21.11.2024
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Dokument-Nr. 25489

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Oberlandesgericht Hamm Urteil14.09.2017

Verschenken eines Teilgrundstücks aus späterer Erbmasse unzulässig: Erben steht verschenktes Wiesen­grundstück zuAnerken­nens­wertes lebzeitiges Eigeninteresse des Erblassers an Schenkung des Grundstücks nicht erkennbar

Erben können ein vom Erblasser aus der (künftigen) Erbmasse verschenktes Wiesen­grundstück herausverlangen, wenn der Erblasser kein anerken­nens­wertes lebzeitiges Eigeninteresse an der Schenkung hatte. Dies entschied das Oberlan­des­gericht Hamm und bestätigte damit das erstin­sta­nzliche Urteil des Landgerichts Münster.

Dem Fall lag folgender Sachverhalt zugrunde: Der heute 52 Jahre alte Kläger aus Coesfeld und der heute 53 Jahre alte Beklagte aus Dülmen sind neben zwei weiteren Geschwistern Kinder des im Jahre 2014 im Alter von 75 Jahren verstorbenen Erblassers und seiner im Jahre 2010 im Alter von 69 Jahren vorverstorbenen Ehefrau.

Die Eltern der Parteien waren Eigentümer eines zunächst rechtlich ungeteilten, ca. 3.200 m² großen Grundstücks in Dülmen, das optisch in zwei Bereiche geteilt war, in einen Teil, auf welchem sich das von den Eltern bewohnte Wohnhaus nebst Terrasse und Garten befand, und einen unbebauten Bereich, der als Wiese belassen war.

Notarieller Erbvertrag regelt Nachlass

Mit einem im Jahre 1991 errichteten notariellen Erbvertrag setzten sich die Eltern wechselseitig zu Erben ein und bestimmten, dass der Beklagte nach dem Tode des Längstlebenden das Grundstück erhalten und dass ihr weiteres Vermögen unter den anderen Kindern zu gleichen Teilen aufgeteilt werden sollte. Hintergrund dieser Regelung war, dass sich der Beklagte bereiterklärt hatte, im Hause der Eltern zu verbleiben, um ihnen im Alter beiseite stehen zu können.

In der Folgezeit baute der Beklagte das Wohnhaus so um, dass er mit seiner Familie im Obergeschoss wohnen konnte, während die Eltern das Erdgeschoss bewohnten.

Eltern übertragen Parzelle mit Wohnhaus auf Beklagten

Im Jahre 2001 veranlassten die Eltern die Teilung des Grundstücks in zwei Parzellen, die eine Parzelle mit Wohnhaus, Terrasse und Garten sowie die weitere Parzelle mit der unbebauten Wiesenfläche. Die Parzelle mit dem Wohnhaus übertrugen die Eltern im Jahre 2003 dem Beklagten unter Bestellung eines lebenslangen Wohnrechts zu ihren Gunsten im Wege der vorweg­ge­nommenen Erbfolge. Zugleich vereinbarten sie einen Pflicht­teils­verzicht mit dem Beklagten.

Eltern schenken restlichen Kindern Bargeld und legen Pflicht­teils­verzicht fest

Im Jahre 2007 schenkten die Eltern ihren drei weiteren Kindern jeweils 60.000 Euro, wobei der hierüber errichtete Vertrag erwähnt, dass die Kinder bereits zehn Jahre zuvor jeweils 60.000 DM erhalten hätten. Zugleich vereinbarten die Eltern einen Pflicht­teils­verzicht mit den drei weiteren Kindern.

Hinterbliebene Erblasser überträgt Wiesen­grundstück schenkweise auf Beklagten

Nach dem Tode der Mutter übertrug der sie allein beerbende Erblasser das unbebaute Wiesen­grundstück schenkweise auf den Beklagten. Hierbei erklärte er, es sei beim Abschluss des notariellen Erbvertrages im Jahre 1991 mit seiner Ehefrau vereinbart gewesen, dass der Beklagte das ganze damals noch ungeteilte Grundstück erhalten solle.

Kläger verlangt Rückabwicklung der Schenkung wegen hieraus resultierender Beein­träch­tigung der Vertragserben

Nach dem Tod des Erblassers erwirkten die drei Geschwister des Beklagten einen Erbschein, nach dessen Inhalt sie den Erblasser zu je 1/3 Anteil beerbten. Vom Beklagten hat der Kläger sodann die Übertragung eines Mitei­gen­tums­anteils von 1/3 an dem unbebauten Wiesen­grundstück verlangt. Der Kläger war der Auffassung, dass die Schenkung dieses Grundstücks an den Beklagten als eine die Vertragserben beein­träch­tigende Schenkung rückabzuwickeln sei. Seine Eltern hätten beim Abschluss des Erbvertrages dem Beklagten nur das mit dem Haus bebaute Grundstück zuwenden wollen, während der unbebaute Teil des Grundstücks an die übrigen Kinder habe gehen sollen. Dementsprechend sei zwischen "Haus" und "Wiese" unterschieden worden.

