14.11.2024
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Sie sehen verschiedene Szenen aus der Wirtschaftswelt und ein zentrales Paragrafenzeichen.

Dokument-Nr. 4232

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Urteil30.11.2006Oberlandesgericht Oldenburg1 U 74/06
Vorinstanz:
  • Landgericht Oldenburg, Urteil20.07.2006, 15 O 2360/05
ergänzende Informationen

Oberlandesgericht Oldenburg Urteil30.11.2006

Wer isst schon gerne „Knabberohren“? Zur wettbe­wer­bs­recht­lichen Relevanz des In-Verkehr-Bringens von Waren zu einem – angeblich – unzutreffenden Mehrwert­steu­ersatzEin Rechtsstreit über Tierfutter, Steuern und die Lauterkeit des Wettbewerbs

Das Oberlan­des­gericht Oldenburg hat die Unter­las­sungsklage eines Herstellers von Tiernah­rungs­mitteln gegen einen Wettbewerber abgewiesen, der so genannte "Knabberohren" vertreibt, für die er im Verkauf einen ermäßigten Mehrwert­steu­ersatz von 7 % zugrunde legt. Im Kern ging es darum, ob die Knabberohren mit 19 % oder mit 7 % zu versteuern seien, was sich danach richtet, ob die Knabberohren zum menschlichen Verzehr geeignet sind. Das Gericht stellte fest, dass dies letztlich keine wettbe­wer­bs­rechtlich Frage sei. Vielmehr müsse der Konkurrent, die Finan­z­auf­sichts­be­hörden anrufen.

Es kommt immer wieder vor, dass Gerichte sich mit kuriosen Fällen befassen müssen. In diese Kategorie ist gewiss auch der Streit darüber einzuordnen, ob getrocknete Rinderohren den Gaumen eines Menschen erfreuen könnten – oder wenigstens genießbar sind. Eigentlich werden diese Produkte als Knabberspaß für unsere vierbeinigen Freunde angeboten. Die Frage nach dem Verzehr durch Menschen erscheint auf den ersten Blick abwegig (es sei denn, man wäre als Schiffbrüchiger allein mit einer Ladung getrockneter Rinderohren auf einer einsamen Insel gelandet). Dennoch führte die Konkurrenz zwischen zwei Unternehmen im Zusammenspiel mit den Schwierigkeiten des Steuerrechts zu einem handfesten Rechtsstreit über die Frage der Genießbarkeit der „Knabberohren“. Erst in zweiter Instanz stellte das Oberlan­des­gericht (OLG) Oldenburg fest, dass es darauf im Ergebnis doch nicht ankommt.

Sachverhalt

Beide Parteien handeln mit Tiernah­rungs­mitteln. Ihr Sortiment umfasst jeweils „Knabberohren“, die aus Rinderohren hergestellt werden. Das klagende Unternehmen vertreibt die Knabberohren als Tierfutter mit dem üblichen Mehrwert­steu­ersatz von 19 % (bis Ende letzten Jahres 16 %). Die beklagte Firma bietet die Knabberohren als „Kauspielzeug für den Hund“ an und legt beim Verkauf den ermäßigten Mehrwert­steu­ersatz von 7 % zu Grunde. Die günstigere steuer­rechtliche Zuordnung setzt voraus, dass die angebotenen Erzeugnisse für „die menschliche Ernährung geeignet“ sind. Die Steuerbehörden hatten die ihnen vorgelegten Warenproben uneinheitlich beurteilt. Aus Sicht der Klägerin hat die Beklagte sich die ihr günstigen amtlichen Erklärungen durch falsche Angaben zu den Waren erschlichen. Dadurch habe sie sich in unlauterer Weise einen Wettbe­wer­bs­vorteil verschafft.

Richter sehen von Geschmack­s­proben ab

Das Landgericht Oldenburg ging der Frage nach der Genießbarkeit von „Knabberohren“ auf den Grund. Allerdings sahen die Richter davon ab, selbst Geschmack­s­proben vorzunehmen. Stattdessen holten sie eine amtliche Auskunft der Zolltechnischen Prüfungs- und Lehranstalt Berlin ein. Darin kam der Sachverständige zu dem Ergebnis, dass die untersuchten Rinderohren für die menschliche Ernährung nicht geeignet seien – es gelte der reguläre Mehrwert­steu­ersatz. Das Landgericht gab daraufhin der Klage statt und verurteilte die Beklagte es zu unterlassen, sogenannte „Knabberohren“ mit einem Mehrwert­steu­ersatz von 7 % anzubieten.

Die in erster Instanz unterlegene Firma gab sich aber nicht geschlagen. Sie legte Berufung ein und bekam vom 1. Zivilsenat des OLG Oldenburg Recht. In seinem Urteil befasst der Senat sich allerdings nicht mit der vermeintlich entscheidenden Frage, ob die Knabberohren auch für Menschen genießbar sind. Die Unter­las­sungsklage könne schon aus anderen Gründen keinen Erfolg haben. Der Verkauf der Artikel zu einem Mehrwert­steu­ersatz von 7 % sei weder eine irreführende Werbung noch eine unlautere Wettbe­wer­bs­handlung durch einen Gesetzesverstoß. Auch handele es sich nicht um einen Verstoß gegen die Preis­an­ga­ben­ver­ordnung, denn das darin enthaltene Gebot der Richtigkeit der Angaben beziehe sich nicht auf die steuer­rechtliche Richtigkeit der angegebenen Mehrwertsteuer. Die erfolglose Klägerin wiesen die OLG-Richter darauf hin, dass sie durch ihre Entscheidung nicht rechtlos gestellt sei. Denn ein Unternehmen, das sich durch ein angeblich steuer­rechts­widriges Verhalten eines Konkurrenten benachteiligt sieht, könne sich an die zuständigen Finan­z­auf­sichts­be­hörden wenden.

Quelle: ra-online

der Leitsatz

UWG § 3, UWG § 4 Nr. 11, UWG § 5 Abs. 2 Nr. 2, PAngV § Abs. 1

Zur wettbe­wer­bs­recht­lichen Relevanz des In-Verkehr-Bringens von Waren zu einem – angeblich – unzutreffenden Mehrwert­steu­ersatz.

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