18.10.2024
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Oberlandesgericht Hamm Urteil31.10.2014

Patientin erhält nach hausärztlichem Befund­erhebungs­fehler 22.000 Euro SchmerzensgeldHausärztin hätte Möglichkeit von Erkrankungen mit schwerwiegenden Folgen berücksichtigen müssen

Eine Patientin kann von ihrer Hausärztin 22.000 Euro Schmerzensgeld verlangen, nachdem die Hausärztin von der Patientin geschilderte Schmerzen im unteren Rücken und in der linken Gesäßhälfte unzureichend untersucht hatte und die Patientin drei Tage später aufgrund einer Gewebe­ent­zündung im Gesäßbereich (Entzündung des perirektalen und perianalen Fettgewebes) mit Verdacht auf eine bakterielle Infek­ti­o­ns­krankheit der Unterhaut und Faszien (nekrotisierende Fasziitis) notfallmäßig operiert werden musste. Dies entschied das Oberlan­des­gericht Hamm und bestätigte damit das erstin­sta­nzliche Urteil des Landgerichts Bochum.

Dem Fall lag folgender Sachverhalt zugrunde: Die 1954 geborene Klägerin aus Bochum ließ sich im März 2012 von der beklagten Ärztin aus Bochum als Vertreterin ihrer Hausärztin wegen Beschwerden im Rücken- und Gesäßbereich behandeln. Die Beklagte diagnostizierte Ischias­be­schwerden, verabreichte eine Spritze und verordnete ein Schmerzmittel. Drei Tage später musste die Klägerin notfallmäßig operiert werden, nachdem bei ihr eine Entzündung des perirektalen und perianalen Fettgewebes mit Verdacht auf eine nekrotisierende Fasziitis diagnostiziert worden war. Dabei wurde ein Teil des Schließmuskels entfernt. In den folgenden Wochen waren fünf Nachoperationen erforderlich. Die Klägerin ist der Auffassung, von der Beklagten unzureichend untersucht worden zu sein. Unter Hinweis auf fortbestehende Wundschmerzen und eine Stuhlin­kon­tinenz sowie hierdurch bedingte psychische Belastungen hat sie Schadensersatz verlangt, unter anderem ein Schmerzensgeld von 25.000 Euro.

OLG bestätigt Schmer­zens­geldan­spruch

Das Schaden­s­er­satz­be­gehren der Klägerin war weit gehend erfolgreich. Nach der Anhörung eines medizinischen Sachver­ständigen hat das Oberlan­des­gericht Hamm das bereits vom Landgericht zuerkannte Schmerzensgeld von 22.000 Euro bestätigt.

Gewebe­ent­zündung im Gesäßbereich wäre bei weiterer Untersuchung feststellbar gewesen

Die Beklagte sei den Ursachen der ihr von der Klägerin geschilderten Beschwerden nicht ausreichend nachgegangen. Sie hafte deswegen für einen Befun­d­er­he­bungs­fehler. Durch Betasten habe die Beklagte auch die Analregion der Klägerin untersuchen müssen. Auf ihre Anfangsdiagnose habe sie sich nicht verlassen dürfen, sondern die Möglichkeit von Erkrankungen mit schwerwiegenden Folgen berücksichtigen müssen. Der angehörte medizinische Sachverständige habe bestätigt, dass eine Gewebe­ent­zündung im Gesäßbereich feststellbar gewesen wäre, wenn die Beklagte eine weitere Untersuchung der Klägerin veranlasst hätte. Diese Entzündung stelle einen reakti­o­ns­pflichtigen Befund dar. Sie nicht zu behandeln, wäre grob fehlerhaft gewesen, so dass der vorangegangene Befun­d­er­he­bungs­fehler der Beklagten eine Beweis­la­st­umkehr hinsichtlich der weiteren Entwicklung rechtfertige. Deswegen sei - auch wenn eine Operation als solche nicht zu vermeiden gewesen sei - zu Gunsten der Klägerin davon auszugehen, dass die erste Operation weniger schwerwiegend ausgefallen wäre, wenn sie drei Tage früher stattgefunden hätte. Möglicherweise wäre dann der Schließmuskel nicht beeinträchtigt und die Klägerin in vollem Umfang geheilt worden. Diese Verlet­zungs­folgen rechtfertigten das zuerkannte Schmerzensgeld.

Quelle: Oberlandesgericht Hamm/ra-online

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