18.10.2024
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Sie sehen einen Teil eines Daches, welches durch einen Sturm stark beschädigt wurde.

Dokument-Nr. 11556

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Urteil08.04.2011Oberlandesgericht Karlsruhe12 U 24/11
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Oberlandesgericht Karlsruhe Urteil08.04.2011

OLG Karlsruhe: Verkehrs­be­triebe sind nicht zu Siche­rungs­maß­nahmen gegen Steinewerfer verpflichtetZusätzliche Siche­rungs­maß­nahmen, die jeden Unfall ausschließen, nicht zumut- und erreichbar

Verkehrs­be­triebe sind nicht dazu verpflichtet, Maßnahmen gegen unbekannte Steinewerfer zu ergreifen, die sich aus dem Schotterbett der Straßenbahn bedienen. Auch wenn die Verkehrs­be­triebe für unbekannte Dritte die Möglichkeit geschaffen haben, auf die von ihr verlegten Schottersteine zuzugreifen und diese zu Straftaten zu verwenden, können das Unternehmen weder als Handlungs- noch als Zustandsstörer angesehen werden. Dies geht aus einer Entscheidung des Oberlan­des­ge­richts Karlsruhe hervor.

Die Klägerin des zugrunde liegenden Falls ist Mieterin eines Grundstücks in Karlsruhe, über das sich eine Brücke spannt, auf der Straßen­bahn­gleise in Schotter verlegt sind. Sie verlangt von der beklagten Straßen­bahn­un­ter­nehmerin, den Verkehrs­be­trieben, Siche­rungs­maß­nahmen gegen Steinewerfer. Die Klägerin hat behauptet, es komme seit Anfang 2009 verstärkt zu Beschädigungen an den Gebäuden und den abgestellten Kraftfahrzeugen auf dem von ihr gemieteten Grundstück. Diese Schäden stammten von Würfen von der Brücke mit Schottersteinen, die aus der Gleisanlage der Straßenbahn stammten. Die Gleise sind von dem daneben liegenden, ebenfalls über die Brücke führenden Rad- und Gehweg durch ein Geländer mit zwei Querstreben abgetrennt. Die Beklagte ist Trägerin der Straßenbaulast hinsichtlich der Gleisanlage auf der Brücke. Die Beklagte hat die Steinwürfe und die Beschädigungen bestritten.

Das Landgericht Karlsruhe hat die Klage, mit der die Beklagte verurteilt werden sollte, das Gleisbett durch geeignete Maßnahmen in den Zustand zu versetzen, der verhindert, dass von der Brücke Schottersteine aus dem Gleisbett auf das darun­ter­liegende Grundstück geworfen werden können, abgewiesen.

Verletzung der Verkehrs­si­che­rungs­pflichten seitens der Verkehrs­be­triebe nicht ersichtlich

Die dagegen erhobene Berufung der Klägerin zum Oberlan­des­gericht Karlsruhe blieb ohne Erfolg. Das Gericht führte aus, dass die Klägerin Schutzmaßnahmen nicht verlangen könne, weil die Verkehrs­be­triebe weder als Handlungs- noch als Zustandsstörer angesehen werden könnten. Die Klägerin behaupte nicht, dass die Steinwürfe von den Organen der Straßen­bahn­un­ter­nehmerin oder ihren Gehilfen ausgingen. Die Beklagte sei auch nicht mittelbare Handlungs­störerin. Zwar habe sie für unbekannte Dritte die Möglichkeit geschaffen, auf die von ihr verlegten Schottersteine zuzugreifen und diese zu Straftaten zu verwenden. Das genüge für die Inanspruchnahme als Handlungsstörer jedoch nicht. Die setze voraus, dass die Verkehrs­be­triebe über die Rechtsmacht verfügten, durch Einwirkung auf den Störer, den Steinewerfer, weitere Beein­träch­ti­gungen zu verhindern. Eine solche Rechtsmacht hätten die Verkehrs­be­triebe jedoch nicht. Auch als so genannte Zustandsstörer könnten sie nicht in Anspruch genommen werden. Der Umstand allein, dass von einem Grundstück oder Bauwerk eine Beein­träch­tigung für das Nachba­r­grundstück ausgeht, mache den Eigentümer des beein­träch­ti­genden Anwesens noch nicht zum Störer. Die Beein­träch­tigung müsse vielmehr wenigstens mittelbar auf seinen Willen zurückzuführen sein. Diese Voraussetzung sei nur erfüllt, wenn der Schuldner das Grundstück wissentlich unter Verletzung einer Verkehrssicherungspflicht in einem gefährdenden Zustand belasse. Dass die Verkehrs­be­triebe Verkehrs­si­che­rungs­pflichten verletzt hätten, sei nicht ersichtlich.

