21.11.2024
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Oberlandesgericht Hamm Beschluss19.03.2013

Versagte vorzeitige Abschiebung eines ausländischen Verurteilten stellt keine Diskriminierung darBei zuvor verweigerter Lockerung des Strafvollzugs muss nicht von einer weiteren Vollstreckung einer lebenslangen Freiheitsstrafe abgesehen werden

Das im Grundgesetz und in der Europäischen Menschenrechts­konvention geregelte Diskri­mi­nierungs­verbot gebietet es nicht, einem zu lebenslanger Freiheitsstrafe verurteilten ausländischen Staatsbürger eine vorzeitige Abschiebung in sein Heimatland zu ermöglichen, wenn er im Strafvollzug keine Lockerungen erfahren hat. Dies geht aus einer Entscheidung des Oberlan­des­ge­richts Hamm hervor.

Im zugrunde liegenden Fall befindet sich der Betroffene, ein im Jahre 2002 vom Landgericht Wuppertal wegen Mordes zu lebenslanger Haft verurteiler türkischer Staatsbürger, seit über 12 Jahren im geschlossenen Strafvollzug in einer nordrhein-westfälischen Justiz­voll­zugs­anstalt.

Verurteilter beantrag von weiteren Vollstreckungen abzusehen, um Abschiebung in die Türkei zu ermöglichen

Der Betroffene hat beantragt, dass die Staats­an­walt­schaft nach § 456 a StPO von der weiteren Vollstreckung absieht, damit er in die Türkei abgeschoben werden kann. § 456 a StPO erlaubt es, bei ausländischen Straftätern, die bestandskräftig ausrei­se­pflichtig sind, nach einer bestimmten Vollstre­ckungsdauer von der weiteren Vollstreckung der Freiheitsstrafe abzusehen, um den Betroffenen in sein Heimatland abzuschieben. Bei einer lebenslangen Freiheitsstrafe müssen nach der Erlasslage in Nordrhein-Westfalen mindestens zehn Jahre verbüßt sein, bevor dies überhaupt in Betracht kommt. Die Staats­an­walt­schaft hat den Antrag des Betroffenen abgelehnt und beabsichtigt, nicht vor dem Jahr 2015 zu entscheiden, ob von der weiteren Vollstreckung der lebenslangen Freiheitsstrafe gem. § 456 a StPO abzusehen ist.

Verurteilter sieht in versagter Lockerung seines Strafvollzugs Verstoß gegen Diskri­mi­nie­rungs­verbot

Gegen diese Entscheidung hat der Betroffene das Oberlan­des­gericht Hamm angerufen. Zur Begründung hat er vorgetragen, dass schon jetzt von der weiteren Vollstreckung abzusehen sei, weil er nicht in den Genuss von Lockerungen wie z.B. einer Ausführung kommen könne. Bei ihm als ausländischem Staatsbürger sei immer Fluchtgefahr anzunehmen, die einen Versagungsgrund für Lockerungen darstelle. Weil einem deutschen Strafgefangenen in vergleichbarer Situation Lockerungen gewährt würden, verstoße seine Behandlung gegen das Diskri­mi­nie­rungs­verbot, die durch ein entsprechend frühzeitiges Absehen von der weiteren Vollstreckung kompensiert werden müsse.

Persönliche Belange und Verhältnisse des Verurteilten stehen bei Entscheidung über weitere Vollstreckung nicht im Vordergrund

Das Oberlan­des­gericht Hamm hat den Antrag des Betroffenen zurückgewiesen. Die Regelung des § 465 a StPO, nach der die Staats­an­walt­schaft bei einem Verurteilten, der die Bundesrepublik Deutschland verlassen müsse, von der (weiteren) Vollstreckung einer Freiheitsstrafe absehen könne, solle den Staat von der Last der Straf­voll­streckung befreien. Sie sei im öffentlichen Interesse aus fiskalischen Erwägungen geschaffen worden. Sie greife bei ausrei­se­pflichten Straftätern, denen gegenüber die weitere Vollstreckung weder zur Resozi­a­li­sierung noch zur Prävention sinnvoll wäre, weil sie nach ihrer Entlassung die Bundesrepublik Deutschland ohnehin verlassen müssen. Die persönlichen Belange und Verhältnisse eines Verurteilten stünden dabei nicht im Vordergrund, sie seien lediglich neben den Umständen der Tat, der Schwere der Schuld, der bisherigen Vollstre­ckungsdauer und dem öffentlichen Interesse an einer nachhaltigen Straf­voll­streckung im Rahmen einer Abwägung zu berücksichtigen.

Hoher Unrechtsgehalt der Tat und persönliche Verhältnisse des Betroffenen rechtfertigten hier weitere Straf­voll­streckung

Im zu entscheidenden Fall sei die staats­an­walt­schaftliche Entscheidung nicht zu beanstanden. Der hohe Unrechtsgehalt der Tat und die persönlichen Verhältnisse des Betroffenen rechtfertigten die weitere Straf­voll­streckung. Deren Fortsetzung stelle auch keinen Verstoß gegen das Diskri­mi­nie­rungs­verbot dar. Bei Gefangenen deutscher Staats­an­ge­hö­rigkeit könnten ebenfalls Lockerungen zu versagen sein. Wenn der Betroffene der Ansicht sei, dass ihm Lockerungen zu Unrecht versagt würden, müsse er sich dagegen gerichtlich zur Wehr setzen. § 456 a StPO habe nicht die Funktion, Locke­rungs­ver­wei­ge­rungen zu kompensieren.

Quelle: Oberlandesgericht Hamm/ra-online

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