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- Landgericht Oldenburg, Urteil20.07.2006, 15 O 2360/05
Oberlandesgericht Oldenburg Urteil30.11.2006
Wer isst schon gerne „Knabberohren“? Zur wettbewerbsrechtlichen Relevanz des In-Verkehr-Bringens von Waren zu einem – angeblich – unzutreffenden MehrwertsteuersatzEin Rechtsstreit über Tierfutter, Steuern und die Lauterkeit des Wettbewerbs
Das Oberlandesgericht Oldenburg hat die Unterlassungsklage eines Herstellers von Tiernahrungsmitteln gegen einen Wettbewerber abgewiesen, der so genannte "Knabberohren" vertreibt, für die er im Verkauf einen ermäßigten Mehrwertsteuersatz von 7 % zugrunde legt. Im Kern ging es darum, ob die Knabberohren mit 19 % oder mit 7 % zu versteuern seien, was sich danach richtet, ob die Knabberohren zum menschlichen Verzehr geeignet sind. Das Gericht stellte fest, dass dies letztlich keine wettbewerbsrechtlich Frage sei. Vielmehr müsse der Konkurrent, die Finanzaufsichtsbehörden anrufen.
Es kommt immer wieder vor, dass Gerichte sich mit kuriosen Fällen befassen müssen. In diese Kategorie ist gewiss auch der Streit darüber einzuordnen, ob getrocknete Rinderohren den Gaumen eines Menschen erfreuen könnten – oder wenigstens genießbar sind. Eigentlich werden diese Produkte als Knabberspaß für unsere vierbeinigen Freunde angeboten. Die Frage nach dem Verzehr durch Menschen erscheint auf den ersten Blick abwegig (es sei denn, man wäre als Schiffbrüchiger allein mit einer Ladung getrockneter Rinderohren auf einer einsamen Insel gelandet). Dennoch führte die Konkurrenz zwischen zwei Unternehmen im Zusammenspiel mit den Schwierigkeiten des Steuerrechts zu einem handfesten Rechtsstreit über die Frage der Genießbarkeit der „Knabberohren“. Erst in zweiter Instanz stellte das Oberlandesgericht (OLG) Oldenburg fest, dass es darauf im Ergebnis doch nicht ankommt.
Sachverhalt
Beide Parteien handeln mit Tiernahrungsmitteln. Ihr Sortiment umfasst jeweils „Knabberohren“, die aus Rinderohren hergestellt werden. Das klagende Unternehmen vertreibt die Knabberohren als Tierfutter mit dem üblichen Mehrwertsteuersatz von 19 % (bis Ende letzten Jahres 16 %). Die beklagte Firma bietet die Knabberohren als „Kauspielzeug für den Hund“ an und legt beim Verkauf den ermäßigten Mehrwertsteuersatz von 7 % zu Grunde. Die günstigere steuerrechtliche Zuordnung setzt voraus, dass die angebotenen Erzeugnisse für „die menschliche Ernährung geeignet“ sind. Die Steuerbehörden hatten die ihnen vorgelegten Warenproben uneinheitlich beurteilt. Aus Sicht der Klägerin hat die Beklagte sich die ihr günstigen amtlichen Erklärungen durch falsche Angaben zu den Waren erschlichen. Dadurch habe sie sich in unlauterer Weise einen Wettbewerbsvorteil verschafft.
Richter sehen von Geschmacksproben ab
Das Landgericht Oldenburg ging der Frage nach der Genießbarkeit von „Knabberohren“ auf den Grund. Allerdings sahen die Richter davon ab, selbst Geschmacksproben vorzunehmen. Stattdessen holten sie eine amtliche Auskunft der Zolltechnischen Prüfungs- und Lehranstalt Berlin ein. Darin kam der Sachverständige zu dem Ergebnis, dass die untersuchten Rinderohren für die menschliche Ernährung nicht geeignet seien – es gelte der reguläre Mehrwertsteuersatz. Das Landgericht gab daraufhin der Klage statt und verurteilte die Beklagte es zu unterlassen, sogenannte „Knabberohren“ mit einem Mehrwertsteuersatz von 7 % anzubieten.
Die in erster Instanz unterlegene Firma gab sich aber nicht geschlagen. Sie legte Berufung ein und bekam vom 1. Zivilsenat des OLG Oldenburg Recht. In seinem Urteil befasst der Senat sich allerdings nicht mit der vermeintlich entscheidenden Frage, ob die Knabberohren auch für Menschen genießbar sind. Die Unterlassungsklage könne schon aus anderen Gründen keinen Erfolg haben. Der Verkauf der Artikel zu einem Mehrwertsteuersatz von 7 % sei weder eine irreführende Werbung noch eine unlautere Wettbewerbshandlung durch einen Gesetzesverstoß. Auch handele es sich nicht um einen Verstoß gegen die Preisangabenverordnung, denn das darin enthaltene Gebot der Richtigkeit der Angaben beziehe sich nicht auf die steuerrechtliche Richtigkeit der angegebenen Mehrwertsteuer. Die erfolglose Klägerin wiesen die OLG-Richter darauf hin, dass sie durch ihre Entscheidung nicht rechtlos gestellt sei. Denn ein Unternehmen, das sich durch ein angeblich steuerrechtswidriges Verhalten eines Konkurrenten benachteiligt sieht, könne sich an die zuständigen Finanzaufsichtsbehörden wenden.
© urteile.news (ra-online GmbH), Berlin 14.05.2007
Quelle: ra-online
der Leitsatz
UWG § 3, UWG § 4 Nr. 11, UWG § 5 Abs. 2 Nr. 2, PAngV § Abs. 1
Zur wettbewerbsrechtlichen Relevanz des In-Verkehr-Bringens von Waren zu einem – angeblich – unzutreffenden Mehrwertsteuersatz.
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