15.11.2024
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Urteil14.01.2016Oberlandesgericht Hamm22 U 136/11
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Oberlandesgericht Hamm Urteil14.01.2016

OLG Hamm: Verkauf eines gewidmeten Straßen­grund­s­tückes als Privat­grundstück leidet an einem RechtsmangelKäufer kann nach Ablauf des Gewährleistungs­frist nicht mehr vom Kaufvertrag zurücktreten

Verkauft eine Stadt ein teilweise als Straße gewidmetes Grundstück als Privat­grundstück an einen Investor, kann dieser aufgrund des vorliegenden Rechtsmangels nicht mehr von dem Kaufvertrag zurücktreten, wenn der Gewährleistungs­anspruch verjährt ist. Der Käufer schuldet in dem Fall aber auch keine weitere, vertraglich vereinbarte Vertragsstrafe. Dies hat das Oberlan­des­gericht Hamm entschieden.

Im Januar 2009 verkaufte die beklagte Stadt aus dem Westfälischen ihr ca. 20.000 m² großes ehemaliges Schlacht­hof­gelände an einen privaten Investor, dessen Rechts­nach­folger die Klägerin ist. Teil des verkauften Grundstücks ist eine als "Schlacht­hof­straße" bezeichnete Wegfläche, eine nach ca. 20-30m mit einem Tor versehene Sackgasse. Nach dem Kaufvertrag hatte der Käufer ab dem 01.01.2010 30 Arbeitsplätze nachzuweisen und schuldete der Stadt eine Vertragsstrafe von 5.000 Euro pro nicht geschaffenen Arbeitsplatz.

Nach dem Grundstückskauf wurde bekannt, dass ein Teil des Grundstücks als Straße gewidmet ist

Das Kaufobjekt wurde zum 01.02.2009 übergeben. Als ein Anlieger eines benachbarten Gewer­be­be­triebes die Schlacht­hof­straße weiterhin als Zuwegung zu seinem Betrieb und als Abstellfläche nutzen wollte, wurde bekannt, dass die Schlacht­hof­straße als öffentliche Straße gewidmet war. Als solche war sie auch in einer im Bauamt der Beklagten geführten Widmungskartei eingetragen. Die Widmung bestätigte das Oberver­wal­tungs­gericht Nordrhein-Westfalen in einem vom Anlieger gegen die Stadt geführten verwal­tungs­ge­richt­lichen Verfahren im Jahre 2014.

Bereits im Mai 2011 hatte die Käuferin gegenüber der Beklagten den Rücktritt vom Kaufvertrag erklärt, weil sie den als öffentliche Straße gewidmeten Grundstücksteil nicht nach ihren Vorstellungen nutzen und bebauen könne. In seinem ebenfalls im Mai 2011 erlassenen erstin­sta­nz­lichen Urteil sah das Landgericht Hagen die Vertragsstrafe in Höhe von 130.000 Euro für 26 nicht geschaffene Arbeitsplätze als verwirkt an. Im Mai 2013 erhielt die Beklagte von einer Bürgin 75.000 Euro als Teilzahlung auf die Vertragsstrafe.

Im Berufungs­ver­fahren vor dem Oberlan­des­ge­richts Hamm, das bis zur Erledigung des verwal­tungs­ge­richt­lichen Verfahrens ausgesetzt war, hat die Klägerin von der Beklagten die Erstattung des gezahlten Teils der Vertragsstrafe verlangt. Sie hat zudem gemeint, der Beklagten keine weitergehende Vertragsstrafe zu schulden, und hat die Feststellung der Pflicht der Beklagten zum Ausgleich der Schäden begehrt, die der Klägerin durch den Weiterverkauf einer als öffentliche Straße gewidmeten Teilfläche entstehen. Die Beklagte hat das Klagebegehren als nicht gerechtfertigt angesehen und u.a. die Einrede der Verjährung erhoben.

