18.10.2024
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Oberlandesgericht Koblenz Beschluss04.05.2010

OLG Koblenz zur Regelung elterlicher Sorge bei beabsichtigter Übersiedlung eines Elternteils ins AuslandÖrtliche Freizügigkeit des einen Elternteils muss im Hinblick auf Kindeswohl hinter das Umgangsrecht des anderen Elternteils zurücktreten

Beantragt ein Elternteil das alleinige Sorgerecht, um mit dem gemeinsamen Kind ins Ausland (hier: Italien) überzusiedeln und wird hierdurch das Umgangsrecht des anderen Elternteils beeinträchtigt, müssen triftige Gründe für den Wegzug bestehen, die schwerer wiegen als das Umgangsrecht des Kindes und des anderen Elternteils. Das hat das Oberlan­des­gericht Koblenz entschieden.

Die Antragstellerin des zugrunde liegenden Falls ist italienische Staats­an­ge­hörige und mit dem Antragsgegner verheiratet - das Paar lebt jedoch in Trennung. Sie haben ein sechs Jahre altes Kind, das bei der Kindesmutter lebt. Die elterliche Sorge steht den Kindeseltern gemeinsam zu. Der Umgang des Kindesvaters mit dem Kind wurde in der Vergangenheit dadurch erschwert, dass es zwischen den Kindeseltern sowie zwischen dem Kindesvater und seinen Schwiegereltern zu Ausein­an­der­set­zungen kam. Die Kindesmutter beabsichtigt, mit dem Kind zu ihrem neuen Lebensgefährten nach Italien in die Provinz Salerno umzuziehen. Sie hat deshalb die Übertragung des alleinigen elterlichen Sorgerechts auf sich beantragt.

Oberlan­des­gericht weist Beschwerde der Kindesmutter zurück

Das Familiengericht hat den Antrag zurückgewiesen. Die Antragstellerin hat gegen diese Entscheidung Beschwerde eingelegt. Das Oberlan­des­gericht Koblenz hat die Kindeseltern, das Kind und den für das gerichtliche Verfahren bestellten Verfah­rens­pfleger des Kindes angehört. Schließlich hat der Familiensenat die Beschwerde der Kindesmutter zurückgewiesen.

Aufhebung der gemeinsamen Sorge nur, wenn es dem Wohl des Kindes am besten entspricht

Das Gericht führte aus, dass nach § 1671 Abs. 1, Abs. 2 Nr. 2 BGB (s.u.) nach der Trennung die elterliche Sorge auf Antrag ganz oder teilweise einem Elternteil allein zu übertragen ist, wenn zu erwarten ist, dass die Aufhebung der gemeinsamen Sorge oder eines Teilbereichs sowie die Übertragung auf einen Elternteil dem Wohl des Kindes am besten entspricht. In Fällen des beabsichtigten Umzugs ins Ausland mit dem gemeinsamen Kind seien das Grundrecht des umzugswilligen Elternteils auf örtliche freizügige Lebens­ge­staltung und das Grundrecht des anderen Elternteils auf möglichst freien Umgang mit seinem Kind abzuwägen und zu einem Ausgleich zu bringen.

Triftige persönliche, familiäre oder berufliche Gründe für Übersiedlung ins Ausland nicht erkennbar

Entscheidend sei darauf abzustellen, was dem Kindeswohl am besten diene. Deshalb komme die Übertragung des alleinigen Sorgerechts nur in Betracht, wenn triftige Gründe für den Wegzug bestehen, die schwerer wiegen als das Umgangs­in­teresse des Kindes und des anderen Elternteils. Im vorliegenden Fall sei zu erwarten, dass es nach einem Umzug der Kindesmutter mit dem Kind nach Italien zu keinem Umgang mit dem Vater mehr kommen werde. Triftige persönliche, familiäre oder berufliche Gründe für eine Übersiedlung habe die Antragstellerin nicht überzeugend dargelegt. Sie verfüge in der Provinz Salerno, die nicht ihre Heimat, sondern die ihres neuen Lebensgefährten sei, über keinerlei gefestigte soziale Bindungen, in die ihr Kind einbezogen sei. Bei der Beziehung zu ihrem neuen Lebensgefährten handele es sich bisher im Wesentlichen um eine Fernbeziehung. Auch konkrete berufliche Perspektiven in Italien habe die Antragstellerin nicht aufzeigen können. Im Rahmen ihrer Anhörung vor dem Gericht habe sie vielmehr den Eindruck erweckt, dass vorrangiges Ziel ihrer Übersiedlung nach Italien sei, den Umgang des Kindes mit seinem Vater zu vereiteln.

