Dokument-Nr. 18079
Permalink https://urteile.news/
- MDR 2014, 714Zeitschrift: Monatsschrift für Deutsches Recht (MDR), Jahrgang: 2014, Seite: 714
- NJW-Spezial 2014, 267 (Rainer Heß und Michael Burmann)Zeitschrift: NJW-Spezial, Jahrgang: 2014, Seite: 267, Entscheidungsbesprechung von Rainer Heß und Michael Burmann
- NZV 2014, 414Neue Zeitschrift für Verkehrsrecht (NZV), Jahrgang: 2014, Seite: 414
- Schadensersatzrecht
- Verkehrsrecht
- Straßenverkehrsrecht
- Autounfall
- Verkehrsunfall
- Geschwindigkeit
- Geschwindigkeitsüberschreitung
- Geschwindigkeitsverstoß
- Mitverschulden
- Mitschuld
- Mithaftung
- Mitverursachung
- Motorradunfall
- Verkehrsunfall
- Parkplatzeinfahrt
- Parkplatzausfahrt
- überhöhter...
- überhöhte ...
- Überholen
- Überholmanöver
- Überholvorgang
Oberlandesgericht Hamm Urteil04.02.2014
Unfall beim Überholen: Überschreiten der zulässigen Höchstgeschwindigkeit beim Überholvorgang führt nicht automatisch zu Mitschuld an einem VerkehrsunfallOLG Hamm definiert Grenzen des "faktischen Überholverbots"
Ein Verkehrsteilnehmer, der unter Überschreiten der zulässigen Höchstgeschwindigkeit überholt, muss sich im Falle eines Unfalls nur dann einen Verstoß gegen ein so genanntes "faktisches Überholverbot" vorhalten lassen, wenn sich der Unfall beim Einhalten der zulässigen Höchstgeschwindigkeit nicht ereignet hätte. Außerdem schützt ein "faktisches Überholverbot" nur die von einem gesetzlichen Überholverbot geschützten Verkehrsteilnehmer und nicht auch den von einer Parkplatzausfahrt in die Straße einbiegenden Verkehrsteilnehmer. Dies geht aus einer Entscheidung des Oberlandesgerichts Hamm hervor.
Im Mai 2013 befuhr der aus Hagen stammende, seinerzeit 28 Jahre alte Kläger des zugrunde liegenden Verfahrens mit seinem Motorrad Honda die Hälverstraße in Schalksmühle. Im Bereich der Parkplatzein- und -ausfahrt eines an der linken Straßenseite gelegenen Lebensmittelmarktes überholte der Kläger ein vor ihm mit ca. 50 km/h fahrendes Fahrzeug, wobei er die innerorts zulässige Höchstgeschwindigkeit überschritt. Zu diesem Zeitpunkt bog der seinerzeit 49 Jahre alte Beklagte aus Lüdenscheid mit seinem Pkw Renault vom Parkplatz des Lebensmittelmarktes nach rechts auf die Hälverstraße und kollidierte mit dem ihm entgegenkommenden, bereits überholenden Motorrad des Klägers. Der Kläger zog sich Verletzungen an seinem linken Sprunggelenk und seiner rechten Ferse zu, sein Motorrad erlitt einen Totalschaden. Vom Beklagten hat er 100 prozentigen Schadensersatz verlangt.
OLG: Pkw-Fahrer ist für Unfall alleinverantwortlich
Die Klage hatte Erfolg. Das Oberlandesgericht Hamm hat dem Kläger 8.000 Euro Schmerzensgeld und ca. 11.500 Euro materiellen Schadensersatz zugesprochen. Nach dem eingeholten unfallanalytischen Sachverständigengutachten sei allein der Beklagte für den Unfall verantwortlich. Nach der Straßenverkehrsordnung habe der Beklagte bei der Einfahrt vom Parkplatz auf die Straße die Gefährdung des Klägers als Teilnehmer des fließenden Verkehrs ausschließen müssen. Diesen Anforderungen habe er nicht genügt, bereits nach einem Anfahrtsweg von 6 m sei sein Fahrzeug mit dem Motorrad des Klägers kollidiert.
Geschwindigkeitsverstoß des Motorradfahrers war für Unfall nicht ursächlich
Den Kläger treffe demgegenüber kein Mitverschulden, das bei der Haftungsabwägung zu berücksichtigen sei. Zu Beginn seines Überholvorganges sei das Anfahren des Beklagten für ihn nicht zu erkennen gewesen. Dass er nur unter Überschreitung der zulässigen Höchstgeschwindigkeit von 50 km/h habe überholen können, sei nicht zu seinen Lasten zu berücksichtigen. Nach der Straßenverkehrsordnung begründe dies kein gesetzliches Überholverbot, es stellte lediglich einen Geschwindigkeitsverstoß dar. Dieser begründe nur dann ein "faktisches" Überholverbot, wenn sich der Unfall beim Einhalten der zulässigen Höchstgeschwindigkeit nicht ereignet hätte. Von einem derartigen Verlauf sei aber im vorliegenden Fall nach dem eingeholten Sachverständigengutachten nicht auszugehen. Vielmehr sei der Geschwindigkeitsverstoß des Klägers für den Unfall nicht ursächlich geworden. Im Übrigen schützten die gesetzlichen Überholverbote nur den nachfolgenden und den Gegenverkehr, nicht jedoch den von einem Parkplatz auf die Straße einfahrenden Verkehrsteilnehmer. Für ein durch einen Geschwindigkeitsverstoß begründetes “faktisches“ Überholverbot könne dann nichts anderes gelten.
© urteile.news (ra-online GmbH), Berlin 17.04.2014
Quelle: Oberlandesgericht Hamm/ra-online
Urteile sind im Originaltext meist sehr umfangreich und kompliziert formuliert. Damit sie auch für Nichtjuristen verständlich werden, fasst urteile.news alle Entscheidungen auf die wesentlichen Kernaussagen zusammen. Wenn Sie den vollständigen Urteilstext benötigen, können Sie diesen beim jeweiligen Gericht anfordern.
Wenn Sie einen Link auf diese Entscheidung setzen möchten, empfehlen wir Ihnen folgende Adresse zu verwenden: https://urteile.news/Urteil18079
Bitte beachten Sie, dass im Gegensatz zum Verlinken für das Kopieren einzelner Inhalte eine explizite Genehmigung der ra-online GmbH erforderlich ist.