18.10.2024
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Sie sehen einen Teil eines Daches, welches durch einen Sturm stark beschädigt wurde.
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Oberlandesgericht Koblenz Beschluss26.04.2010

Schwimm­bad­be­treiber haftet nicht für überwiegend selbst verschuldeten Unfall auf WasserrutscheVor Gefährdungen und Schädigungen, die Besucher selbst erkennen und vermeiden kann, muss nicht gewarnt werden

Kommt es in einem Schwimmbad zu einem Unfall, weil ein Badegast in das Ende einer röhrenartigen Wasserrutsche hineinklettert und mit einem – die Wasserrutsche von oben her kommenden – anderen Badegast zusammenstößt, ist der Schwimm­bad­be­treiber nicht zur Zahlung von Schmerzensgeld und Schadensersatz für den geschädigten Badegast verpflichtet. Dies entschied das Oberlan­des­gericht Karlsruhe

Im zugrunde liegenden Fall besuchte die erwachsene Antragstellerin aus dem Raum Limburg am 17. Februar 2006 ein im Landkreis Neuwied gelegenes Freizeitbad. Dort führte eine Beschilderung mit der Aufschrift „Schatzinsel” in den Kellerbereich des Bades. Im Kellerbereich befanden sich unter anderem zwei große Röhren in der Wand, aus denen Wasser in ein Wasserbecken austrat. Vor einem dieser Becken war ein Drehkreuz installiert.

Sachverhalt

Der folgende Sachverhalt ist zwischen den Beteiligten umstritten. Die Antragstellerin hat vorgetragen, sie sei auf der Suche nach der „Schatzinsel” in eine der beiden Röhren hinein­ge­klettert. Das Drehkreuz habe ihren Zugang nicht verhindert, weil es frei drehbar gewesen sei. Sie habe – ebenso wie ihr Begleiter – nicht erkannt, dass es sich bei der Röhre um das Ende einer Wasserrutsche handele. Plötzlich und für sie unerwartet sei ein anderer Badegast von oben aus der Röhre herausgerutscht und habe sie mit seinem gesamten Gewicht getroffen. Hierdurch habe sie einen Bruch der Brust­wir­belsäule erlitten. Diese Verletzung und ihre Folgen beein­träch­tigten sie noch heute erheblich. Zu dem Unfall sei es allein aufgrund der Beschilderung „Schatzinsel” und fehlender Warnhinweise gekommen. Für den Unfall sei deshalb die Schwimm­bad­be­treiberin verantwortlich. Die Antragsgegnerin ist dieser Darstellung entge­gen­ge­treten.

Geschädigte verlangt Schmerzensgeld und Schadensersatz vom Schwimm­bad­be­treiber

Die Antragstellerin hat die Bewilligung von Prozess­kos­tenhilfe für eine beabsichtigte Klage gegen die Schwimm­bad­be­treiberin beantragt. Mit der beabsichtigten Klage hat sie die Feststellung begehrt, dass die Schwimm­bad­be­treiberin verpflichtet ist, ihr alle durch den Unfall erlittenen Schäden sowie ein Schmerzensgeld zu bezahlen, das sie auf mindestens 125.000 Euro beziffert hat.

Landgericht hält Unfall für selbst­ver­schuldet

Das Landgericht Koblenz hat den Prozess­kos­ten­hil­feantrag zurückgewiesen, weil keine hinreichende Erfolgsaussicht für die beabsichtigte Klage bestehe. Das Verschulden der Antragstellerin bei dem von ihr geschilderten Unfall überwiege in einem derart starken Maße, dass eine - letztlich offen gelassene - Haftung der Schwimm­bad­be­treiberin nicht in Betracht komme. Für die Antragstellerin sei aus der gesamten Anordnung der Örtlichkeit klar ersichtlich gewesen, dass es sich bei der Röhre um den Ausgang einer Rutsche handele. Sie habe den von ihr dargestellten Unfall selbst verschuldet.

Wasserrutsche war keine Gefahrenstelle, die weitergehende Siche­rungs­maß­nahmen erforderte

Gegen diese Entscheidung hat die Antragstellerin sofortige Beschwerde eingelegt. Das Oberlan­des­gericht Koblenz hat die Beschwerde zurückgewiesen.

In dem Beschluss führte das Gericht aus, der Antragstellerin stünden keine Ansprüche zu, weil eine schuldhafte Pflicht­ver­letzung der Antragsgegnerin nicht gegeben sei. Zwar sei die Schwimm­bad­be­treiberin grundsätzlich gegenüber den Besuchern des Bades verpflichtet, Gefährdungen und Schädigungen nach Möglichkeit auszuschließen. Daher müsse sie diejenigen Vorkehrungen treffen, die nach den konkreten Umständen zur Beseitigung einer Gefahr erforderlich seien. Allerdings müsse der Besucher nur vor solchen Gefahren geschützt werden, die er selbst bei Anwendung der von ihm zu erwartenden Sorgfalt nicht erkennen und vermeiden könne. Der Bereich der Wasserrutsche stelle keine abhil­fe­be­dürftige Gefahrenstelle dar, die weitergehende Siche­rungs­maß­nahmen erfordern würde. Es sei für einen umsichtigen Besucher ohne weiteres zu erkennen gewesen, dass es sich bei der Öffnung in der Wand nicht um den Zugang zu einer besonderen Attraktion („Schatzinsel”) gehandelt habe, sondern um die Austritts­öffnung einer Wasserrutsche. Besonderer Warnhinweise der Schwimm­bad­be­treiberin auf die Funktion dieser Öffnung habe es nicht bedurft. Die Betreiberin habe nicht damit rechnen müssen, dass ein Besucher des Bades von unten in die Austritts­öffnung der Wasserrutsche hineinklettern würde. Aus der Gestaltung dieses Bereichs lasse sich daher kein verkehrs­wi­driger Zustand ableiten, der eine Haftung hätte begründen können.

Schließlich sei auch die Annahme des Landgerichts zutreffend, etwaige Ansprüche der Antragstellerin seien wegen ihres überwiegenden eigenen Verschuldens ausgeschlossen.

Zusat­z­in­for­mation zur Prozess­kos­tenhilfe:

Erläuterungen
Nach § 114 der Zivil­pro­zess­ordnung (ZPO) kann eine Partei für die beabsichtigte Erhebung einer Klage oder für die Verteidigung gegen eine Klage die Gewährung von Prozess­kos­tenhilfe beantragen. Voraussetzung für die Bewilligung ist, dass die Partei nach ihren persönlichen und wirtschaft­lichen Verhältnissen nicht in der Lage ist, die Kosten der Prozessführung zu tragen. Des Weiteren muss die Rechts­ver­folgung oder Rechts­ver­tei­digung hinreichende Aussicht auf Erfolg haben und darf nicht mutwillig sein. Sind diese Voraussetzungen erfüllt, bewilligt das Gericht Prozess­kos­tenhilfe. Die Partei ist dann von der Zahlung von Gerichtskosten und der Kosten des eigenen Anwalts befreit; verliert sie den Prozess, hat sie jedoch die Kosten des Prozessgegners zu tragen.

Quelle: ra-online, OLG Koblenz

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