Kein Anspruch auf Übertragung des Aufent­halts­be­stim­mungs­rechts auf Kindesmutter

Unter diesen Umständen müsse die örtliche Freizügigkeit, die die Antragstellerin genieße, im Hinblick auf das Kindeswohl hinter das Umgangsrecht des Antragsgegners zurücktreten. Das Gericht hat es auch abgelehnt, lediglich das Aufent­halts­be­stim­mungsrecht (bei Belassung der gemeinsamen elterlichen Sorge) auf die Kindesmutter zu übertragen. Auch dies entspreche nicht dem Kindeswohl, weil aufgrund des bisherigen Verhaltens der Kindesmutter das Umgangsrecht des Vaters bei einem Umzug als sicher ausgeschlossen anzusehen sei.

§ 1671 des Bürgerlichen Gesetzbuches (BGB) lautet wie folgt:

Erläuterungen
(1) Leben Eltern, denen die elterliche Sorge gemeinsam zusteht, nicht nur vorübergehend getrennt, so kann jeder Elternteil beantragen, dass ihm das Familiengericht die elterliche Sorge oder einen Teil der elterlichen Sorge allein überträgt.

(2) Dem Antrag ist stattzugeben, soweit

1. der andere Elternteil zustimmt, es sei denn, dass das Kind das 14. Lebensjahr vollendet hat und der Übertragung widerspricht, oder

2. zu erwarten ist, dass die Aufhebung der gemeinsamen Sorge und die Übertragung auf den Antragsteller dem Wohl des Kindes am besten entspricht.

(3) Dem Antrag ist nicht stattzugeben, soweit die elterliche Sorge auf Grund anderer Vorschriften abweichend geregelt werden muss.

Quelle: ra-online, Oberlandesgericht Koblenz

der Leitsatz

1. Beabsichtigt der das Sorgerecht beantragende Elternteil ins Ausland umzusiedeln, so steht dem Elternrecht des anderen Elternteils auf möglichst freien Umgang mit seinem Kind aus Art. 6 GG das Recht des antrag­stel­lenden Elternteils auf örtlich freizügige Lebens­ge­staltung und Freizügigkeit aus Art. 2 GG gegenüber. Die Grundrechte beider Elternteile sind zu einem Ausgleich zu bringen.

2. Beantragt ein Elternteil die alleinige elterliche Sorge, um zusammen mit dem gemeinsamen Kind in einen anderen Staat (hier: Italien) überzusiedeln, und wird infolgedessen das Umgangsrecht des anderen Elternteils beeinträchtigt, ist es erforderlich, dass für den Wegzug triftige Gründe bestehen, die schwerer wiegen als das Umgangs­in­teresse von Kind und anderem Elternteil. Diese fehlen, wenn der Umzugsplan nicht einer ernsthaften und wohlbegründeten Planung des künftigen Lebens des umzugswilligen Elternteils entspringt, gefestigte soziale Bindungen in dem anderen Staat fehlen und vorrangiges Ziel einer Übersiedlung in das Ausland ist, den Umgang des Kindes mit dem anderen Elternteil zu vereiteln.

3. Die Übertragung des Aufent­halts­be­stim­mungs­rechts auf die Mutter mit dem Ziel der Übersiedlung mit dem gemeinsamen Kind in ihre italienische Heimat entspricht nicht dem Kindeswohl, wenn das Umgangsrecht des Vaters aufgrund des bisherigen Verhaltens der Mutter bei einem Umzug nach Italien als sicher ausgeschlossen anzusehen ist.

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