21.11.2024
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Oberlandesgericht Hamm Beschluss21.02.2017

Auslieferung nach Ruanda zur Strafverfolgung wegen Völkermord und Verbrechen gegen die Menschlichkeit zulässigZur Last gelegte Straftaten rechtfertigten Auslieferung

Das Oberlan­des­gericht Hamm hat entschieden, dass die Auslieferung eines ruandischen Staats­an­ge­hörigen an die Republik Ruanda zur Strafverfolgung wegen Völkermordes und wegen Verbrechen gegen die Menschlichkeit zulässig ist.

Dem Fall lag folgender Sachverhalt zugrunde: Der Verfolgte, 1973 in Ruanda geboren, ist ruandischer Staats­an­ge­höriger. Er hielt sich zuletzt in Emsdetten auf. Dort wurde er im November 2016 aufgrund eines zuvor erlassenen Auslie­fe­rungs­haft­befehls festgenommen und befand sich seitdem in Auslie­fe­rungshaft.

Ruandische Behörden beantragen Auslieferung des Verfolgten

Im Jahr 2015 ersuchten die ruandischen Behörden um die Auslieferung des Verfolgten zum Zwecke der Strafverfolgung wegen Völkermordes und wegen Verbrechen gegen die Menschlichkeit. Dem Ersuchen lagen ein internationaler Haftbefehl und eine Anklageschrift des General­staats­anwalts von Ruanda zu Grunde. In diesen Unterlagen wurde dem Verfolgten vorgeworfen, dass er im Jahre 1994 im Distrikt Nyamagabe in Ruanda am Völkermord an den Tutsi beteiligt gewesen sei. Der Verfolgte solle seinerzeit Mitglied der sogenannten Interahamwe-Miliz gewesen sein. Gemeinsam mit weiteren Mitgliedern der Miliz soll er insbesondere im April 1994 an der Tötung von über 20 Tutsi mitgewirkt haben. Dabei sollen die Täter die Tutsi in Verstecken aufgespürt, gefangen genommen und dann getötet haben.

Verfolgter bestreitet Tatvorwürfe und widerspricht Auslieferung

Die gegen ihn erhobenen Tatvorwürfe hatte der Verfolgte im Auslie­fe­rungs­ver­fahren bestritten. Er sei Hutu, so der Verfolgte, und werde von der jetzt durch Tutsi gebildeten Regierung Ruandas zu Unrecht beschuldigt und verfolgt. Er widersprach seiner Auslieferung unter Hinweis auf die aktuellen Verhältnisse im Land Ruanda, in dem es keine freie, unabhängige und menschen­rechts­konforme Justiz gebe.

In Frage stehende Taten sowohl nach ruandischem als auch nach deutschem Recht strafbar

Dem Antrag der General­staats­an­walt­schaft folgend erklärte das Oberlan­des­gericht Hamm die Auslieferung des Verfolgten an die Republik Ruanda zur Strafverfolgung für zulässig. Die dem Verfolgten zur Last gelegten Straftaten rechtfertigten seine Auslieferung, so das Gericht. Die in Frage stehenden Taten seien nach ruandischem Recht und auch nach deutschem Recht strafbar. Der von den ruandischen Behörden angenommene Tatverdacht sei im Auslie­fe­rungs­ver­fahren grundsätzlich nicht zu überprüfen. Es gebe keine konkreten Anhaltspunkte, nach denen eine Überprüfung ausnahmsweise geboten sei. Vielmehr enthielten die eigenen Angaben des Verfolgten, die er in seinem Asylverfahren gemacht habe, Anhaltspunkte dafür, dass er 1994 am Genozid der Volksgruppe der Tutsi beteiligt gewesen sei. So hätten diese Angaben bereits den General­bun­des­anwalt zur Einleitung eines Ermitt­lungs­ver­fahrens gegen den Verfolgten wegen des Verdachts der Beihilfe zum Völkermord veranlasst.

In Ruanda drohende Strafe stellt kein Auslie­fe­rungs­hin­dernis dar

Hinreichende Anhaltspunkte für eine politische Verfolgung des Verfolgten, die seiner Auslieferung entgegenstünden, lägen nicht vor. Derartige Anhaltspunkte seien dem vom Verfolgten erfolglos - auch gerichtlich - betriebenen Verfahren zur Anerkennung als Asylbe­rech­tigter nicht zu entnehmen. Eine dem Verfolgten in Ruanda drohende Strafe sei kein Auslie­fe­rungs­hin­dernis. In Ruanda drohe ihm nicht die Todesstrafe. Nach ruandischen Recht sei die lebenslange Freiheitsstrafe die Höchststrafe für die dem Verfolgten zur Last gelegten Taten.

Die Auslieferung verböten schließlich auch nicht unabdingbare Grundsätze der deutschen verfas­sungs­recht­lichen Ordnung.

Freiheitsstrafe aufgrund der Schwere der Taten nicht unerträglich hart

Angesichts der Schwere der dem Verfolgten zur Last gelegten Taten sei eine nach ruandischem Recht verhängte lebenslange Freiheitsstrafe nicht als unerträglich hart oder unmenschlich anzusehen. Das ruandische Recht biete in diesem Fall die Möglichkeit, nach verbüßten 20 Jahren Freiheitsstrafe bedingt entlassen zu werden.

Auslieferungen zur Strafverfolgung nach Ruanda nicht mehr menschen­rechts­widrig

Dem Verfolgten drohe auch keine unfaire, mit rechts­s­taat­lichen Grundsätzen unvereinbare Prozessführung und keine den europäischen Mindest­standards widersprechende, menschen­un­würdige Behandlung in der Haft. Hiervon könne das Oberlan­des­gericht nach ihm vom Auswärtigen Amt erteilten Auskünften zu den Haftbedingungen und zur Frage der Rechts­s­taat­lichkeit von Strafverfahren in Ruanda ausgehen. In den letzten Jahren hätten sich rechts­s­taatliche Standards ruandischer Strafverfahren entscheidend verbessert. So sähen der internationale Straf­ge­richtshof für Ruanda und auch der europäische Gerichtshof für Menschenrechte in Entscheidungen aus dem Jahre 2011 Auslieferungen zur Strafverfolgung nach Ruanda nicht mehr als menschen­rechts­widrig an. Nach der Auswertung dieser Entscheidungen und weiterer Gericht­s­ent­schei­dungen gehe auch das Oberlan­des­gericht Hamm davon aus, dass die Mindest­ver­tei­di­gungs­rechte in einem ein ruandischen Strafverfahren gewahrt sein.

Quelle: Oberlandesgericht Hamm/ra-online

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