Oberlandesgericht Hamm Urteil09.06.2015
Rückfahrkamera ohne Orientierungslinien stellt Sachmangel darMangel berechtigt zum Rücktritt vom Fahrzeugkauf
Die aufgrund fehlender Orientierungslinien bestehende Funktionseinschränkung der Rückfahrkamera kann bei einem Mercedes Benz CLS 350 CDI einen erheblichen Sachmangel darstellen, der den Käufer zum Rücktritt vom Fahrzeugkauf berechtigt. Dies entschied das Oberlandesgerichts Hamm und bestätigte damit das erstinstanzliche Urteil des Landgerichts Bochum.
Dem Fall lag folgender Sachverhalt zugrunde: Die klagende Firma aus Hattingen bestellte im März 2012 beim beklagten Autohaus in Hattingen einen Mercedes Benz, Typ CLS 350 CDI zum Preis von ca. 77.500 Euro, unter anderem mit der Sonderausstattung: Rückfahrkamera (400 Euro), aktiver Park-Assistent inklusive Parktronic (730 Euro) und Command APS (2.620 Euro). In einer der Klägerin von dem Verkauf überlassenen Verkaufsbroschüre ist in Bezug auf die Rückfahrkamera ausgeführt, dass sie sich automatisch beim Einlegen des Rückwärtsganges einschalte, den Fahrer beim Längs- und Quereinparken unterstütze und dass statische und dynamische Hilfslinien dem Fahrer Lenkwinkel und Abstand anzeigen würden. Nach der Auslieferung des Fahrzeugs beanstandete der Geschäftsführer der Klägerin, dass die aktivierte Rückfahrkamera im Display des Commandsystems keine Orientierungslinien anzeige und erhielt die Auskunft, dass die Fahrzeugelektronik keine Anzeige von Hilfslinien ermögliche. Einen von der Beklagten angebotenen Servicegutschein in Höhe von 200 Euro lehnte die Klägerin ab und erklärte den Rücktritt vom Fahrzeugkauf.
Rückfahrkamera ohne Orientierungshilfen gewährleistet nicht gewählten Komfort und Sicherheit beim Rückwärtsfahren und Einparken
Die Klage auf Rückabwicklung des Kaufvertrages war erfolgreich. Das Oberlandesgericht Hamm verurteilte die Beklagte - unter Abzug einer von der Klägerin zu entrichtenden Nutzungsentschädigung - zur Erstattung des Kaufpreises in Höhe von ca. 62.500 Euro gegen Rückgabe des gekauften Mercedes Benz. Das Fahrzeug weise einen erheblichen Sachmangel auf, so das Gericht, weil die Rückfahrkamera keine dynamischen und statischen Orientierungslinien anzeige. Diese seien geschuldet. Die Klägerin habe aufgrund des ihr überlassenen Verkaufsprospekts ein Bild der Rückfahrkamera einschließlich dieser Hilfslinien erwartet. Dass dieser Aspekt für sie bedeutsam gewesen sei, zeige die von ihr in diesem Zusammenhang gewählte kostenträchtige Zusatzausstattung. Hinzukomme, dass der Mercedes bauartbedingt beim Blick nach hinten unübersichtlich sei und das Rückwärtsfahren wie das Einparken mit der gewählten Zusatzausstattung besonders erleichtert werde. Allein mit der ausgelieferten Rückfahrkamera seien der von der Klägerin gewählte Komfort und die Sicherheit beim Rückwärtsfahren und Einparken nicht gewährleistet. Der Mangel sei auch nicht unerheblich. Dies zeige die bewusste Entscheidung der Klägerin für die teure Zusatzausstattung, die den Schluss zulasse, dass es ihr auch auf die angebotenen Funktionen dieser Zusatzausstattung ankomme. Zudem sei die durch die fehlenden Hilfslinien bestehende Funktionseinschränkung der Rückfahrkamera nicht als geringfügig anzusehen.
© urteile.news (ra-online GmbH), Berlin 28.01.2016
Quelle: Oberlandesgericht Hamm/ra-online