23.11.2024
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Dokument-Nr. 33111

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Oberlandesgericht Hamm Urteil19.07.2023

Hausverbot für Partner der Erbin als testa­men­ta­rische BedingungTesta­men­ta­rische Bedingung sittenwidrig und nichtig

Das Oberlan­des­gericht Hamm hatte über die Wirksamkeit einer testa­men­ta­rischen Bedingung zu entscheiden, die ein Hausverbot für den Lebensgefährten der Erbin vorsah.

Dem Fall lag folgender Sachverhalt zugrunde: Die Klägerin erbte als einzige Tochter ihrer verstorbenen Mutter im Wesentlichen ein Hausgrundstück mit einem freistehenden Einfamilienhaus in Bochum, das sich seit Jahrzehnten im Eigentum der Familie befand und in dem die Mutter in einer und die Tochter mit der Enkelin (bis zu deren Auszug 2016) in einer weiteren Wohnung lebten. Die Enkelin wurde als Miterbin eingesetzt. Der langjährige Lebensgefährte der Tochter hatte eine eigene Wohnung in der Nachbarschaft, ging aber in dem Haus ein und aus, war der Ziehvater der Enkelin und nahm im Haus auch Reparaturen vor. Es gab zu keiner Zeit Streit oder ein Zerwürfnis und man lebte wie eine Familie zusammen. In dem notariellen Testament, in dem die Tochter und die Enkelin als Erbinnen eingesetzt wurden, waren hierfür allerdings zwei Bedingungen formuliert. Zum einen war es den Erbinnen untersagt, das Grundstück an den Lebensgefährten der Tochter zu übertragen. Zum anderen sollten die Erbinnen dem Lebensgefährten auf Dauer untersagen das Grundstück zu betreten. Zur Überwachung des Betre­tungs­verbots wurde der Beklagte als Testa­ments­voll­strecker eingesetzt. Er sollte die Immobilie bei einem Verstoß gegen die Bedingung veräußern, wobei der Erlös zu ¼ der Tochter, einem ¼ der Enkelin und im Übrigen gemeinnützigen Zwecken zukommen sollte.

Unzumutbarer Druck auf Erben kann sittenwidrig sein

Die beiden Erbinnen verlangten vor dem Landgericht Bochum die Feststellung, dass die Bedingung des Betre­tungs­verbots nichtig sei, weil sie dieses für sittenwidrig hielten. Das Verbot, das Grundstück an den Lebensgefährten zu übertragen, akzeptierten sie. Das Landgericht Bochum gab der Klage statt und erklärte das Betre­tungs­verbot wegen Sittenwidrigkeit für ungültig. Hiergegen wandte sich der Beklagte mit seiner Berufung an das Oberlan­des­gericht Hamm. Bei der Frage, ob eine testa­men­ta­rische Bedingung wegen Sitten­wid­rigkeit nichtig ist, ist zu beachten, dass die vom Grundgesetz geschützte Testierfreiheit es einer Erblasserin grundsätzlich ermöglicht, die Erbfolge nach ihren eigenen Vorstellungen zu gestalten und sie dabei einen sehr großen Gestal­tungs­spielraum hat. Sitten­wid­rigkeit kann daher nur in sehr engen Ausnahmefällen angenommen werden. Dies gilt auch für Bedingungen. Ein schwerwiegender Ausnahmefall, der zur Sitten­wid­rigkeit einer Bedingung führen kann, ist immer nur dann anzunehmen, wenn in der Abwägung zwischen der Testierfreiheit der Erblasserin und den Freiheits­rechten der Betroffenen anzunehmen ist, dass die nur bedingte Zuwendung einen unzumutbaren Druck auf die Bedachten ausübt, sich in einem höchst­per­sön­lichen Bereich in einer bestimmten Art und Weise zu verhalten. Bedingungen, die dagegen lediglich die Nutzung des vererbten Vermö­gens­ge­gen­standes betreffen, sind dagegen regelmäßig zulässig.

Höchst­per­sön­licher Lebensbereich ist betroffen und damit ist die Bedingung sittenwidrig

Hier weist zwar die angefochtene Bedingung einen Bezug zur Nutzung des vererbten Hausgrundstücks auf. Unter Berück­sich­tigung aller Umstände des Falles steht hier jedoch im Vordergrund, dass dem langjährigen Lebensgefährten der Tochter, zugleich Ziehvater der Enkelin, der Zugang zu der schon vor dem Erbfall genutzten Wohnung auf einmal verwehrt sein soll. Das bis zum Tod der Erblasserin unstreitig praktizierte familiäre Zusammenleben könnte aufgrund der Bedingung nicht mehr in dieser Form fortgeführt werden. Damit ist aber der höchst­per­sönliche Bereich der Lebensführung der Tochter betroffen und die Bedingung sittenwidrig und nichtig. Für die Rechtsfolge ist weiter davon auszugehen, dass die Erblasserin ihre Tochter und ihre Enkelin auch ohne die unwirksame Bedingung zur Erbinnen eingesetzt hätte, so dass die Sitten­wid­rigkeit nur dazu führt, dass die Bedingung entfällt. Da der Senat damit die rechtliche Einschätzung der Vorinstanz zur Sitten­wid­rigkeit teilte, nahm der Beklagte seine Berufung zurück, so dass das Urteil des LG Bochum rechtskräftig wurde.

Quelle: Oberlandesgericht Hamm, ra-online (pm/ab)

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