In dem zugrunde liegenden Fall nahm die klägerische Bundesagentur für Arbeit den Beklagten als Geschäftsführer einer insolventen GmbH wegen verspäteter Insolvenzantragsstellung auf Ersatz von ihr geleisteten Insolvenzausfallgeldes in Anspruch. Sie meinte, dass der Beklagte vorsätzlich den Insolvenzantrag zu spät gestellt habe. Darin liege eine sittenwidrige Schädigung. Bei rechtzeitiger Antragsstellung hätten die Lohnansprüche aus dem Gesellschaftsvermögen gezahlt werden können. Der Beklagte war der Meinung, die Klägerin hätte auch bei früherer Antragsstellung Insolvenzgeld zahlen müssen. Beide Vorinstanzen gaben der Klage statt. Dagegen richtete sich die Revision des Beklagten.
Der Bundesgerichtshof entschied zu Gunsten des Beklagten. Der Klägerin habe ein Anspruch auf Schadenersatz gemäß § 826 BGB nicht zugestanden. Zwar seien die Ausführungen des Berufungsgerichts (OLG Koblenz, Urt. v. 26.10.2006 - 6 U 175/06) im Ausgangspunkt zutreffend gewesen. Hinsichtlich des Vortrags des Beklagten, die Klägerin hätte das Insolvenzgeld auch bei rechtzeitiger Antragsstellung zahlen müssen, seien die Ausführungen jedoch unzutreffend gewesen. Mit dem Einwand habe sich der Beklagte nicht auf eine Reserveursache berufen, sondern das Vorliegen eines Schadens bestritten.
Das Bestehen eines Schadens im Sinne des § 826 BGB sei eine Tatsache, die der jeweilige Kläger darzulegen und zu beweisen habe, so der BGH weiter. Ein Schaden liege dann vor, wenn der Kläger eine vom Beklagten auszugleichende Vermögenseinbuße erlitten habe. Ein solcher Schadensfall habe hier in der Zahlung des Insolvenzgeldes durch die Klägerin nicht bestanden. Die Zahlungspflicht hänge nicht von der echtzeitigen Stellung des Insolvenzantrags, sondern vom Vorliegen der in § 183 SGB III genannten Voraussetzungen ab. Dabei sei es unerheblich, ob das Zahlungspflicht auslösende Ereignis ein Fehlverhalten eines Dritten zugrunde liegt. Denn liegen die sozialrechtlichen Voraussetzungen vor, sei das Insolvenzgeld auch dann zu zahlen, wenn der Insolvenzantrag ordnungsgemäß gestellt wurde. Daher fehle an einem Zurechnungszusammenhang zwischen dem Fehlverhalten des in Anspruch genommenen Geschäftsführers und der entstandenen Vermögenseinbuße.
Weiterhin habe nach Ansicht des BGH kein Grund dafür bestanden, dem zivilrechtlichen Haftungsrecht hier Sanktionscharakter zukommen zu lassen. Der Schutzzweck der rechtzeitigen Insolvenzantragsstellung sei es, insolvenzreife Gesellschaften zum Schutz von Gläubigern vom Geschäftsverkehr fernzuhalten. Dieser Schutzzweck sei aber für das Leistungsverhalten der Klägerin von untergeordneter Bedeutung. Denn diese zahle das Insolvenzgeld nicht im Vertrauen darauf, einem solventen Geschäftspartner gegenüber zu stehen, sondern um ihre gesetzliche Pflicht zu erfüllen.
Schließlich habe auch nicht der Umstand, dass bei rechtzeitiger Antragsstellung die bestehenden Beschäftigungsverhältnisse alsbald beendet worden wären oder die Forderungen der Arbeitnehmer noch aus Mitteln der Gesellschaft hätten befriedigt werden können, dazu geführt, dass die Klägerin von ihrer Pflicht zur Zahlung des Insolvenzgeldes befreit worden wäre. Denn der Insolvenzantrag führe in den meisten Fällen nicht zur sofortigen Einstellung der Geschäftstätigkeit und zur Auflösung der Arbeitsverhältnisse. Zudem seien die Lohnansprüche der Arbeitnehmer Masseverbindlichkeiten. Reiche die Masse nicht aus, können die Arbeitnehmer auf die Inanspruchnahme von Insolvenzgeld verwiesen werden. Insoweit gehen die Arbeitsentgeltansprüche gemäß § 187 SGB III auf die Bundesagentur über. Diese sei dann Insolvenzgläubiger (§ 55 Abs. 3 InsO).
© urteile.news (ra-online GmbH), Berlin 27.12.2012
Quelle: Bundesgerichtshof, ra-online (vt/rb)