Kläger verweist auf Abfindung der Geschwister durch Geldschenkung

Der Beklagte trat dem Begehren seines Bruders entgegen. Es habe von Anfang an dem Willen der Eltern entsprochen, ihm, dem Beklagten, das gesamte bei Abschluss des Erbvertrages noch ungeteilte Grundstück einschließlich der unbebauten Wiese zu übertragen. Seine Geschwister hätten mit Geldschenkungen endgültig abgefunden werden sollen. Mit der späteren Schenkung des Wiesen­grund­stücks habe der Vater den gemeinsamen Willen der Eltern vollzogen. Zudem habe er aufgrund der erfolgten und erwarteten Investitionen und Pflege­leis­tungen des Beklagten ein lebzeitiges Eigeninteresse an der Schenkung gehabt.

Geschwister hätten Wiesen­grundstück laut Erbvertrag als "weiteres Vermögen" erhalten sollen

Das Klagebegehren hatte Erfolg. Ebenso wie das Landgericht hat auch das Oberlan­des­gericht Hamm den Beklagten verurteilt, an den Kläger einen Mitei­gen­tums­anteil von 1/3 an dem Wiesen­grundstück zu übertragen. Mit der schenkweisen Übertragung des Wiesen­grund­stücks an den Beklagten habe der Erblasser den Kläger in seinen Rechten als Vertragserbe verletzt, so das Gericht. In dem Erbvertrag aus dem Jahre 1991 sei dem Beklagten nur das Haus-, nicht aber das Wiesen­grundstück zugewendet worden. Das Wiesen­grundstück hätten die drei Geschwister als "weiteres Vermögen" erhalten sollen. Das folge aus der Auslegung des Erbvertrages. Während sein Wortlaut insoweit nicht eindeutig sei, hätten die vom Landgericht vernommenen Zeugen übereinstimmend und glaubhaft bekundet, dass die Eltern der Parteien beim Abschluss des Erbvertrages stets zwischen "Haus" und "Wiese" unterschieden und insoweit wiederholt geäußert hätten, dass das "Haus" für den Beklagten und die "Wiese" für die anderen Geschwister bestimmt seien.

Erblasser hatte kein anerken­nens­wertes lebzeitiges Eigeninteresse an Schenkung

Der Erblasser habe beim Verschenken des Wiesen­grund­stücks an den Beklagten gewusst, dass er durch die unentgeltliche Zuwendung das Erbe der drei anderen Geschwister schmälere. Ein anerken­nens­wertes lebzeitiges Eigeninteresse an der Schenkung habe der Erblasser nicht gehabt. Ein solches könne zwar anzunehmen sein, wenn ein Erblasser mit einer Schenkung seine Altersvorsorge und Pflege absichern wolle. Die Annahme eines lebzeitigen Eigeninteresses scheide jedoch aus, wenn der Erblasser die Zuwendung wesentlicher Vermögenswerte in erster Linie aufgrund eines auf Korrektur einer Verfügung von Todes wegen gerichteten Sinneswandels vornehme.

Lebzeitiges Eigeninteresse des Erblassers für Schenkung nicht ausreichend schlüssig dargelegt

Zur Rechtfertigung einer unentgeltlichen Zuwendung obliege es zunächst den Beschenkten, die Umstände eines lebzeitigen Eigeninteresses des Erblassers schlüssig darzulegen. Im vorliegenden Fall sei dies dem Beklagten nicht gelungen. Sein Hinweis auf Verwendungen auf das Hausgrundstück sowie zu Gunsten der Eltern erbrachte Betreuungs- und Pflege­leis­tungen begründeten kein anerken­nens­wertes Eigeninteresse des Erblassers an dem Verschenken des Wiesen­grund­stücks. Wertsteigernde Verwendungen auf das dem Beklagten bereits im Jahre 2003 übertragene Hausgrundstück seien im erster Linie dem Beklagten als nunmehrigen Grund­s­tücks­ei­gentümer zu Gute gekommen. Betreuungs- und Pflege­leis­tungen gegenüber den Eltern seien bereits Anlass für die Grund­s­tücks­über­tragung gewesen. Dass die insoweit gebotenen Leistungen nach Art und Umfang eine im Jahr 2003 nicht vorgesehene Entwicklung genommen hätte, sei nicht ersichtlich.

Quelle: Oberlandesgericht Hamm/ra-online

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