14.11.2024
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Dokument-Nr. 30064

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Oberlandesgericht Frankfurt am Main Beschluss08.03.2021

Bei Uneinigkeit der Eltern über Schutzimpfungen des Kindes Übertragung der Entscheidungs­befugnis auf der STIKO zustimmenden ElternteilOLG zu Uneinigkeit der Eltern über Schutzimpfung des Kindes

Die Entscheidung über die Durchführung von Schutzimpfungen für ein gemeinsames Kind kann bei Uneinigkeit der Eltern auf den Elternteil übertragen werden, der seine Haltung an den Empfehlungen der STIKO orientiert. Über die allgemeine Impffähigkeit des Kindes muss unabhängig von einer konkreten Impfung kein Sach­verständigen­gutachten eingeholt werden, da nach den Empfehlungen der STIKO die Impffähigkeit in der konkreten Impfsituation ärztlich zu prüfen ist und bei einer Kontra­in­di­kation zu unterbleiben hat. Das Oberlan­des­gericht Frankfurt am Main (OLG) wies die Beschwerde eines Vaters zurück.

Dem Fall lag folgender Sachverhalt zugrunde: Die Eltern eines 2018 geborenen Kindes üben gemeinsam die elterliche Sorge aus. Die Mutter möchte das Kind gemäß den Empfehlungen der STIKO impfen lassen. Der Vater ist damit nicht einverstanden und verlangt eine gerichtliche Prüfung der Impffähigkeit des Kindes. Die Mutter hat deshalb vor dem Amtsgericht beantragt, ihr die Entscheidungsbefugnis über Standa­r­dimp­fungen zu übertragen. Diesem Antrag hat das Amtsgericht stattgegeben.

Kindeswohl im Vordergrund

Die hiergegen gerichtete Beschwerde des Vaters hatte vor dem OLG keinen Erfolg. Wenn sich Eltern bei gemeinsamer elterlicher Sorge in einer einzelnen Angelegenheit, die für das Kind von erheblicher Bedeutung ist, nicht einigen können, kann auf Antrag eines Elternteils die Entscheidung einem Elternteil übertragen werden (§ 1628 S. 1 BGB). Die Entscheidung über die Durchführung von Schutzimpfungen sei eine derartige Angelegenheit von erheblicher Bedeutung, stellt das OLG fest. Dabei sei die Entschei­dungs­kom­petenz dem Elternteil zu übertragen, „dessen Lösungs­vor­schlag dem Wohl des Kindes besser gerecht wird“. Gehe es um eine Angelegenheit der Gesund­heitssorge, sei die Entscheidung zu Gunsten des Elternteils zu treffen, der insoweit das für das Kindeswohl bessere Konzept verfolge.

Orientierung an STIKO-Empfehlungen besseres Konzept für Kindeswohl

Bei der Übertragung der Entschei­dungs­be­fugnis über Schutzimpfungen auf einen Elternteil könne nach höchst­rich­ter­licher Rechtsprechung grundsätzlich maßgeblich darauf abgestellt werden, „dass ein Elternteil Impfungen offen gegenübersteht und seine Haltung an den Empfehlungen der STIKO orientiert, ohne dass es der Einholung eines Sachver­stän­di­gen­gut­achtens bedarf, wenn im Einzelfall kein Anlass zu weiteren Ermittlungen besteht“. Es könne davon ausgegangen werden, „dass eine an den Empfehlungen der STIKO orientierte Entscheidung der Kindesmutter über vorzunehmende Impfungen im Ausgangspunkt das für das Kindeswohl bessere Konzept im Sinne der Rechtsprechung darstellt“, begründet das OLG.

Empfehlungen der STIKO stellen antizipiertes Sachver­stän­di­gen­gut­achten dar

Bei der Abwägung zwischen Risiken im Fall einer Impfung und Risiken bei unterbleibender Impfung könne die Entscheidung auf den Elternteil übertragen werden, der den fachlichen Empfehlungen der STIKO folge. Diesen Empfehlungen komme die Funktion eines antizipierten Sachver­stän­di­gen­gut­achtens zu. Da nach den Empfehlungen der STIKO die Impffähigkeit in der konkreten Situation unter Berück­sich­tigung etwaiger Kontra­in­di­ka­tionen ärztlich zu prüfen sei, bedürfe es auch keiner allgemeinen, unabhängig von einer konkreten Impfung vorzunehmenden gerichtlichen Aufklärung der Impffähigkeit des Kindes. Der Sorge des Vaters um die körperliche Unversehrtheit des Kindes im Hinblick auf den Impfvorgang selbst trügen die Empfehlungen der STIKO ebenfalls Rechnung. Für den Impfvorgang werde von der STIKO eine am Kindeswohl orientierte Vorgehensweise mit im Einzelnen dargestellten Handlungs­vor­schlägen empfohlen. Dass diese Empfehlungen vorliegend unzureichend seien, sei weder vorgetragen noch ersichtlich.

Quelle: Oberlandesgericht Frankfurt am Main, ra-online (pm/ab)

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