21.11.2024
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Oberlandesgericht Hamm Urteil23.10.2014

Fußballtrainer unberechtigt entlassen - Rechtsanwalt schuldet Schadensersatz wegen versäumter Kündigungs­schutz­klageAnwalt muss Trainer das bis zum ursprünglichen Vertragsende entgangene Grundgehalt einschließlich entgangener Sonderprämien als Schadensersatz zahlen

Wird die nicht­be­rechtigte Kündigung eines Fußballtrainers wirksam, weil sein Rechtsanwalt eine rechtzeitige Kündigungs­schutz­klage gegen den Verein versäumt, kann der Anwalt verpflichtet sein, dem Trainer das zum ursprünglichen Vertragsende entgangene Grundgehalt einschließlich entgangener Sonderprämien als Schadensersatz zu zahlen. Dies entschied das Oberlan­des­gericht Hamm und bestätigte damit das erstin­sta­nzliche Urteil des Landgerichts Dortmund.

Der Kläger des zugrunde liegenden Streitfalls war seit Oktober 2007 Cheftrainer der 1. Herren­mann­schaft eines seinerzeit in der 2. Bundesliga spielenden Fußballvereins. Wenige Spieltage vor dem Abschluss der Saison 2007/2008 entließ der Fußballverein den Kläger aus seiner Verantwortung für die 1. Mannschaft. Grund waren sportliche Misserfolge der vom Kläger trainierten Mannschaft. Mit einem späteren Schreiben kündigte der Verein den ursprünglich mit dem Kläger bis Ende Juni 2010 abgeschlossenen Arbeitsvertrag vorzeitig ordentlich zum 31. Dezember 2008.

Anwalt versäumt Erheben einer Kündi­gungs­schutzklage

Der Kläger, der die Kündigung für unberechtigt hielt, beauftragte den beklagten Rechtsanwalt aus Dortmund mit der Wahrnehmung seiner Interessen. Gegenüber dem Fußballverein widersprach der Beklagte namens des Klägers der Kündigung, unterließ es jedoch, innerhalb der gesetzlich vorgesehenen dreiwöchigen Frist eine Kündigungsschutzklage zu erheben.

Kläger beanstandet Verletzung anwaltlicher Pflichten und verlangt Schadensersatz

Der Kläger ist der Auffassung, dass der Beklagte deswegen seine anwaltlichen Pflichten verletzt habe und Schadensersatz schulde. Als Schaden sei ihm der Verdienst zu ersetzen, den er bei regulärer Fortdauer des Trainer­ver­trages ist zum 30. Juni 2010 hätte erzielen können. Ausgehend davon, dass die Fußba­ll­mann­schaft in der Saison 2007/2008 den Klassenerhalt sichern konnte, in der Saison 2008/2009 einen Platz im Tabel­len­mit­telfeld und in der Saison 2009/2010 einen Platz im oberen Tabellenfeld erreichte, hat der Kläger einen Schaden in Höhe eines ihm entgangenen Brutto­ver­dienstes aus Grundgehalt und Punkteprämien von über 600.000 Euro errechnet.

OLG bejaht Schaden­s­er­satz­an­spruch

Das Schaden­s­er­satz­be­gehren war weitgehend erfolgreich. Das Oberlan­des­gericht Hamm sprach dem Kläger ca. 330.000 Euro als jetzt bereits bezifferbaren Schaden zu und stellte fest, dass der Beklagte weitere Belastungen des Klägers aufgrund von zu entrichtenden Abgaben und Steuern bis zur Höhe von insgesamt ca. 640.000 Euro zu tragen habe.

Fristgerecht erhobene Kündi­gungs­schutzklage wäre mit überwiegender Wahrschein­lichkeit erfolgreich gewesen

Der Beklagte habe seine Pflichten aus dem Anwalts­dienst­vertrag verletzt, indem er den Kläger nicht auf die innerhalb einer dreiwöchigen Frist zu erhebende Kündi­gungs­schutzklage hingewiesen habe. Eine fristgerecht erhobene Kündi­gungs­schutzklage hätte der Kläger mit überwiegender Wahrschein­lichkeit erfolgreich geführt. Aufgrund des bis zum 30. Juni 2010 befristeten Arbeits­ver­trages sei der Fußballverein nicht zu einer vorzeitigen ordentlichen Kündigung berechtigt gewesen. Im Falle einer erfolgreichen Kündi­gungs­schutzklage hätte der Kläger vom Fußballverein auch bei seiner Freistellung als Trainer bis zum 30. Juni 2010 vertragsgemäßes Gehalt beanspruchen können. Dass er sich mit dem Verein auf eine Abfindung geeinigt hätte, sei nicht feststellbar. Anderweitigen Verdienst müsse sich der Kläger nicht anrechnen lassen, weil er bis zum 30. Juni 2010 kostenlos bei anderen Vereinen in Italien und Frankreich hospitiert habe.

Kläger hat Anspruch auf Vergütung, die er bei Weiterarbeit erzielt hätte

Der Beklagte müsse etwa 330.000 Euro bereits jetzt an den Kläger zahlen, weil der Kläger seinen Netto-Verdien­st­aus­fa­ll­s­chaden in dieser Höhe beziffern könne. Er habe Anspruch auf die Vergütung, die er bei einer Weiterarbeit erzielt hätte. Das seien im vorliegenden Fall das im Arbeitsvertrag vereinbarte Grundgehalt und die vereinbarten Punkteprämien abzüglich ersparter Aufwendungen. Dabei seien die Prämien nach den unter den nachfolgenden Trainern tatsächlich erzielten Spiel­er­geb­nissen zu berechnen. Es komme nicht darauf an, wie die Spielergebnisse mit hypothetischer Beteiligung des Klägers ausgegangen wären. Da der Kläger durch seine vertragswidrige Suspendierung um die Chance gebracht worden sei, bestimmte Arbeitserfolge zu erzielen, könnten ihm im Nachhinein hiervon abhängige erfolgsbezogene Vergü­tungs­be­standteile nicht versagt werden.

Anspruch auf Bruttolohn besteht derzeit nicht

Anspruch auf den Bruttolohn habe der Kläger zurzeit nicht, weil er den ausgeurteilten Schadensbetrag noch der Steuer zu unterwerfen habe. Der Senat folge insoweit der modifizierten Netto­lohn­methode, nach der der Kläger den ihm entgangenen Nettoverdienst als Zahlbetrag verlangen könne und festgestellt werde, dass die von den Finanzbehörden auf die zuerkannte Schadenssumme später berechneten Steuern und Abgaben als weiterer Schaden zusätzlich zu erstatten seien.

Quelle: Oberlandesgericht Hamm/ra-online

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