.di auf die Brief­dienst­leis­tungs­branche erstreckt wurden, sei mit dem Geset­zes­vor­behalt nach Art. 80 Abs. 1 Satz 1 des Grundgesetzes nicht vereinbar. Die gesetzliche Ermächtigung in § 1 Abs. 3 a des Arbeitnehmer-Entsen­de­ge­setzes lasse die Erstreckung eines Mindest­lohn­ta­rif­ver­trages nur auf tariflich nicht gebundene Arbeitgeber und Arbeitnehmer (sog. Außenseiter) zu. Die konkrete Verordnung sehe jedoch die Bindung für alle "nicht an ihn", also den nämlichen Tarifvertrag, gebundenen Arbeitgeber und Arbeitnehmer vor. Damit werde die gesetzliche Ermächtigung überschritten. Zugleich sei eine im Gesetz bislang nicht enthaltene Regelung für die Konkurrenz mehrerer (Mindestlohn-)Tarifverträge durch Rechtsver-ordnung getroffen worden, ohne dass dies von der Verord­nungs­er­mäch­tigung im Arbeit-nehmer-Entsendegesetz gedeckt sei. Einer solchen Regelung bedürfe es jedoch, wenn andere Arbeitgeber oder andere Koalitionen ebenfalls Mindest­lohn­ver­ein­ba­rungen getroffen hätten und zu klären sei, ob die Bindung an solche Vereinbarungen vorrangig sei. Der klagende Arbeit­ge­ber­verband hatte sich auf den Abschluss eines solchen konkurrierenden Mindest­lohn­ver­trages mit der am Verfahren beteiligten Gewerkschaft GNBZ berufen. Die Beklagte hatte dagegen eingewandt, dass jene Gewerkschaft nicht tariffähig sei, was inzwischen vom Arbeitsgericht Köln in einem nicht rechtskräftigen Beschluss vom 30. Oktober 2008 auch festgestellt worden sei.

Das Oberver­wal­tungs­gericht hat diesem Einwand keine ausschlag­gebende Bedeutung beigemessen. Ob der konkurrierende Tarifvertrag wirksam und die daran beteiligte Gewerkschaft tariffähig sei, sei nicht entschei­dungs­er­heblich. Es komme vielmehr darauf an, dass der Kläger sich für seine Betätigung als Arbeit­ge­ber­verband auf die Tarifautonomie berufen und gesetzlich nicht gedeckte Einschränkungen seiner verfas­sungs­mäßigen Rechte aus Art. 9 Abs. 3 des Grundgesetzes abwehren könne. Für ihre Auslegung der Verord­nungs­er­mäch­tigung beriefen sich die Richter auf den Wortlaut und die Entste­hungs­ge­schichte der Verord­nungs­er­mäch­tigung, die durch das sog. Korrekturgesetz Ende 1998 in das Arbeitnehmer-Entsendegesetz von 1996 eingefügt wurde. Durch diese Änderung sollte die Tarifautonomie nicht eingeschränkt werden. Es sollte nur ein gegenüber der Allge­mein­ver­bind­lich­keits­er­klärung effizienteres Verfahren ohne Beteiligung des Tarif­aus­schusses durch Erstreckung des Mindest­lohn­ta­rif­ver­trages im Wege der Rechts­ver­ordnung geschaffen werden.

Das Oberver­wal­tungs­gericht hat überdies beanstandet, dass dem gesetzlichen Anhörungs­er­for­dernis im Hinblick auf den erstreckten Tarifvertrag vom 29. November 2007 nicht genügt worden sei. Der Hinweis der beklagten Bundesrepublik Deutschland auf anderslautende Äußerungen im Gesetz­ge­bungs­ver­fahren 2007 vermochten den Senat nicht zu überzeugen. Zu der Frage, ob die Einführung eines Mindestlohns für die Brief­dienst­leis­tungs­branche überhaupt verfassungs- und gemein­schafts­rechtlich zulässig ist, habe der Senat keine Stellung zu beziehen gehabt; auf die damit zusam­men­hän­genden Fragen sei es für die Entscheidung nicht angekommen.

Quelle: ra-online, OVG Berlin-Brandenburg

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