Die Beklagte des zugrunde liegenden Verfahrens verkauft bundesweit als Discounter Lebensmittel. Im Sortiment wird auch eine Vollmilch angeboten, welche von der Beklagten auf der Schauseite des Etiketts mit "frische Weidemilch" bezeichnet wird. Auf der Etikettrückseite ist folgender Hinweis abgedruckt: "Bei diesem Produkt handelt es sich um 100 % Weidemilch. Unsere Weidemilch stammt von Kühen, die mindestens 120 Tage im Jahr und davon mindestens 6 Stunden am Tag auf der Weide stehen."
Der Kläger, ein Wettbewerbsverband, ist der Ansicht, dass es sich bei der Milch lediglich um ein Saisonprodukt handelt, da an 240 Tagen im Jahr die Voraussetzungen für eine "Weidemilch" nicht gegeben seien. Die Verbraucher würden daher durch die Angabe "Weidemilch" irregeführt. Aus diesem Grund forderte der Kläger die Beklagte auf, künftig nicht mehr mit der Bezeichnung "Weidemilch" zu werben.
Nachdem die Beklagte die vom Kläger geforderte Unterlassungserklärung nicht abgegeben hatte, hat dieser Klage zum Landgericht Amberg erhoben. Dieses gab der Klage statt, da es die Ansicht des Klägers teilte, wonach die Verbraucher durch die Bezeichnung "Weidemilch" irregeführt würden. Um ein Produkt als "Weidemilch" bezeichnen zu können, müsse die Milch von Kühen stammen, die sich am Tag der Melkung mindestens sechs Stunden auf der Weide befanden.
Die Beklagte legte gegen das Urteil des Landgerichts Amberg erfolgreich Berufung ein. Das Oberlandesgericht Nürnberg entschied, dass dem Kläger kein Unterlassungsanspruch zusteht. Dieser scheiterte nach Auffassung des Gerichts bereits daran, dass die Beklagte als (nur) Händlerin für einen etwaigen Verstoß gegen das in Art. 7 LMIV normierte Irreführungsverbot nicht als Verantwortliche i.S.d. Art. 8 Abs. 3 LMIV anzusehen wäre. Nach Art. 8 Abs. 3 LMIV dürfen Lebensmittelunternehmer, deren Tätigkeiten die Informationen über Lebensmittel nicht beeinflussen, keine Lebensmittel abgeben, von denen sie aufgrund der ihnen im Rahmen ihrer Berufstätigkeit vorliegenden Informationen wissen oder annehmen müssen, dass sie dem anwendbaren Lebensmittelinformationsrecht und den Anforderungen der einschlägigen einzelstaatlichen Rechtsvorschriften nicht entsprechen.
Ergänzend führt das Oberlandesgericht zur Begründung aus, dass es keine rechtlichen Vorgaben dafür gäbe, wann eine Milch als "Weidemilch" bezeichnet werden dürfe. Aus einem vom niedersächsischen Ministerium für Ernährung, Landwirtschaft und Verbraucherschutz entwickelten "Weidemilch-Label" ergebe sich, dass es dem definierten Branchenstandard entspricht, dass die Kühe mindestens 120 Tage im Jahr sechs Stunden auf der Weide waren.
Das Oberlandesgericht ist der Ansicht, dass die von der Beklagten verwendete Produktbezeichnung nicht irreführend sei. Der normal informierte und kritische Verbraucher gehe davon aus, dass eine "Weidemilch" von Kühen stammt, die jedenfalls im Rahmen der üblichen Weidesaison und Weidezeiten auf der Wiese grasen. Das Oberlandesgericht verwies zudem darauf, dass auf der Rückseite der Verpackung ein Hinweis angebracht sei, an wie vielen Tagen die Kühe tatsächlich auf der Weide waren. Es entspreche der ständigen Rechtsprechung des EuGH, dass davon auszugehen sei, dass Verbraucher, welche ihre Kaufentscheidung von der Zusammensetzung der Erzeugnisse abhängig machen, vorher auch das auf der Verpackung angebrachte Verzeichnis der Zutaten lesen. Der kritische, vernünftig aufmerksame und normal informierte Verbraucher müsse daher auch den Hinweis auf der Rückseite der Verpackung, wonach die Milch von Kühen stammt, die an mindestens 120 Tagen für jeweils mindestens sechs Stunden auf der Weide waren, wahrnehmen. Eine Irreführung verneinte das Oberlandesgericht daher.
© urteile.news (ra-online GmbH), Berlin 26.05.2017
Quelle: Oberlandesgericht Nürnberg/ra-online