21.11.2024
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Sie sehen Geld, auf dem das Wort „Insolvenz“ arrangiert wurde.

Dokument-Nr. 14876

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Urteil26.10.2006Oberlandesgericht Koblenz6 U 175/06
passende Fundstellen in der Fachliteratur:
  • DB 2007, 219Zeitschrift: Der Betrieb (DB), Jahrgang: 2007, Seite: 219
  • NZA-RR 2007, 90Neue Zeitschrift für Arbeitsrecht Rechtsprechungsreport (NZA-RR), Jahrgang: 2007, Seite: 90
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Vorinstanz:
  • Landgericht Trier, Urteil09.01.2006, 4 O 15/05
ergänzende Informationen

Oberlandesgericht Koblenz Urteil26.10.2006

Bei verspäteter Insol­ven­z­an­trags­stellung ist der Geschäftsführer zur Zahlung des Insol­ven­z­aus­fa­ll­geldes verpflichtetVerpflichtung aufgrund sittenwidriger Schädigung der Bundesagentur für Arbeit

Beantragt der Geschäftsführer einer GmbH die Insolvenz zu spät, so begründet dies eine Schaden­s­er­satz­pflicht auf Zahlung des Insol­ven­z­aus­fa­ll­geldes aufgrund sittenwidriger Schädigung. Dies geht aus einer Entscheidung des Oberlan­des­ge­richts Koblenz hervor.

Dem Fall lag folgender Sachverhalt zu Grunde: Der Beklagte war alleiniger Geschäftsführer einer GmbH. Er beantragte die Eröffnung des Insol­venz­ver­fahrens über das Vermögen der GmbH. Dies hätte jedoch bereits früher erfolgen müssen. Die Klägerin war die Bundesagentur für Arbeit und zahlte für fünf Arbeitnehmer das Insolvenzausfallgeld. Sie war der Meinung, durch die verspätete Antragsstellung sei sie sittenwidrig geschädigt worden. Denn bei rechtzeitiger Antragsstellung hätten die Lohnansprüche noch aus dem Gesell­schafts­vermögen gezahlt werden können. Sie klagte daher auf Schadenersatz. Das Landgericht Trier gab der Klage statt. Dagegen richtete sich die Berufung des Beklagten.

Schaden­er­satz­an­spruch wegen sittenwidriger Schädigung bestand

Das Oberlan­des­gericht Koblenz entschied zu Gunsten der Klägerin. Ihr habe ein Anspruch auf Schadenersatz gemäß § 826 BGB zugestanden. Entgegen seiner gesetzlichen Pflicht aus § 64 GmbHG habe der Beklagte die Antragsstellung verzögert. In dieser Verzögerung sei eine sittenwidrige Schädigung der Klägerin zu sehen gewesen. Denn der Geschäftsführer, der den als unabwendbaren erkannten Todeskampf seiner Gesellschaft solange wie möglich herausschiebe, nehme regelmäßig die Schädigung von Gläubigern billigend in Kauf. Die Sitten­wid­rigkeit der vorsätzlichen Insolvenzverschleppung folge daraus, dass das durch die Unterlassung eines rechtszeitigen Insol­ven­z­antrags herbeigeführte Unvermögen der Gesellschaft zur Entlohnung ihrer Arbeitnehmer die Verpflichtung zur Zahlung des Insol­ven­z­aus­fa­ll­geldes als gesetzliche Lohner­satz­leistung ausgelöst habe.

Kein Ausschluss der Sitten­wid­rigkeit aufgrund Sanie­rungs­prognose

Zwar könne nach Ansicht des Oberan­des­ge­richts ein Verstoß gegen die guten Sitten verneint werden, wenn der Geschäftsführer die rechtzeitige Beantragung der Insol­ven­z­er­öffnung ausschließlich deswegen unterlasse, weil er die Krise seines Unternehmens als überwindbar und eine Bemühungen um eine Sanierung als lohnend und erfolgs­ver­sprechend ansehen durfte. Eine derart günstige Sanie­rungs­prognose müsse der Geschäftsführer darlegen und beweisen. Dies sei dem Beklagten hier aber nicht gelungen.

Schadensfall auch bei rechtzeitiger Stellung des Antrages unbeachtlich

Soweit der Beklagte meinte, der Schaden wäre auch bei rechtzeitiger Stellung des Antrages entstanden, so das Oberlan­des­gericht weiter, betreffe dies einen hypothetischen Kausalverlauf (sog. Reserveursache). Dieser könne durchaus die Haftung des Beklagten beeinflussen. Dabei sei aber der jeweilige Schutzzweck der verletzten Norm zu berücksichtigen. Schutzzweck der rechtzeitigen Insol­ven­z­an­trags­stellung sei es insbesondere, insolvenzreife Gesellschaften vom Geschäfts­verkehr fernzuhalten. Damit solle eine Schädigung der Gläubiger verhindert werden. Ausgehend von diesem Schutzzweck habe sich hier eine Berück­sich­tigung der hypothetischen Kausalität verboten. Denn würde ein Verstoß im Hinblick auf § 826 BGB folgenlos bleiben, bestünde die Gefahr, dass die Pflichten nicht mehr ernst genommen würden. In solchen Fällen könne daher dem Schadenersatz eine zivilrechtliche Sankti­o­ns­funktion zukommen.

Insol­ven­z­widrige Bevorzugung der Klägerin lag nicht vor

Durch die persönliche Haftung des Beklagten aus § 826 BGB werde nach Auffassung des Oberlan­des­ge­richts die Klägerin auch nicht gegenüber den anderen Gläubigern insolvenzwidrig bevorzugt. Zwar sei eine solche Bevorzugung unzulässig, da eine gleichmäßige Befriedigung der Insol­venz­gläubiger erreicht werden solle. Es sei dennoch nicht zu befürchten, dass über den Weg des § 826 BGB jeder Insol­venz­gläubiger den Geschäftsführer einer insolventen Gesellschaft in Anspruch nehmen könne. Jeder Geschäftsführer habe es selbst in der Hand, die Vorgaben des § 64 Abs. 1 GmbHG zu erfüllen. Unterlasse er dies und liege eine sittenwidrige Gläubi­ger­schä­digung vor, so habe er dafür strafrechtlich und zivilrechtlich einzustehen.

Kein Ausschluss der Schaden­er­satz­pflicht wegen Pflich­ten­kol­lision

Das Oberlan­des­gericht führte schließlich aus, dass der Geschäftsführer einer insolvenzreifen GmbH sich in einer Pflichtenkollision befinden könne, weil einerseits die Nichtabführung von Sozia­l­ver­si­che­rungs­bei­trägen unter Strafe gestellt ist (§ 266 a StGB) und andererseits die Vorschrift des § 64 Abs. 2 GmbHG im Interesse einer gleichmäßigen Befriedigung der Gläubiger die Abführung von Sozia­l­ver­si­che­rungs­bei­trägen verbietet. In einem solchen Fall sei der Geschäftsführer von seiner Schaden­er­satz­pflicht befreit. Eine derartige Pflich­ten­kol­lision habe hier aber nicht vorgelegen. Die Schaden­er­satz­ver­pflichtung des Beklagten habe sich daraus ergeben, dass er pflichtwidrig bei erkannter Insolvenzreife der Gesellschaft die Stellung des Insol­ven­z­an­trages unterlassen habe in dem Wissen, dass dies in absehbarer Zeit zu einer Unfähigkeit der Gesellschaft zur Zahlung der Löhne führen würde.

Quelle: Oberlandesgericht Koblenz, ra-online (vt/rb)

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