21.11.2024
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Oberlandesgericht Köln Urteil05.08.2011

OLG Köln: Hartz IV-Empfänger und Personen in Privatinsolvenz dürfen weiterhin Lotto spielenAnnahmestellen können Spielern nicht aufgrund von Gesprächen über Hartz IV oder Priva­tin­sol­venzen Spielsperren auferlegen

Das Oberlan­des­gericht Köln hat die einstweilige Verfügung des Landgerichts Köln zur Teilnahme an Sportwetten von Personen in Privatinsolvenz und von Empfängern von Arbeits­lo­sengeld II, die einen Spieleinsatz von 50,50 Euro riskieren, aufgehoben.

Das Oberlan­des­gericht Köln hat in der Berufungs­instanz in einem einstweiligen Verfü­gungs­ver­fahren ein Urteil des Landgerichts Köln vom 5. Mai 2011 zur Ermöglichung der Teilnahme an Sportwetten von Personen, von denen bekannt geworden ist, dass sie überschuldet sind (Privatinsolvenz) oder dass sie in Relation zu ihrem Einkommen unver­hält­nis­mäßige Spieleinsätze riskieren (Empfänger von Arbeits­lo­sengeld II mit Spieleinsatz von 50,50 Euro), abgeändert und den Antrag auf Erlass einer einstweiligen Verfügung insoweit zurückgewiesen.

Personen in Privatinsolvenz sowie Empfängern von Arbeits­lo­sengeld II wurden in verschiedenen Annahmenstellen die Teilnahme an Sportwetten ermöglicht

Antragstellerin in dem einstweiligen Verfü­gungs­ver­fahren ist eine in Malta ansässige Gesellschaft, die in Deutschland Glücksspiele vor allem über das Internet anbietet. Antragsgegnerin ist die Lotte­rie­ge­sell­schaft des Landes Nordrhein-Westfalen, die Westdeutsche Lotterie GmbH und Co. KG. Die Antragstellerin stützt ihren Unter­las­sungs­antrag auf den Erwerb von Wettscheinen der Sportwette ODDSET durch mehrere Testpersonen in Annahmestellen der Antragsgegnerin in Köln, Hürth und Wesseling. Sie macht geltend, seitens der Antragsgegnerin sei gegen Markt­ver­hal­tens­regeln des Glückss­piel­staats­ver­trages (GlüStV) verstoßen worden, indem in verschiedenen Annahmestellen unter anderem einer Person in Privatinsolvenz sowie einem Empfänger von Arbeits­lo­sengeld II (auch Hartz IV genannt) mit einem Spieleinsatz vom 50,50 Euro die Teilnahme an Sportwetten ermöglicht worden sei. Den Mitarbeitern in der Annahmestelle sei aufgrund eines Gesprächs in der Annahmestelle bekannt gewesen, dass der Erwerber der Wettscheine sich - in einem Fall - in Privatinsolvenz befunden habe und daher überschuldet sei und - in dem anderen Fall - Arbeits­lo­sengeld II beziehe und über kein Vermögen verfüge.

Landgericht Köln untersagt Teilnahme an Sportwetten für Personen in Privatinsolvenz und Empfängern von Arbeits­lo­sengeld II

Das Landgericht Köln hatte mit Urteil vom 5. Mai 2011 gestützt auf die eidess­tatt­lichen Versicherungen der Testpersonen seine einstweilige Verfügung vom 28.02.2011 bestätigt, mit der Antragsgegnerin aufgegeben worden war, es zu unterlassen, den Spielern in den genannten Konstellationen die Teilnahme an Sportwetten zu ermöglichen. Das Urteil des Landgerichts Köln hatte zudem die Verurteilung der Antragsgegnerin zur Unterlassung einer Glückss­piel­teilnahme von spielgesperrten Personen und Minderjährigen ohne ausreichende Kontrolle seitens der Annahmestellen zum Gegenstand. Insoweit hat die Antragsgegnerin in der mündlichen Verhandlung vor dem Oberlan­des­gericht ihre Berufung zurückgenommen.

Unmittelbare Aufnahme der genannten Personen in Sperrkartei kann nicht verlangt werden

Das Oberlan­des­gericht Köln ist der Auffassung, dass die Voraussetzungen für einen Unter­las­sungs­an­spruch nach § 4 Nr. 11 des Gesetzes gegen den unlauteren Wettbewerb (UWG), § 8 Abs. 2 des Glückss­piel­staats­ver­trages (GlüStV) nicht glaubhaft gemacht sind. Aus den Regelungen in §§ 8 Abs. 2, 21 Abs. 3 GlüStV ergebe sich ein sofortiges Spielverbot - wie von der Antragstellerin geltend gemacht - ohne die in § 12 Abs. 3 des Ausfüh­rungs­ge­setzes NRW zum Glücksspielstaatsvertrag (GlüStV AG NRW) vorgesehene Anhörung des Spielers und Überprüfung der bekannt gewordenen Umstände nicht. Überdies könne nicht verlangt werden, die genannten Personen unmittelbar - ohne Einhaltung des in § 12 Abs. 3 GlüStV AG NRW vorgesehenen Prüfungs­ver­fahrens - in die Sperrkartei aufzunehmen. Schließlich hat das Gericht in der mündlichen Verhandlung Bedenken geäußert, ob die Antragstellerin die tatsächlichen Voraussetzungen dafür, dass den Mitarbeitern der Annahmestellen aufgrund Wahrnehmung bekannt geworden ist, dass die (Test-)Personen überschuldet sind oder als Empfänger von Arbeits­lo­sengeld II unver­hält­nis­mäßige Spieleinsätze riskieren, ausreichend glaubhaft gemacht hat.

§ 8 Abs. 2 Glück­s­piel­staats­vertrag (GlüStV):

Die zur Teilnahme am Sperrsystem verpflichteten Veranstalter sperren Personen, die dies beantragen (Selbstsperre) oder von denen sie aufgrund der Wahrnehmung ihres Personals oder aufgrund von Meldungen Dritter wissen oder aufgrund sonstiger tatsächlicher Anhaltspunkte annehmen müssen, dass sie spiel­sucht­ge­fährdet oder überschuldet sind, ihren finanziellen Verpflichtungen nicht nachkommen oder Spieleinsätze riskieren, die in keinem Verhältnis zu ihrem Einkommen oder Vermögen stehen (Fremdsperre).

§ 21 Abs. 3 Satz 1 GlüStV:

Gesperrte Spieler dürfen an Wetten nicht teilnehmen.

§ 12 Abs. 3 Gesetz zur Ausführung des Staatsvertrages zum Glückss­pielwesen in Deutschland des Landes Nordrhein-Westfalen (GlüStV AG NRW):

Im Fall der Fremdsperre ist der betroffene Spieler vor Aufnahme in die gemeinsame Sperrdatei unverzüglich anzuhören. Stimmt er der Fremdsperre nicht zu, sind die der Fremdsperre zugrunde liegenden Tatsachen durch geeignete Maßnahmen zu überprüfen.

§ 4 Nr. 11 Gesetz über den unlauteren Wettbewerb (UWG):

Unlauter handelt insbesondere, wer einer gesetzlichen Vorschrift zuwiderhandelt, die auch dazu bestimmt ist, im Interesse der Marktteilnehmer das Marktverhalten zu regeln.

Quelle: Oberlandesgericht Köln/ra-online

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