23.11.2024
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Oberlandesgericht Karlsruhe Urteil29.02.2008

Recht auf Gegen­dar­stellung auch bei Äußerung über Befind­lich­keiten einer PersonGegen­dar­stellung auf der Titelseite nur in kleinerer Schriftgröße - Identifizierung des Blattes muss möglich sein

Ein Recht auf Gegen­dar­stellung kann auch bei der Äußerung über Befind­lich­keiten einer Person bestehen, wenn beim durch­schnitt­lichen Empfänger der Eindruck erweckt wird, dass im angekündigten Artikel Tatsachen mitgeteilt werden, die den Schluss auf die behauptete innere Befindlichkeit zulassen. Dies rechtfertigt nach Überzeugung des Oberlan­des­ge­richts Karlsruhe die Einstufung der Äußerung als Tatsa­chen­be­hauptung.

Der Antragsteller, der bekannte österreichische Sänger, Schauspieler und Unter­hal­tungs­künstler Peter Alexander, und die Antragsgegnerin, Verlegerin einer bekannten Zeitschrift für Freizeit und Unterhaltung ("Freizeit Revue"), streiten über einen Gegen­dar­stel­lungs­an­spruchs des Antragstellers. Auf der Titelseite einer Ausgabe im Oktober 2007 wurden in der linken oberen Hälfte unter dem Namen des Blattes eingerahmt zwei Bilder des Antragstellers (aus seiner Jugend und aus jüngerer Zeit) und innerhalb des Rahmens der Satz "X. Seine schlimme Zeit in der Gefangenschaft holt ihn jetzt ein" abgedruckt, wobei auf S. 7 des Innenteils verwiesen wurde.

Der Antragsteller ist der Meinung, es handele sich dabei um Tatsa­chen­be­haup­tungen, die erfundene, unrichtige und unwahre Berichterstattung verletze ihn in seinen Rechten. Die Antragsgegnerin ist der Ansicht, die Mitteilung sei nicht gegen­dar­stel­lungsfähig, weil es sich um eine Schluss­fol­gerung auf Meinungsebene, lediglich eine wertende Interpretation und damit um eine Meinung­s­äu­ßerung handele.

Das Landgericht Offenburg hat der Antragsgegnerin im Wege der einstweiligen Verfügung auferlegt, in dem gleichen Teil der Zeitschrift auf der Titelseite mit gleicher Schrift unter Hervorhebung des Wortes Gegendarstellung folgenden Text abzudrucken: "Gegen­dar­stellung - Auf der Titelseite von Y. Nr. ..../07 heißt es ‚X. Seine schlimme Zeit in der Gefangenschaft holt ihn jetzt ein'. Dies ist unwahr. X.

Die Berufung der Antragsgegnerin zum Oberlan­des­gericht Karlsruhe - Senat für Pressesachen in Freiburg - führte lediglich zu einem geringen Teilerfolg.

Gegen­dar­stel­lungsrecht bei Tatsa­chen­be­hauptung

Der Senat führt aus, dass dem Antragsteller zu Recht ein Gegen­dar­stel­lungs­an­spruch zuerkannt wurde: Gem. § 11 Abs. 1 Satz 1 bad.-württ. LPG ist der Verleger eines periodischen Druckwerks zum Abdruck einer Gegen­dar­stellung verpflichtet, soweit der den Abdruck Verlangende durch eine Tatsa­chen­be­hauptung betroffen ist. Anspruchs­vor­aus­setzung ist dabei, dass sich die beantragte Gegen­dar­stellung als Entgegnung auf eine in der Erstmitteilung enthaltene Tatsa­chen­be­hauptung darstellt.

Maßgeblich für das Verständnis der Äußerung ist der ihr vom maßgeblichen Empfängerkreis beigelegte Sinngehalt. Adressaten sind hier vor allem die als Käufer des Presseprodukts in Betracht kommenden Passanten und Besucher von Kiosken sowie von Zeitschrif­te­n­ab­teilung von Supermärkten ("Kiosk-Leser"). Diese verstehen die Äußerung, jemand werde jetzt durch seine schlimme Zeit in der Gefangenschaft eingeholt, dahin, dass der Betroffene nunmehr - sei es innerlich, sei es äußerlich - mit damaligen, von ihm als längst abgeschlossen angesehenen Ereignissen oder Situationen in Berührung kommt, und zwar ohne seinen Willen und in einer ihn eher unangenehm berührenden Weise.

Gericht stuft die Äußerung als Tatsa­chen­be­hauptung ein

Die Antragsgegnerin weist zwar zu Recht darauf hin, dass eine derartige auf innere Vorgänge und Befind­lich­keiten des Betroffenen bezogene Äußerung nach allgemeiner Meinung nur dann als Tatsa­chen­be­hauptung zu werten ist, wenn die innere Tatsache erkennbar mit äußeren Geschehnissen in Beziehung gesetzt wird. Im vorliegenden Fall nennt die Äußerung keine solchen Tatsachen. Durch den Hinweis auf den im Heftinnern platzierten Artikel wird aber beim durch­schnitt­lichen Empfänger der Eindruck erweckt, dass im angekündigten Artikel Tatsachen mitgeteilt werden, die den Schluss auf die behauptete innere Befindlichkeit des Klägers zulassen. Dies rechtfertigt nach Überzeugung des Senats die Einstufung der Äußerung als Tatsa­chen­be­hauptung.

Gegen­dar­stellung darf nicht das Erschei­nungsbild der Titelseite prägen - kleinere Schriftgröße

Erfolg hat die Berufung lediglich darin, dass die Gegen­dar­stellung nicht in derselben Schriftgröße abgedruckt werden muss, weil dadurch eine Fläche in einer Größe in Anspruch genommen würde, die das Erschei­nungsbild der Titelseite in starker Weise prägen würde. Den Belangen der Pressefreiheit ist indessen nur dann Rechnung getragen, wenn die Titelseite durch Umfang und Aufmachung der Gegen­dar­stellung nicht ihre Funktion verliert, eine Identifizierung des Blattes zu ermöglichen, die als besonders wichtig erachteten Mitteilungen aufzunehmen und das Interesse des Publikums zu erregen.

Quelle: ra-online, Pressemitteilung des OLG Karlsruhe vom 03.03.2008

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