Nach der Entscheidung des 22. Zivilsenats des Oberlan­des­ge­richts Hamm war die Klage trotz des vorliegenden Rechtsmangels nur teilweise erfolgreich.

Aufgrund des von der Käuferin erklärten Rücktritts vom Kauvertrag habe die Beklagte, so der Senat, die erhaltene Vertragsstrafe nicht zurückzuzahlen, weil der Rücktritt nach der von der Beklagten erhobenen Verjäh­rungs­einrede unwirksam geworden sei.

In Höhe von zumindest 75.000 Euro habe die Käuferin die Vertragsstrafe zunächst verwirkt gehabt. Den Nachweis, dass mehr als 4 Arbeitsplätze geschaffen worden seien, habe sie nicht geführt.

Die Verpflichtung zur Zahlung der Vertragsstrafe entfalle dann zwar bei einem wirksamen Rücktritt vom Kaufvertrag. Im vorliegenden Fall habe die Käuferin vom Kaufvertrag zurücktreten dürfen. Die Kaufsache sei mit einem Rechtsmangel behaftet. Ein solcher liege in der Widmung eines Teilgrundstücks als öffentliche Straße. Diese habe zur Folge, dass die Käuferin mit dem gewidmeten Teil nicht nach Belieben verfahren könne, sondern den Gemeingebrauch anderer zu dulden habe.

Rücktritt vom Kaufvertrag wegen Verjährung nicht mehr möglich

Gegenüber dem erklärten Rücktritt könne sich die Beklagte aber auf die Einrede der Verjährung berufen, so dass dieser unwirksam sei. Es gelte eine zweijährige Verjäh­rungsfrist, die mit der Übergabe des Grundstücks am 01.02.2009 begonnen habe und bereits vor der Rücktritts­er­klärung im Mai 2011 vollendet gewesen sei. Auf eine längere Verjäh­rungsfrist könne sich die Klägerin nicht berufen, da die Beklagte den Rechtsmangel nicht arglistig verschwiegen habe. Die den Parteien bei Vertragsschluss bekannten örtlichen Gegebenheiten hätten in Bezug auf die "Schlacht­hof­straße" den Eindruck vermittelt, es handle sich um Privatgelände, nicht um öffentliches Straßenland. Dies hätten die mit dem Verkauf befassten Mitarbeiter des Liegen­schaft­samtes der Beklagten auch nicht weiter hinterfragen müssen. Die Eintragung in der Widmungskartei sei ihnen nicht bekannt, eine Abfrage dieser Kartei vor dem Verkauf von Grundstücken sei bei der Beklagten auch nicht üblich gewesen. Zudem habe ein Fachgericht, das erstin­sta­nzliche Verwal­tungs­gericht Arnsberg, in dem verwal­tungs­ge­richt­lichen Verfahren ebenfalls angenommen, dass die Schlacht­hof­straße nicht gewidmet gewesen sei.

Ebenso wie der Rücktritt sei auch der von der Klägerin mit dem Rechtsmangel begründete Schaden­s­er­satz­an­spruch gegen die Beklagte verjährt.

Die Verjährung schließe aber nicht aus, dass die Klägerin gegenüber der Beklagten eine weitere Vertrags­stra­fen­zahlung und ihre weitere Inanspruchnahme insoweit aus dem notariellen Kaufvertrag verweigern dürfe. Nach dem erst durch die Verjäh­rungs­einrede unwirksam gewordenen Rücktritt schulde die Klägerin der Beklagten keine weitere Vertrags­er­füllung, mithin auch keine weitere Vertragsstrafe. Deswegen haben die Beklagte auch der Löschung einer zur Absicherung der weiteren Vertragsstrafe vereinbarten Grundschuld zuzustimmen und könne in Bezug auf die Vertragsstrafe keine weiteren Vollstre­ckungs­maß­nahmen aus dem im Kaufvertrag vereinbarten Titel veranlassen.

Quelle: ra-online, OLG Hamm (pt/pm)

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