21.11.2024
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Dokument-Nr. 22991

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Beschluss23.10.2015Oberlandesgericht Koblenz12 W 538/15
passende Fundstellen in der Fachliteratur:
  • NJW-Spezial 2016, 71Zeitschrift: NJW-Spezial, Jahrgang: 2016, Seite: 71
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Vorinstanz:
  • Landgericht Trier, Urteil23.06.2015, 4 O 5/12
ergänzende Informationen

Oberlandesgericht Koblenz Beschluss23.10.2015

Entbindung von ärztlicher Schweigepflicht aufgrund mutmaßlichen Willens des verstorbenen PatientenArzt zur Aussage im Rahmen eines Erbschaftss­treits verpflichtet

Zwar kann die ärztliche Schweigepflicht auch nach dem Tod des Patienten gelten. Jedoch kann nach dem mutmaßlichen Willen des Verstorbenen eine Entbindung von der Schweigepflicht in Betracht kommen, wenn die Aussage des Arztes im Rahmen eines Erbschaftss­treits zwischen den Kindern des Verstorbenen benötigt wird. In diesem Fall kann sich der Arzt nicht auf sein Aussage­verweigerungs­recht nach § 383 Abs. 1 Nr. 6 ZPO berufen. Dies geht aus einer Entscheidung des Oberlan­des­ge­richts Koblenz hervor.

Dem Fall lag folgender Sachverhalt zugrunde: Nach dem Tod der Mutter stritten sich ihr Sohn und ihre Tochter um die Erbschaft. Es kam schließlich zu einer gerichtlichen Ausein­an­der­setzung vor dem Landgericht Trier. In dieser war von Bedeutung, ob die Verstorbene umfassend pflegebedürftig war. Dies behauptete jedenfalls die Tochter. Sie gab an, ihre Mutter gepflegt zu haben und verlangte daher einen finanziellen Ausgleich. Um die Behauptung zu klären, sollte der frühere Arzt der Verstorbenen als Zeuge vernommen werden. Er sollte Angaben dazu machen, unter welchen Erkrankungen die Verstorbene gelitten hatte und inwiefern sie pflegebedürftig war. Der Arzt verweigerte jedoch unter Hinweis auf die ärztliche Schweigepflicht eine Aussage. Dies ließ das Landgericht gelten. Dagegen richtete sich die Beschwerde der Tochter der Verstorbenen.

Entbindung von ärztlicher Schweigepflicht auch nach Tod

Das Oberlan­des­gericht Koblenz bestätigte zwar, dass die ärztliche Schweigepflicht auch über den Tod des Patienten hinaus reichen könne. Ein Arzt könne daher grundsätzlich unter Berufung auf die Schweigepflicht seine Aussage gemäß § 383 Abs. 1 Nr. 6 ZPO verweigern. Nach dem Tod sei aber stets zu prüfen, ob der Patient zu Lebzeiten geäußert habe, dass der Arzt nach ihrem Tod schweigen solle bzw. dass er Angaben machen dürfe. Sei eine solche Äußerung nicht vorhanden, sei der mutmaßliche Wille des Verstorbenen zu erforschen. Es müsse also geprüft werden, ob er die Entbindung von der Schweigepflicht mutmaßlich gebilligt oder missbilligt hätte.

Gewissenhafte Prüfung des mutmaßlichen Willens durch Arzt

Im Rahmen der Erforschung des mutmaßlichen Willens stehe dem Arzt eine weitgehende eigene Entschei­dungs­be­fugnis zu, so das Oberlan­des­gericht. Entschließe sich der Arzt zu einer Aussa­ge­ver­wei­gerung, müsse er eine gewissenhafte Prüfung vornehmen und im Einzelnen darlegen, auf welche Belange des Verstorbenen sich seine Weigerung stütze. Dies sei hier nicht geschehen. Das Oberlan­des­gericht prüfte daher selbst den mutmaßlichen Willen der Verstorbenen.

Entbindung von ärztlicher Schweigepflicht aufgrund mutmaßlichen Willens

Nach Ansicht des Oberlan­des­ge­richts hätte die Verstorbene mutmaßlich den Arzt von seiner Schweigepflicht entbunden. Es könne nämlich angenommen werden, dass sie interessiert daran gewesen wäre, dass es nach ihrem Tod zu einer gerechten Regelung betreffend ihres Nachlasses komme. Sie hätte mutmaßlich alles Erforderliche getan, um eine Klärung der Frage zu ihrer Pflege­be­dürf­tigkeit zu ermöglichen.

Kein Aussa­ge­ver­wei­ge­rungsrecht

Dem Arzt habe daher nach Auffassung des Oberlan­des­gericht kein Aussageverweigerungsrecht nach § 383 Abs. 1 Nr. 6 ZPO zugestanden.

Quelle: Oberlandesgericht Koblenz, ra-online (vt/rb)

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