23.11.2024
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Sie sehen Geld, auf dem das Wort „Insolvenz“ arrangiert wurde.

Dokument-Nr. 14909

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Urteil18.12.2007BundesgerichtshofVI ZR 231/06
passende Fundstellen in der Fachliteratur:
  • BB 2008, 517Zeitschrift: Betriebs-Berater (BB), Jahrgang: 2008, Seite: 517
  • BGHZ 175, 158Sammlung: Entscheidungen des Bundesgerichtshofs in Zivilsachen (BGHZ), Band: 175, Seite: 158
  • DZWiR 2008, 245Deutsche Zeitschrift für Wirtschafts- und Insolvenzrecht (DZWiR), Jahrgang: 2008, Seite: 245
  • MDR 2008, 386Zeitschrift: Monatsschrift für Deutsches Recht (MDR), Jahrgang: 2008, Seite: 386
  • NZI 2008, 242Neue Zeitschrift für das Recht der Insolvenz und Sanierung (NZI), Jahrgang: 2008, Seite: 242
  • WM 2008, 456Wertpapier-Mitteilungen Zeitschrift für Wirtschafts- und Bankrecht (WM), Jahrgang: 2008, Seite: 456
  • ZInsO 2008, 384Zeitschriften zum Insolvenzrecht (ZInsO), Jahrgang: 2008, Seite: 384
  • ZIP 2008, 361Zeitschrift für Wirtschaftsrecht (ZIP), Jahrgang: 2008, Seite: 361
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ergänzende Informationen

Bundesgerichtshof Urteil18.12.2007

Zahlung von Insolvenzgeld genügt nicht zur Annahme eines SchadensBGH widerspricht Vorinstanzen

Kommt es im Rahmen eines verspätet gestellten Insol­ven­z­antrags zur Zahlung des Insolvenz­ausfallgeldes durch die Bundesagentur für Arbeit, genügt die Verspätung allein nicht zur Annahme eines Schadenfalls. Dies geht aus einer Entscheidung des Bundes­ge­richtshofs hervor.

In dem zugrunde liegenden Fall nahm die klägerische Bundesagentur für Arbeit den Beklagten als Geschäftsführer einer insolventen GmbH wegen verspäteter Insol­ven­z­an­trags­stellung auf Ersatz von ihr geleisteten Insol­ven­z­aus­fa­ll­geldes in Anspruch. Sie meinte, dass der Beklagte vorsätzlich den Insolvenzantrag zu spät gestellt habe. Darin liege eine sittenwidrige Schädigung. Bei rechtzeitiger Antragsstellung hätten die Lohnansprüche aus dem Gesell­schafts­vermögen gezahlt werden können. Der Beklagte war der Meinung, die Klägerin hätte auch bei früherer Antragsstellung Insolvenzgeld zahlen müssen. Beide Vorinstanzen gaben der Klage statt. Dagegen richtete sich die Revision des Beklagten.

Kein Schaden­er­satz­an­spruch wegen sittenwidriger Schädigung

Der Bundes­ge­richtshof entschied zu Gunsten des Beklagten. Der Klägerin habe ein Anspruch auf Schadenersatz gemäß § 826 BGB nicht zugestanden. Zwar seien die Ausführungen des Berufungs­ge­richts (OLG Koblenz, Urt. v. 26.10.2006 - 6 U 175/06) im Ausgangspunkt zutreffend gewesen. Hinsichtlich des Vortrags des Beklagten, die Klägerin hätte das Insolvenzgeld auch bei rechtzeitiger Antragsstellung zahlen müssen, seien die Ausführungen jedoch unzutreffend gewesen. Mit dem Einwand habe sich der Beklagte nicht auf eine Reserveursache berufen, sondern das Vorliegen eines Schadens bestritten.

