21.11.2024
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Dokument-Nr. 34196

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Beschluss08.07.2024Oberlandesgericht Frankfurt am MainWs 171/23 und 1 Ws 174-178/23
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Oberlandesgericht Frankfurt am Main Beschluss08.07.2024

OLG lehnt Strafprozess wegen "Itiotentreff" abNachricht in einer privaten Chatgruppe stellt kein "Verbreiten" dar

Das Oberlan­des­gericht Frankfurt am Main hat entschieden, dass hinsichtlich der angeschuldigten Mitglieder u.a. der WhatsApp-Gruppe „Itiotentreff“ kein hinreichender Tatverdacht dafür vorliege, dass die anklage­gegen­ständ­lichen Äußerungs­delikte erfüllt seien. Die Verwirklichung der in Betracht kommenden Tatbestände würde ein „Verbreiten“ von Inhalten erfordern. Das Tatbe­stands­merkmal des Verbreitens sei nicht erfüllt. Der Senat hat die Beschwerde der Staats­an­walt­schaft gegen die Nichteröffnung des Hauptverfahrens insgesamt zurückgewiesen.

Den Angeschuldigten wird zur Last gelegt, in der Zeit von Herbst 2014 bis Herbst 2018 in verschiedenen Chatgruppen Bild- und Videodateien mit verbotenen Inhalten verbreitet zu haben. Dabei soll es sich überwiegend um Kennzeichen verfas­sungs­widriger Organisationen sowie volks­ver­hetzende Inhalte gehandelt haben. Fünf der insgesamt sechs Angeschuldigten waren im Tatzeitraum Polizeibeamte. Ausgewertet wurde u.a. der Inhalt der Chatgruppe „Itiotentreff“, in welcher binnen eines Jahres über 1600 Nachrichten zwischen den sechs bis acht Mitgliedern dieser WhatsApp-Gruppe ausgetauscht worden waren. Das LG hatte die Eröffnung des Hauptverfahrens abgelehnt. Gegen die Nichteröffnung richtete sich die sofortige Beschwerde der Staats­an­walt­schaft. Sie hatte vor dem Oberlan­des­gericht keinen Erfolg.

Keine Mengen- oder Ketten­ver­breitung

Die Entscheidung des Landgerichts, die Eröffnung des Hauptverfahrens abzulehnen, sei nicht zu beanstanden, führte der Senat aus. Das Gericht beschließe die Eröffnung, wenn nach den Ergebnissen des vorbereitenden Verfahrens ein hinreichender Tatverdacht bestehe. Dieser bestehe im Hinblick auf die angeklagten Äußerungs­delikte aus rechtlichen Gründen nicht. „Die Angeschuldigten haben zwar - insbesondere und vorrangig im Chat „Itiotentreff“ – in erheblichem Umfang teilweise nur schwer erträgliche menschen­ver­achtende, rechtsextreme, gewalt­ver­herr­li­chende, antisemitische, ableistische und rassistische Inhalte geteilt“, führte das Oberlan­des­gericht aus. „Dies begründet erhebliche Zweifel an der Verfas­sungstreue der im Polizeidienst tätigen Angeschuldigten und erfordert dienst­rechtliche Konsequenzen“. Strafbar seien die von der Anklage beschriebenen Handlungen allerdings nicht. Das Tatbe­stands­merkmal des „Verbreitens“ sei bei den hier in Betracht kommenden Äußerungs­de­likten nicht erfüllt. Ein „Verbreiten“ sei weder in der Form der Mengen- noch der Ketten­ver­breitung erfolgt. Die Inhalte seien in private, geschlossene Chatgruppen mit überschaubarem Personenkreis eingestellt worden, deren Mitglieder miteinander teilweise sehr eng verbunden gewesen seien. In keinem Fall seien die von der Anklage erfassten Inhalte einem größeren Personenkreis zugänglich gemacht worden, der nach Zahl und Individualität unbestimmt oder jedenfalls so groß gewesen sei, dass er für die Angeschuldigten nicht mehr kontrollierbar gewesen sei.

Bei der Weitergabe von Inhalten an einzelne bestimmte Personen wie hier sei eine Rechts­gut­ver­letzung nur anzunehmen, wenn die „konkrete, durch tatsächliche Anhaltspunkte belegbare Gefahr vorliegt, dass der Inhalt an eine unbestimmte Anzahl von Personen weitergegeben wird und der Täter dies billigend in Kauf nimmt“. Allein der Umstand, dass eine WhatsApp-Nachricht leicht weitergeleitet werden könne, reiche unter Berück­sich­tigung verfas­sungs­recht­licher Anforderungen nicht aus, um ein „Verbreiten“ bei Einstellen von inkriminierten Inhalten in eine WhatsApp-Gruppe anzunehmen. Die grundrechtlich geschützte Meinungs­freiheit fordere vielmehr konkrete Anhaltspunkte dafür, dass der Empfänger den Inhalt weitergebe und der Übergeber dies billigend in Kauf nehme.

Chats nur zur privaten "Belustigung"

Daran fehle es. Es lägen keine konkreten Anhaltspunkte dafür, dass die Angeschuldigten damit rechneten und es billigend in Kauf genommen hätten, dass die eingestellten Inhalte weitergegeben und einer nicht mehr überschaubaren Anzahl von Personen übermittelt werden würden. Zu berücksichtigen sei hier unter anderem, dass den Angeschuldigten bewusst gewesen sei, dass eine Weiterleitung insbesondere der natio­nal­so­zi­a­lis­tischen und auslän­der­feind­lichen Inhalte dienst­rechtliche Konsequenzen hätte haben können. „Zweck der Gruppe war es, durch Einstellen schockierender Inhalte die Chatmitglieder zu „belustigen“, führte der Senat aus. Dies habe sich bereits aufgrund des Namens „Itiotentreff“ aufgedrängt. Die Entscheidung ist nicht anfechtbar.

Quelle: Oberlandesgericht Frankfurt am Main, ra-online (pm/ab)

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