15.11.2024
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Oberlandesgericht Hamm Urteil05.04.2016

Anrechnungs­ansprüche aus Reisewerten verjähren erst drei Jahre nach ihrem AbrufVerbraucher kann Reisewerte auch über einen Zeitraum von mehr als drei bis vier Jahren "ansparen"

Kauft ein Verbraucher sogenannte Reisewerte, verjähren die mit ihnen verbundenen Anrechnungs­ansprüche regelmäßig nicht binnen drei Jahren nach Ablauf des Jahres, in dem die Reisewerte erworben wurden, sondern erst drei Jahre nach Ablauf des Jahres, in dem der Kunde die Reisewerte abgerufen hat. Deswegen kann der Verbraucher die Reisewerte auch über einen Zeitraum von mehr als drei bis vier Jahren "ansparen" und mit ihnen dann z.B. eine aufwändigere Reise finanzieren. Dies entschied das Oberlan­des­gericht Hamm und bestätigte damit das erstin­sta­nzliche Urteil des Landgerichts Dortmund.

Dem Fall lag folgender Sachverhalt zugrunde: Der klagende Verbrau­cher­schutz­verein aus Stuttgart nahm die beklagte Firma aus Dortmund und ihre persönlich haftende Gesell­schafterin, eine ebenfalls in Dortmund ansässige Firma, in zwei wettbe­wer­bs­recht­lichen Streitigkeiten auf Unterlassung in Anspruch. Die Beklagte betreut sogenannte Serviceverträge, mit denen Verbraucher gegen ein monatlich gezahltes Serviceentgelt sogenannte Reisewerte erwerben. Diese ermöglichen es dem Verbraucher bei einer späteren Reise­ver­mittlung über ein im Vertrag bestimmtes Reisebüro Reiseleistungen, verbunden mit Sonder­kon­di­tionen und auch reisebezogene Service­leis­tungen, z.B. eine Auslands­kran­ken­ver­si­cherung, in Anspruch zu nehmen. Die Reisewerte sind dabei auf den Reisepreis zu verrechnen und können an den Verbraucher nicht in bar zurückgezahlt werden.

Beklagte verweist auf Verjährung der Anrechnung von Reisewerten binnen drei Jahren

Einen derartigen Servicevertrag hatte eine Verbraucherin aus Baden-Württemberg im Jahre 2006 für ein monatliches Serviceentgelt von 75 Euro abgeschlossen. Dieser Kundin übersandte die durch ihre persönlich haftende Gesell­schafterin vertretene Beklagte im Juni 2013 eine Aufstellung über gezahlte Serviceentgelte und erworbene Reisewerte. In dem Schreiben wies die Beklagte darauf hin, dass die Ansprüche der Kundin auf Anrechnung der Reisewerte binnen drei Jahren verjährten und die Verjährung am Schluss des Jahres beginne, in dem der jeweilige Reisewert erworben worden sei. Die Aufstellung enthielt zudem die Angabe, welche Einzelwerte aufgrund ihrer Verjährung zum Ende der Jahre 2011 und 2012 vom Reise­wert­bestand abzuschreiben wären. Diese Angaben zur Verjährung und Abschreibung hielt der Verbrau­cher­schutz­verein für rechtlich unzulässig und irreführend. Er verlangte von den Beklagten, derartige Angaben gegenüber Verbrauchern mit derartigen Service­ver­trägen zu unterlassen.

Einzelwerte des Verbrauchers verjährten nicht am Schluss des Jahres, in dem sie erworben wurden

Die Unter­las­sungs­klagen der Klägerin waren erfolgreich. Die der geschäftlichen Tätigkeit beider Beklagten zuzurechnende Aufstellung enthalte irreführende Angaben zu den angebotenen Dienst­leis­tungen, hier zum Beginn der Verjährung des Anspruchs des Verbrauchers auf Anrechnung erworbener Reisewerte. Auch die mit diesen Angaben vorgenommenen Abzüge vom Reise­wert­bestand seien irreführend, weil die Abzüge nicht der materiellen Rechtslage entsprächen. Die Einzelwerte des Verbrauchers verjährten nicht am Schluss des Jahres, in dem sie erworben worden seien. Die Verjährung der von ihnen verkörperten Anrech­nungs­ansprüche beginne vielmehr erst am Schluss des Jahres, in dem ein Verbraucher den Anrech­nungs­an­spruch geltend gemacht habe. Der Anspruch sei ein sogenannter verhaltener Anspruch. Das bedeute, dass der verpflichtete Vertragspartner des Verbrauchers die geschuldete Leistung nicht von sich aus erbringen könne, sondern erst leisten dürfe, nachdem sie der Verbraucher verlangt habe. Als Kunde habe der Verbraucher den Anspruch, in Höhe der angesparten Reisewerte von den Kosten einer von ihm ausgesuchten und gebuchten Reise freigestellt werden. Nach den zugrunde liegenden Vereinbarungen und der Interessenlage der Beteiligten werde dieser Anspruch erst fällig, wenn der Kunde eine Anrechnung seiner Reisewerte auf eine konkrete, bereits vermittelte Reise verlange. Dementsprechend beginne der Lauf der Verjäh­rungsfrist erst am Ende des Jahres dieses Leistungs­ver­langens des Verbrauchers.

Abweichende, irreführende Darstellung auch geschäftlich relevant

Die abweichende, irreführende Darstellung im Schreiben der Beklagten sei auch geschäftlich relevant. Sie sei geeignet, einen Verbraucher, der die drohende Verjährung von Reisewerten vor Augen habe, zu einer dies verhindernden Reisebuchung zu bewegen.

Quelle: Oberlandesgericht Hamm/ra-online

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