Eintritt des Schadensfalls auch bei rechtzeitiger Stellung des Insol­ven­z­antrags

Das Bestehen eines Schadens im Sinne des § 826 BGB sei eine Tatsache, die der jeweilige Kläger darzulegen und zu beweisen habe, so der BGH weiter. Ein Schaden liege dann vor, wenn der Kläger eine vom Beklagten auszugleichende Vermö­gen­s­einbuße erlitten habe. Ein solcher Schadensfall habe hier in der Zahlung des Insolvenzgeldes durch die Klägerin nicht bestanden. Die Zahlungspflicht hänge nicht von der echtzeitigen Stellung des Insol­ven­z­antrags, sondern vom Vorliegen der in § 183 SGB III genannten Voraussetzungen ab. Dabei sei es unerheblich, ob das Zahlungspflicht auslösende Ereignis ein Fehlverhalten eines Dritten zugrunde liegt. Denn liegen die sozia­l­recht­lichen Voraussetzungen vor, sei das Insolvenzgeld auch dann zu zahlen, wenn der Insolvenzantrag ordnungsgemäß gestellt wurde. Daher fehle an einem Zurech­nungs­zu­sam­menhang zwischen dem Fehlverhalten des in Anspruch genommenen Geschäfts­führers und der entstandenen Vermö­gen­s­einbuße.

Keine zivilrechtliche Sanktion

Weiterhin habe nach Ansicht des BGH kein Grund dafür bestanden, dem zivil­recht­lichen Haftungsrecht hier Sankti­o­ns­cha­rakter zukommen zu lassen. Der Schutzzweck der rechtzeitigen Insol­ven­z­an­trags­stellung sei es, insolvenzreife Gesellschaften zum Schutz von Gläubigern vom Geschäfts­verkehr fernzuhalten. Dieser Schutzzweck sei aber für das Leistungs­ver­halten der Klägerin von untergeordneter Bedeutung. Denn diese zahle das Insolvenzgeld nicht im Vertrauen darauf, einem solventen Geschäfts­partner gegenüber zu stehen, sondern um ihre gesetzliche Pflicht zu erfüllen.

Kein Ausschluss der Zahlungspflicht für Insol­ven­z­aus­fa­llgeld

Schließlich habe auch nicht der Umstand, dass bei rechtzeitiger Antragsstellung die bestehenden Beschäf­ti­gungs­ver­hältnisse alsbald beendet worden wären oder die Forderungen der Arbeitnehmer noch aus Mitteln der Gesellschaft hätten befriedigt werden können, dazu geführt, dass die Klägerin von ihrer Pflicht zur Zahlung des Insolvenzgeldes befreit worden wäre. Denn der Insolvenzantrag führe in den meisten Fällen nicht zur sofortigen Einstellung der Geschäft­s­tä­tigkeit und zur Auflösung der Arbeits­ver­hältnisse. Zudem seien die Lohnansprüche der Arbeitnehmer Masse­ver­bind­lich­keiten. Reiche die Masse nicht aus, können die Arbeitnehmer auf die Inanspruchnahme von Insolvenzgeld verwiesen werden. Insoweit gehen die Arbeits­ent­gel­t­ansprüche gemäß § 187 SGB III auf die Bundesagentur über. Diese sei dann Insol­venz­gläubiger (§ 55 Abs. 3 InsO).

Quelle: Bundesgerichtshof, ra-online (vt/rb)

der Leitsatz

BGB § 826

Nimmt die Bundesagentur für Arbeit den Geschäftsführer einer in Insolvenz gefallenen GmbH wegen verspäteter Insol­ven­z­an­trag­stellung auf Ersatz von ihr geleisteten Insolvenzgeldes aus § 826 BGB in Anspruch, so stellt sich der Einwand des Beklagten, Insolvenzgeld hätte auch bei rechtzeitiger Antragstellung gezahlt werden müssen, als qualifiziertes Bestreiten der Schaden­s­ent­stehung dar, für die die Bundes-agentur darlegungs- und beweispflichtig ist. Der Einwand ist nicht nach den Grundsätzen zu behandeln, die beim Vortrag einer Reserveursache oder eines rechtmäßigen Alter­na­tiv­ver­haltens gelten.

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