15.11.2024
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Sie sehen einen Teil eines Daches, welches durch einen Sturm stark beschädigt wurde.
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Oberlandesgericht Frankfurt am Main Urteil26.03.2019

Opera­ti­o­ns­risiken von bis zu 20 % dürfen als "vereinzelt" bezeichnet werdenBehand­lungs­risiken müssen nicht mit genauen Prozentzahlen oder den für Beipackzettel geltenden Formulierungen umschrieben werden

Liegt die Wahrschein­lichkeit für eine postoperative Komplikation bei einem Wert bis zu 20 %, stellt die Formulierung "vereinzelt" keine zur Unwirksamkeit der Aufklärung führende Verharmlosung dar. Behand­lungs­risiken müssen nicht mit genauen Prozentzahlen oder aber den für Beipackzettel geltenden Formulierungen umschrieben werden. Dies entschied das Oberlan­des­gericht Frankfurt am Main.

Der Kläger des zugrunde liegenden Streitfalls rutschte auf seinem Betriebsgelände bei Glatteis aus und stürzte auf den rechten Arm. Zur Behandlung begab er sich in die Hände der Beklagten (Klinikum und Arzt). Es wurde ein Obera­rm­schaftbruch diagnostiziert. Die Aufklärung über mögliche Opera­ti­o­ns­me­thoden erfolgte u.a. anhand eines Aufklä­rungs­form­blattes mit bildlichen Darstellungen. Unter der Rubrik "Komplikationen" wurde darauf hingewiesen, dass "vereinzelt" Zwischenfälle - etwa die Bildung eines so genannten Falschgelenks - auftreten könnten, die weitere Behand­lungs­maß­nahmen erforderten. Der Kläger wurde nachfolgend im Wege der sogenannten Humerus-Nagelung operiert, die jedoch nicht zum Verheilen des Bruches führte. Es bildete sich ein sogenanntes Falschgelenk. Nach erneuter Operation unter Anwendung einer anderen Methode verheilte die Fraktur. Der Kläger begehrt Schmerzensgeld und die Feststellung der Eintritts­pflicht für entstandene und zukünftige Schäden wegen fehlerhafter ärztlicher Behandlung.

Genaue oder annähernd genaue Prozentzahlen hinsichtlich eines Behand­lungs­risikos müssten nicht mitgeteilt werden

Das Landgericht Gießen wies die Klage ab. Die hiergegen gerichtete Berufung hatte auch vor dem Oberlan­des­gericht Frankfurt am Main keinen Erfolg. Der Kläger habe keinen Behand­lungs­fehler der Beklagten nachweisen können, stellte das Oberlan­des­gericht fest. Der von den Gerichten beauftragte Sachverständige habe vielmehr überzeugend deutlich gemacht, dass die Art der Versorgung des Bruches keine Auswirkungen auf die Bildung eines Falschgelenks gehabt habe. Die Einwilligung des Klägers in den zunächst vorgenommenen Eingriff sei auch nicht mangels ordnungsgemäßer Aufklärung unwirksam. Insbesondere sei das mit "vereinzelt" angegebene Risiko der Falsch­ge­lenk­bildung in dem Aufklä­rungsbogen nicht verharmlost worden. Das Risiko der Bildung eines Falschgelenks liege nach Angaben des Sachver­ständigen bei ca. 20 % aller Fälle. Die Formulierung "vereinzelt" bezeichne nach dem hier maßgeblichen allgemeinen Sprachgebrauch eine gewisse Häufigkeit, die zumindest kleiner als "häufig" sei. Genaue oder annähernd genaue Prozentzahlen hinsichtlich eines Behand­lungs­risikos müssten nicht mitgeteilt werden. Die verbalen Risiko­be­schrei­bungen in ärztlichen Aufklä­rungsbögen richteten sich auch nicht nach den Häufig­keits­de­fi­ni­tionen (gelegentlich, selten, sehr selten etc.) in Medika­men­ten­bei­pack­zetteln des MedDRA (Medical Dicitionary for Regulatory Activities). Nach dem allgemeinen Sprachgebrauch könne man ein in etwa in jedem fünften Fall eintretendes Risiko durchaus noch als "vereinzelt" bezeichnen, so das Oberlan­des­gericht.

Behand­lungs­va­riante wäre mit vergleichbarem Risiko für Falsch­ge­lenk­bildung verbunden gewesen

Die Beklagten hätten auch nicht versäumt, den Kläger über alternative gleichwertige Behand­lungs­mög­lich­keiten aufzuklären. Der Sachverständige habe vielmehr verdeutlicht, dass die vom Kläger bevorzugte so genannte Platte­no­s­teo­synthese keine gleichwertige Behand­lungs­mög­lichkeit gewesen wäre. Im Übrigen wäre diese Behand­lungs­va­riante mit einem vergleichbaren Risiko für eine Falsch­ge­lenk­bildung verbunden gewesen. Schließlich habe der Kläger jedenfalls nicht bewiesen, dass die vorgenommene Behandlung für den geltend gemachten Schaden ursächlich geworden sei. Er hätte darlegen und beweisen müssen, dass bei pflichtgemäßem Handeln der Schaden verhindert worden wäre. Dies sei ihm nicht gelungen. Vielmehr habe der Sachverständige deutlich gemacht, dass bei jeder Behandlungsmethode aufgrund der Risikofaktoren des Klägers ein vergleichbar hohes Risiko für eine Falsch­ge­lenk­bildung bestanden habe.

Erläuterungen:

Erläuterungen
Das MedDRA enthält eine internationale medizinische Terminologie für Aktivitäten im Rahmen der Arznei­mit­tel­zu­lassung und findet sich in Medikamenten-Beipackzetteln. Nach einer jüngst die vorausgegangene Entscheidung des Oberlan­des­ge­richts Frankfurt am Main vom 20.2.2018 (8 U 78/16) bestätigenden Entscheidung des Bundes­ge­richtshof (29.01.2019 - VI ZR 117/18) gilt diese Terminologie nicht für die Beschreibung von Risiken einer Behandlungs- bzw. Opera­ti­o­ns­methode.

Quelle: Oberlandesgericht Frankfurt am Main/ra-online (pm)

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