18.10.2024
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Sie sehen eine Szene aus einem Krankenhaus, speziell mit einem OP-Saal und einem Arzt im Vordergrund.
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Oberlandesgericht Hamm Urteil03.09.2013

Arzt haftet für unzureichende Aufklärung eines Patienten vor der DarmspiegelungPatient hat Anspruch auf 220.000 Euro Schmerzensgeld bei Darmperforation nach einer Darmspiegelung

Ein Facharzt für Chirurgie schuldet einem Patienten 220.000 Euro Schmerzensgeld, weil er den Patienten über die Risiken einer Koloskopie (Darmspiegelung) unzureichend aufgeklärt hat, in deren Folge der Patient eine Darmperforation mit schwerwiegenden Komplikationen erlitten hat. Das hat das Oberlan­des­gericht Hamm entschieden und damit die erstin­sta­nzliche Entscheidung des Landgerichts Bielefeld abgeändert.

Dem vorzuliegenden Fall liegt folgender Sachverhalt zugrunde: Nachdem sich der seinerzeit 48 Jahre alte Kläger wegen Blutungen im Stuhlgang beim beklagten Facharzt für Chirurgie in Bielefeld vorgestellt hatte, führte der Beklagte im November 2007 eine Koloskopie mit Polype­nab­tragung durch. In Folge dieses Eingriffs kam es zu einer Darmperforation, die wenige Tage später notfallmäßig operiert werden musste. Der Kläger erlitt eine Bauch­fell­ent­zündung, musste sich weiteren Operationen unterziehen und über Monate intensiv-medizinisch behandelt werden. Er ist nunmehr frühberentet und zu 100 % behindert, ihm musste ein künstlicher Darmausgang gelegt werden. U.a. mit der Begründung, er sei über das Risiko einer Koloskopie und über Behand­lung­s­al­ter­nativen nicht ordnungsgemäß aufgeklärt worden, hat er vom Beklagten Schadensersatz verlangt.

OLG Hamm spricht Kläger Schadensersatz zu

Das Oberlan­des­gericht Hamm hat dem Kläger Schadensersatz zugesprochen, u.a. 220.000 Euro Schmerzensgeld, dessen Höhe durch den kompli­ka­ti­o­ns­trächtigen Krank­heits­verlauf mit einer langen Behandlungszeit und bleibenden Beein­träch­ti­gungen, die schließlich zu einer Frühberentung geführt hätten, gerechtfertigt sei.

Arzt muss Patienten über Risiko einer Perforation aufklären

Der Beklagte hafte, weil davon auszugehen sei, dass er den Kläger ohne ausreichende Aufklärung behandelt habe. Nach der Einschätzung des im Verfahren gehörten medizinischen Sachver­ständigen sei eine im Rahmen einer Koloskopie auftretende Darmperforation zwar eine seltene Komplikation. Trete sie jedoch ein, hätte sie überwiegend eine Bauch­höh­len­ent­zündung zur Folge, die lebens­be­drohlich sein könne und operativ behandelt werden müsse. Deswegen sei über das Risiko einer Perforation aufzuklären.

Vorgedruckte Risiko­auf­klärung zu allgemein gehalten

Dass der Beklagte den Kläger ordnungsgemäß aufgeklärt habe, könne der Senat nicht feststellen. Der Inhalt der vom Kläger unterzeichneten Einver­ständ­ni­s­er­klärung lasse nicht auf eine ausreichende Risikoaufklärung schließen. Nach dem vorgedruckten Teil der Erklärung sei u.a. auf „die mit dem Eingriff verbundenen unvermeidbaren nachteiligen Folgen, mögliche Risiken und Kompli­ka­ti­o­ns­ge­fahren“ hingewiesen worden. Diese allgemein gehaltene Erklärung sei weithin inhaltslos und wirke mit dem Hinweis auf „unvermeidbare nachteilige Folgen“ verharmlosend. Ihr sei nicht zu entnehmen, dass die Erklärung vom Patienten gelesen, von ihm verstanden oder mit ihm erörtert worden sei. Ausgehändigte und vom Patienten unterzeichnete Formulare und Merkblätter ersetzten nicht das erforderliche Aufklä­rungs­ge­spräch. Zudem ließen sie nicht erkennen, dass ein Patient über ein in der Erklärung nicht ausdrücklich erwähntes Risiko informiert worden sei. Eine hinreichende Aufklärung des Klägers sei auch mit der Aussage der Arzthelferin des Beklagten nicht bewiesen worden. Von einer mutmaßlichen Einwilligung des Klägers sei ebenfalls nicht auszugehen. Der Kläger habe plausible Gründe dafür vorgetragen, dass er sich die Sache im Falle einer ordnungsgemäßen Aufklärung noch einmal überlegt, mit einem anderen Arzt oder Verwandten besprochen oder auch eine andere Klinik aufgesucht hätte.

Quelle: Oberlandesgericht Hamm/ra-online

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