23.11.2024
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Oberlandesgericht Karlsruhe Urteil24.11.2004

Oberlan­des­gericht Karlsruhe verurteilt Badenia Bausparkasse zum Schadensersatz

Banken machen sich schaden­s­er­satz­pflichtig, wenn sie ihre Kunden nicht hinreichend auf die Risiken einer Vermögensanlage in Immobilien hinweisen. Dies gilt insbesondere dann, wenn sie die Gewährung eines Darlehens davon abhängig machen, dass der Kunde einem so genannten Mietpool beitritt, der es ihm verbietet, das von ihm gekaufte Objekt selbst zu verwalten. Das hat das Oberlan­des­gericht Karlsruhe entschieden.

Die Klägerin, eine damals 22jährige ledige Polizeibeamtin, kaufte 1997 eine gebrauchte Eigen­tums­wohnung in der Nähe von Wuppertal als Anlageobjekt. Die Finanzierung mit Bauspa­r­ver­trägen und einem sogenannten Vorausdarlehen übernahm die Badenia Bausparkasse. Immobilienkauf und Finanzierung wurden von Vertretern der Heinen & Biege-Gruppe vermittelt, die in den 90er Jahren in größerem Umfang Wohnungen aus dem sozialen Wohnungsbau als Anlageobjekte verkauften, wobei in mehr als 5000 Fällen von Heinen & Biege gleichzeitig eine Finanzierung der Badenia vermittelt wurde. Die Firmen der Heinen & Biege-Gruppe sind heute insolvent. Die Klägerin ist der Meinung, sie sei von der Badenia erheblich geschädigt worden.

Nach dem Urteil des 15. Zivilsenats wird die Klägerin von sämtlichen Schulden bei der Badenia befreit. Alle Aufwendungen, die die Klägerin bisher gehabt hat, muss die Badenia ersetzen. Im Gegenzug erhält die Badenia die Eigen­tums­wohnung, an der die Klägerin kein Interesse mehr hat.

Der 15. Zivilsenat stützt die Verurteilung der Badenia in erster Linie auf die Verletzung von Aufklä­rungs­pflichten. Die Klägerin sei auf Grund der Darle­hens­be­din­gungen der Badenia gezwungen gewesen, einem sogenannten Mietpool beizutreten. Der Mietpool habe der Klägerin jede Möglichkeit genommen, die erworbene Wohnung selbst zu verwalten, und sei mit erheblichen, für die Klägerin nicht überschaubaren Risiken verbundenen gewesen. Wenn die Badenia die Klägerin pflichtgemäß auf diese Risiken hingewiesen hätte, hätte die Klägerin die Wohnung nie erworben.

Der Senat hat das Gutachten eines Sachver­ständigen eingeholt, der insgesamt 664 Banken und Bausparkassen in Deutschland nach ihren Erfahrungen mit Mietpools befragt hat. Das Gutachten habe ergeben, dass die Vertrags­ge­staltung der Badenia - verpflichtender Beitritt zu einem Mietpool - in Deutschland gänzlich unüblich sei. Aus dieser Unüblichkeit ergebe sich eine Verantwortung der Badenia für die Risiken und Gefahren des Mietpools.

Das von Heinen & Biege entwickelte Mietpoolkonzept war nach den Feststellungen des Senats von Anfang an betrügerisch. Zu keinem Zeitpunkt habe bei Heinen & Biege die Absicht bestanden, die Ausschüttungen des Pools an die Eigentümer korrekt zu kalkulieren. Vielmehr hätten die Vertreter von Heinen & Biege generell den Kunden überhöhte Ausschüttungen versprochen, um einen in Wahrheit nicht vorhandenen Mietertrag der Wohnungen vorzuspiegeln. Auf diese Weise seien auch bei der Klägerin falsche Vorstellungen über die finanziellen Folgen des Wohnungskaufs hervorgerufen worden.

Die Badenia habe bei der Finanzierung für Heinen & Biege-Kunden generell keine realen Verkehrs­wert­fest­set­zungen vorgenommen. Man habe bei der Badenia überhöhte fiktive Beleihungswerte zu Grunde gelegt, um die Vollfi­nan­zierung überhöhter Kaufpreise rechtfertigen zu können. Für die Badenia sei es hierbei im Hinblick auf Kontrollen nach den Vorschriften des Bauspa­r­kas­sen­ge­setzes wichtig gewesen, den Anschein korrekter Belei­hungs­wer­t­er­mitt­lungen in ihren internen Dokumentationen zu wahren. Man habe zu diesem Zweck in der hauseigenen Dokumentation die (in der Regel überhöhten) Mietpoolaus­schüt­tungen als (angebliche) Mieten bezeichnet, um für die Verkehrs­wert­fest­setzung einen (angeblichen) tatsächlichen Mietertrag dokumentieren zu können. Mit diesem System habe die Badenia überhöhte Mietpool-Ausschüttungen der zur Heinen & Biege-Gruppe gehörenden Mietpool-Verwalterin zumindest provoziert.

Eine maßgebliche Rolle in der Zusammenarbeit mit der Heinen & Biege-Gruppe spielte nach den Feststellungen des 15. Zivilsenats der damalige Vorstand A.. Ob das Betrugssystem von Heinen & Biege vollständig mit dem Vorstand A. abgesprochen war, brauchte der Senat nicht festzustellen. Sicher sei jedoch, dass der Vorstand A. gewusst habe, dass bestimmte Unkosten der Wohnungen in den überhöhten Mietpool-Ausschüttungen vorsätzlich und systematisch nicht einkalkuliert waren. Hieraus ergebe sich der Vorwurf einer Beihilfe zum Betrug. Für die unerlaubte Handlung ihres ehemaligen Vorstands hafte die Badenia nach §§ 823 Abs. 2, 31 BGB. Die Klägerin sei von der Badenia im übrigen auch nicht über die Einzelheiten und die wirtschaft­lichen Auswirkungen des komplizierten Finan­zie­rungs­systems von Bauspa­r­ver­trägen und Vorausdarlehen aufgeklärt worden. Auch daraus ergebe sich eine Schaden­s­er­satz­pflicht der Badenia.

In der Vergangenheit haben eine Reihe von anderen Zivilsenaten verschiedener Oberlan­des­ge­richte in Deutschland in Parallelfällen Klagen gegen die Badenia abgewiesen. Der 15. Zivilsenat weist darauf hin, dass diesen Senaten vielfach wohl nicht dieselben Informationen vorlagen, die nunmehr Gegenstand des Verfahrens vor dem Oberlan­des­gericht Karlsruhe waren.

Siehe nachfolgend:

BGH entscheidet zu "Mietpools" bei sogenannten "Schrot­tim­mo­bilien" (Bundes­ge­richtshof, Urteil v. 20.03.2007 - XI ZR 414/04 -)

Quelle: ra-online, Pressemitteilung des OLG Karlsruhe vom 15.12.2004

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