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Oberlandesgericht Schleswig-Holstein Urteil23.02.2011
Unfall mit Strandsegelwagen – Spaziergängerin hat Anspruch auf 70.000 Euro SchadensersatzStrandsegler, Yachtclub und Stadt haften gemeinschaftlich für Unfall mit Strandsegelwagen
Eine Urlauberin aus Nordrhein-Westfalen, die bei einem Zusammenstoß mit einem Strandsegelwagen schwerste Verletzungen an beiden Unterschenkeln erlitt, hat Anspruch auf Schadensersatz. Dies entschied das Oberlandesgericht Schleswig-Holstein, das in seinem Urteil zu dem Schluss kam, dass für den Unfall nicht nur der Strandsegler, sondern gleichermaßen auch der Yachtclub und die Gemeinde wegen Verletzung ihrer Verkehrssicherungspflichten haften.
Im zugrunde liegenden Fall ging eine Urlauberin, die als Richterin in Nordrhein-Westfalen arbeitet, am Freitag vor dem Pfingstwochenende 2004 am Strand von St. Peter-Ording spazieren. Der örtliche Yachtclub veranstaltete an dem Pfingstwochenende eine Strandsegelregatta, den alljährlich stattfindenden "Junghans-Carbon-Cup". Zu dieser Regatta waren auswärtige und nicht dem Yachtclub angehörende Strandsegler angereist. Einer der auswärtigen Strandsegler unternahm am Tag vor der Regatta eine Erkundungsfahrt und erfasste dabei mit seinem Wagen die Urlauberin, die an beiden Beinen offene Unterschenkelbrüche erlitt. Nur durch mehrfache Operationen in der Folgezeit konnten die Beine gerettet werden. Bei der Geschädigten verbleiben eine lebenslange Gehbehinderung und entstellende Narben. Als Richterin ist sie wieder voll berufstätig.
Strandsegler sind verpflichtet, erhöhte Rücksicht auf Fußgänger zu nehmen
Das Oberlandesgericht Schleswig-Holstein wies die Argumentation des Strandseglers, der sich darauf berufen hatte, dass sein Strandsegler plötzlich nicht mehr steuerbar gewesen sei, als unbegründet zurück. Denn nach den Feststellungen eines Sachverständigen funktionierte die Lenkung des Strandseglers (über das Bugrad) nach dem Unfall einwandfrei. Die Fußgängerin traf auch kein Mitverschulden an dem Unfall. Das Oberlandesgericht stellt hierzu fest, dass kein Strandspaziergänger, der den Strand im Rahmen des Gemeingebrauchs nutzt, ständig auf der Hut vor Strandseglern sein müsse; vielmehr sei es umgekehrt Sache der sondernutzenden Strandsegler, erhöhte Rücksicht auf Fußgänger zu nehmen. Auch die Tatsache, dass im räumlichen Bereich der Unfallstelle ein (!) vereinzeltes Hinweisschild vorhanden war, dem nach seiner äußeren Gestaltung und Größe eine allenfalls beschränkte, zudem noch unklare Warnfunktion zukam, vermag ein Mitverschulden nicht zu begründen.
Regattastrecke muss zum Schutz der übrigen Strandnutzer ausreichend gesichert werden
Die Gemeinde St. Peter-Ording und der örtliche Yachtclub haften nach dem Urteil des Oberlandesgerichts zusammen mit dem Strandsegler, weil sie ihre Verkehrssicherungspflichten verletzt haben. Der örtliche Yachtclub, dem die Gemeinde aufgrund eines Vertrags das Strandsegeln allerdings nur für die Mitglieder des Clubs erlaubt hatte, wäre verpflichtet gewesen, bereits am Vortag die Regattastrecke zum Schutz der übrigen Strandnutzer zu sichern. Denn nach den Feststellungen der Richter war dem Yachtclub bekannt, dass gerade die auswärtigen Strandsegler so genannte Erkundungsfahrten unternehmen würden, um sich mit dem Revier und der Regattastrecke vertraut zu machen. Die Gemeinde wiederum hätte sich nicht darauf verlassen dürfen, dass der Yachtclub die erforderlichen Sicherungsmaßnahmen selbst treffen würde. Die Gemeinde hätte dies vielmehr überwachen und kontrollieren müssen. Als angemessenes Schmerzensgeld sah das Oberlandesgericht einen Betrag von 60.000 Euro an und erhöhte diesen Betrag um weitere 10.000 Euro Schmerzensgeld "wegen der nicht nachvollziehbaren hartnäckigen Verweigerungshaltung" der drei Beklagten, die bis zur Entscheidung durch das Oberlandesgericht nicht einmal einen kleinen Schmerzensgeldsabschlag an die Geschädigte gezahlt hatten.
© urteile.news (ra-online GmbH), Berlin 20.05.2011
Quelle: Oberlandesgericht Schleswig-Holstein/ra-online
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