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Oberlandesgericht Nürnberg Urteil07.02.2017

Kühe müssen für "Weidemilch" nicht dauerhaft auf Weide stehen und dort gemolken werdenAufenthalt von Kühen auf Weiden an mindestens 120 Tagen im Jahr für wenigstens sechs Stunden ausreichend

Das Oberlan­des­gericht Nürnberg hat entschieden, dass die Bezeichnung "Weidemilch" nicht irreführend ist, wenn die Milch von Kühen stammt, welche an mindestens 120 Tagen im Jahr wenigstens sechs Stunden auf der Weide waren.

Die Beklagte des zugrunde liegenden Verfahrens verkauft bundesweit als Discounter Lebensmittel. Im Sortiment wird auch eine Vollmilch angeboten, welche von der Beklagten auf der Schauseite des Etiketts mit "frische Weidemilch" bezeichnet wird. Auf der Etikett­rückseite ist folgender Hinweis abgedruckt: "Bei diesem Produkt handelt es sich um 100 % Weidemilch. Unsere Weidemilch stammt von Kühen, die mindestens 120 Tage im Jahr und davon mindestens 6 Stunden am Tag auf der Weide stehen."

Wettbe­wer­bs­verband hält Angabe "Weidemilch" für irreführend

Der Kläger, ein Wettbe­wer­bs­verband, ist der Ansicht, dass es sich bei der Milch lediglich um ein Saisonprodukt handelt, da an 240 Tagen im Jahr die Voraussetzungen für eine "Weidemilch" nicht gegeben seien. Die Verbraucher würden daher durch die Angabe "Weidemilch" irregeführt. Aus diesem Grund forderte der Kläger die Beklagte auf, künftig nicht mehr mit der Bezeichnung "Weidemilch" zu werben.

Landgericht gibt Klage statt

Nachdem die Beklagte die vom Kläger geforderte Unter­las­sungs­er­klärung nicht abgegeben hatte, hat dieser Klage zum Landgericht Amberg erhoben. Dieses gab der Klage statt, da es die Ansicht des Klägers teilte, wonach die Verbraucher durch die Bezeichnung "Weidemilch" irregeführt würden. Um ein Produkt als "Weidemilch" bezeichnen zu können, müsse die Milch von Kühen stammen, die sich am Tag der Melkung mindestens sechs Stunden auf der Weide befanden.

OLG: Händler kann für etwaigen Verstoß gegen das Irrefüh­rungs­verbot nicht als Verant­wort­licher angesehen werden

Die Beklagte legte gegen das Urteil des Landgerichts Amberg erfolgreich Berufung ein. Das Oberlan­des­gericht Nürnberg entschied, dass dem Kläger kein Unter­las­sungs­an­spruch zusteht. Dieser scheiterte nach Auffassung des Gerichts bereits daran, dass die Beklagte als (nur) Händlerin für einen etwaigen Verstoß gegen das in Art. 7 LMIV normierte Irrefüh­rungs­verbot nicht als Verantwortliche i.S.d. Art. 8 Abs. 3 LMIV anzusehen wäre. Nach Art. 8 Abs. 3 LMIV dürfen Lebens­mit­tel­un­ter­nehmer, deren Tätigkeiten die Informationen über Lebensmittel nicht beeinflussen, keine Lebensmittel abgeben, von denen sie aufgrund der ihnen im Rahmen ihrer Berufstätigkeit vorliegenden Informationen wissen oder annehmen müssen, dass sie dem anwendbaren Lebens­mit­te­l­in­for­ma­ti­o­nsrecht und den Anforderungen der einschlägigen einzel­staat­lichen Rechts­vor­schriften nicht entsprechen.

Rechtliche Vorgaben für Bezeichnung von Milch als "Weidemilch" nicht vorhanden

Ergänzend führt das Oberlan­des­gericht zur Begründung aus, dass es keine rechtlichen Vorgaben dafür gäbe, wann eine Milch als "Weidemilch" bezeichnet werden dürfe. Aus einem vom nieder­säch­sischen Ministerium für Ernährung, Landwirtschaft und Verbrau­cher­schutz entwickelten "Weidemilch-Label" ergebe sich, dass es dem definierten Branchen­standard entspricht, dass die Kühe mindestens 120 Tage im Jahr sechs Stunden auf der Weide waren.

OLG verneint Irreführung von Verbrauchern

Das Oberlan­des­gericht ist der Ansicht, dass die von der Beklagten verwendete Produkt­be­zeichnung nicht irreführend sei. Der normal informierte und kritische Verbraucher gehe davon aus, dass eine "Weidemilch" von Kühen stammt, die jedenfalls im Rahmen der üblichen Weidesaison und Weidezeiten auf der Wiese grasen. Das Oberlan­des­gericht verwies zudem darauf, dass auf der Rückseite der Verpackung ein Hinweis angebracht sei, an wie vielen Tagen die Kühe tatsächlich auf der Weide waren. Es entspreche der ständigen Rechtsprechung des EuGH, dass davon auszugehen sei, dass Verbraucher, welche ihre Kaufent­scheidung von der Zusammensetzung der Erzeugnisse abhängig machen, vorher auch das auf der Verpackung angebrachte Verzeichnis der Zutaten lesen. Der kritische, vernünftig aufmerksame und normal informierte Verbraucher müsse daher auch den Hinweis auf der Rückseite der Verpackung, wonach die Milch von Kühen stammt, die an mindestens 120 Tagen für jeweils mindestens sechs Stunden auf der Weide waren, wahrnehmen. Eine Irreführung verneinte das Oberlan­des­gericht daher.

Quelle: Oberlandesgericht Nürnberg/ra-online

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