Verlegung sämtlicher Gleise in festem Belag würde Überforderung unterhaltenden Unternehmer darstellen

Nicht jeder abstrakten Gefahr müsse durch vorbeugende Maßnahmen begegnet werden, da eine Verkehrs­si­cherung, die jeden Unfall ausschließe, nicht erreichbar sei. Es bedürfe auch nur solcher Siche­rungs­maß­nahmen, die ein verständiger und umsichtiger, in vernünftigen Grenzen vorsichtiger Mensch für ausreichend halten dürfe, um andere Personen vor Schäden zu bewahren und die ihm den Umständen nach zumutbar seien. Danach können von den Verkehrs­be­trieben zusätzliche Siche­rungs­maß­nahmen nicht verlangt werden. Es entspreche allgemeinem Standard, dass Eisenbahn- und teilweise auch Straßen­bahn­gleise in einem Schotterbett verlegt würden, das seitlich nicht durch Zäune oder andere Schut­z­ein­rich­tungen abgegrenzt sei. Es würde eine Überforderung der ein Eisenbahn- oder Straßenbahnnetz unterhaltenden Unternehmer darstellen, würde man von ihnen verlangen, sämtliche Gleise in einem festen Belag auszuführen oder nach außen durch Zaunanlagen zu sichern. Eine Sicherung könne auch dann nicht verlangt werden, wenn wie hier die Gleise über eine Brücke geführt würden, die auch für den Fußgän­ger­verkehr geöffnet sei. Aufwändige Siche­rungs­maß­nahmen auf der Brücke blieben auch nur von eingeschränkter Wirksamkeit, da auch danach nicht ausgeschlossen werden könne, dass Fußgänger vor den Brücken­auf­fahrten Steine aufnehmen und sodann von der Brücke herabwerfen würden.

Über Maßnahmen zum Schutz der unter der Brücke verlaufenden öffentlichen Straße musste Gericht nicht entscheiden

Ob die Beklagte wegen ihrer Verkehrs­si­che­rungs­pflicht gehalten ist, Maßnahmen zum Schutz der ebenfalls unter der Brücke verlaufenden öffentlichen Straße (Abschnitt der Bundesstraße 10) zu ergreifen, um zu verhindern, dass Leib und Leben von Verkehrs­teil­nehmern gefährdet werden, die sich als gelegentliche Nutzer des Straße­n­ab­schnitts den Gefahren unterhalb der Brücke weniger bewusst sind, musste das Gericht aus Anlass des zur Entscheidung stehenden Rechtsstreits nicht entscheiden.

§ 1004 Abs. 1 BGB lautet:

Erläuterungen
Abs. 1: Wird das Eigentum in anderer Weise als durch Entziehung oder Vorenthaltung des Besitzes beeinträchtigt, so kann der Eigentümer von dem Störer die Beseitigung der Beein­träch­tigung verlangen. Sind weitere Beein­träch­ti­gungen zu besorgen, so kann der Eigentümer auf Unterlassung klagen.

Quelle: Oberlandesgericht Karlsruhe/ra-online

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