18.10.2024
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Dokument-Nr. 30855

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Oberlandesgericht Köln Urteil19.06.2021

Legal Tech: Vertrags­ge­nerator zulässigCompu­ter­programm zur Erstellung von Rechts­do­ku­menten verstößt nicht gegen das Rechts­dienst­leistungs­gesetz

Ein elektronischer Generator von Rechts­do­ku­menten verstößt nicht gegen das Rechts­dienst­leistungs­gesetz. Das hat das Oberlan­des­gericht Köln entschieden und ein anderslautendes Urteil des Landgerichts Köln abgeändert.

Die Hanseatische Rechts­an­walts­kammer Hamburg hatte gegen das von einem juristischen Verlag vertriebene Produkt geklagt. Das Programm richtet sich an fachfremdes Publikum. Mit seiner Hilfe können Verbraucher in unter­schied­lichen Rechtsgebieten Rechtsdokumente, insbesondere Verträge, erstellen, nachdem sie durch einen Frage-Antwort-Katalog geführt worden sind. Der Verlag hatte das Produkt u.a. mit der Aussage beworben, es erzeuge „Rechtsdokumente in Anwaltsqualität“ und sei „günstiger und schneller als der Anwalt“. Die Rechts­an­walts­kammer hatte sich sowohl gegen die Werbung als auch gegen das Produkt gewandt. Sie war der Auffassung, dass das Programm der Rechts­an­walt­schaft vor-behaltene Rechts­dienst­leis­tungen erbringe (§§ 2, 3 RDG). Dagegen hatte der Verlag argumentiert, dass der Vertrags­ge­nerator ähnlich wie die seit vielen Jahren etablierten Programme zur Erstellung der Steuererklärung wirke. Zielgruppe seien Personen, die ihre Verträge ohne anwaltliche Hilfe selbst erstellen würden und bisher auf gedruckte Formulare und Muster zurückgegriffen hätten.

OLG: Compu­ter­programm zur Erstellung von Rechts­do­ku­menten ist keine verbotene Rechts­dienst­leistung

Das Oberlan­de­ge­richts Köln hat die Klage abgewiesen und ein anderslautendes Urteil des Landgerichts Köln abgeändert. Zur Begründung hat der Senat im Wesentlichen ausgeführt, dass sich weder aus dem Wortlaut noch aus der Entste­hungs­ge­schichte von § 2 Abs. 1 RDG ein Verbot ableiten lasse. Auch der Bundes­ge­richtshof habe sich in seiner „wenigermiete.de“-Entscheidung vor dem Hintergrund der Deregulierung und Liberalisierung des Rechts­dienst­leis­tungs­marktes für eine großzügige Betrachtung ausgesprochen.

Keine Verletzung vom Rechts­dienst­leis­tungs­gesetz bezweckte Schutz

Der vom Rechtsdienstleistungsgesetz bezweckte Schutz vor unqua­li­fi­zierten Rechts­dienst­leis­tungen erfordere das Verbot des Programms nicht. Vertrags­ge­staltung möge im Einzelfall eine Königsdisziplin der anwaltlichen Beratung sein. Ein Dokumen­ten­ge­nerator erweitere aber lediglich das bestehende Hilfsangebot von Vorstücken oder Formu­la­r­hand­büchern zur Erledigung der eigenen Rechts­an­ge­le­gen­heiten in eigener Verantwortung um eine naheliegende digitale Möglichkeit. Ein Schutz vor unqua­li­fi­zierter Rechtsberatung müsse nur dort gewährleistet werden, wo eine rechtliche Beratung tatsächlich oder vorgeblich stattfinde. Für die Nutzer sei aber ohne weiteres erkennbar, dass der Dokumen­ten­ge­nerator nach einem Frage-Antwort-Schema vorgegebene Wortbausteine miteinander kombiniere und dass das Ergebnis von der Qualität der Bausteine und der im Programm vorgegebenen logischen Verknüpfungen einerseits sowie andererseits von der Richtigkeit, Sinnhaftigkeit und Stimmigkeit der eigenen Auswah­l­ent­schei­dungen abhängt.

Programm stellt keine „Tätigkeit“ im Sinne des Rechts­dienst­leis­tungs­ge­setzes dar

Zu den Voraussetzungen von § 2 Abs. 1 RDG hat das OLG u.a. ausgeführt: Nach der Vorschrift sei nur eine „Tätigkeit in konkreter fremder Angelegenheit, sobald sie eine rechtliche Prüfung des Einzelfalles erfordert“ verboten. Die Voraussetzungen seien nicht erfüllt. Das Programm selbst entfalte keine „Tätigkeit“ im Sinne der Vorschrift. Eine „Tätigkeit“ erfordere nämlich eine menschliche oder zumindest mitdenkende Aktivität. Ein rein schematisch ablaufender Subsum­ti­o­ns­vorgang, der vorgegebene Ja-/Nein-Entschei­dungs­strukturen abarbeite, erfülle diese Voraussetzung dagegen nicht. Ob dies beim Einsatz echter künstlicher Intelligenz anders zu bewerten sei, sei nicht zu entscheiden gewesen. Das Programmieren der abstrakten rechtlichen Entschei­dungsbäume sei zwar eine Tätigkeit, aber diese betreffe keine „konkreten“ fremden Angelegenheiten.

Keine rechtliche Prüfung des Einzelfalles

Außerdem beträfen die in das Programm eingeflossenen juristischen Wertungen keine „rechtliche Prüfung des Einzelfalles“, sondern eine Vielzahl denkbarer Fälle. Das Programm laufe erkennbar nach einer festgelegten Routine in einem Frage-/Antwortschema ab, mit dem ein Sachverhalt in ein vorgegebenes Raster eingefügt werde. Streng logisch ablaufende und zu immer den gleichen eindeutigen Ergebnissen führende Verfahren seien daher auch nicht als objektive Rechtsprüfung im Rahmen einer juristischen Subsumtion zu bewerten. Die Kunden, die das Programm benutzten, handelten schließlich nicht in „fremder“ Angelegenheit, sondern in eigener Sache. Jedem, der das Programm tatsächlich benutze, sei klar, dass er bei der Auswahl der Optionen keinen Rechtsrat erhalte, sondern in eigener Verantwortung einen Lebens­sach­verhalt in ein vorgegebenes Raster einfüge, während im Hintergrund ein rein schematischer Ja-Nein-Code ausgeführt werde.

Erstin­sta­nz­liches Werbeverbot bereits rechtskräftig

In erster Instanz war dem Verlag zusätzlich verboten worden, für das Produkt mit Aussagen wie „Günstiger und schneller als der Anwalt“ und „Rechtsdokumente in Anwaltsqualität“ zu werben. Die hiergegen gerichtete Berufung hatte der Verlag nach einem Hinweis des Senats zurückgenommen, so dass dieses Verbot bereits rechtskräftig geworden ist.

Quelle: Oberlandesgericht Köln, ra-online (pm/ab)

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