18.10.2024
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Sie sehen eine Szene aus einem Krankenhaus, speziell mit einem OP-Saal und einem Arzt im Vordergrund.

Dokument-Nr. 3302

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Bundesgerichtshof Urteil07.11.2006

Operierender Chefarzt muss ordnungsgemäße Aufklärung über Risiken der Operation sicherstellenKein unbedingter Vertrau­ens­schutz des Chefarztes bei Delegation der Aufklärung auf untergeordneten Arzt

Ein Chefarzt, der das Aufklä­rungs­ge­spräch über Risiken einer Operation auf einen untergeordneten Arzt überträgt, darf sich nicht darauf verlassen, dass dieser die Aufklärung ordnungsgemäß durchführt. Wenn der untergeordnete Arzt die Aufklärung nicht ordnungsgemäß durchgeführt hat, muss der Chefarzt unter Umständen haften, es sei denn er hat Maßnahmen ergriffen, die eine ordnungsgemäße Aufklärung sicherstellen und die Befolgung seiner Anweisungen kontrolliert. Das geht aus einem Urteil des Bundes­ge­richtshofs hervor.

Die Klägerin verlangt Schmerzensgeld von dem Chefarzt einer chirurgischen Klinik. Dieser führte bei ihr eine Diver­ti­kel­ope­ration am Zwölffingerdarm durch. Infolge einer Nahtin­suf­fizienz kam es danach zu einer schweren Bauch­fell­ent­zündung und einer eitrigen Bauch­spei­chel­drü­sen­ent­zündung. Ein Behand­lungs­fehler ließ sich nicht feststellen. Die Klägerin behauptet, über das mit der Operation verbundene Risiko einer Bauch­spei­chel­drü­sen­ent­zündung nicht aufgeklärt worden zu sein. In Kenntnis dieses Risikos hätte sie nicht in die Operation eingewilligt. Das Aufklä­rungs­ge­spräch hatte der Chefarzt nicht selbst durchgeführt, sondern einem Stationsarzt übertragen.

Das Landgericht Itzehoe hat die Klage abgewiesen. Das Oberlan­des­gericht Schleswig hat die Berufung der Klägerin zurückgewiesen. Dabei hat es offen gelassen, ob die Klägerin vor dem Eingriff ordnungsgemäß aufgeklärt worden ist. Nach Auffassung des Oberlan­des­ge­richts kommt eine Haftung des Chefarztes deshalb nicht in Betracht, weil ihm ein etwaiger Aufklä­rungs­fehler des Stationsarztes jedenfalls nicht zuzurechnen sei.

Der u. a. für das Arzthaf­tungsrecht zuständige VI. Zivilsenat hat das Urteil aufgehoben und den Rechtsstreit zur weiteren Sachaufklärung zurückverwiesen, weil die Feststellungen des Berufungs­ge­richts eine Entlastung des Chefarztes von etwaigen Aufklä­rungs­fehlern des aufklärenden Arztes nicht tragen. Der Bundes­ge­richtshof hat zu der Frage Stellung genommen, unter welchen Voraussetzungen der nicht selbst aufklärende Operateur sich darauf verlassen kann, dass die Aufklärung ordnungsgemäß erfolgt ist. Die hiernach bestehenden Kontroll­pflichten gelten in noch stärkerem Maß, wenn der Operateur zugleich Chefarzt und deshalb für die ordnungsgemäße Organisation der Aufklärung im Krankenhaus verantwortlich ist. Im vorliegenden Fall muss der operierende Chefarzt darlegen, welche Maßnahmen er ergriffen hat, um eine ordnungsgemäße Aufklärung sicherzustellen und die Befolgung seiner Anweisungen zu kontrollieren. Hierzu fehlt bisher jeglicher Vortrag.

Quelle: ra-online, Pressemitteilung Nr. 157/2006 des BGH vom 07.11.2006

der Leitsatz

BGB § 823 Abs. 1

Der Chefarzt, der die Risiko­auf­klärung eines Patienten einem nachgeordneten Arzt überträgt, muss darlegen, welche organi­sa­to­rischen Maßnahmen er ergriffen hat, um eine ordnungsgemäße Aufklärung sicherzustellen und zu kontrollieren.

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