Dokument-Nr. 28342
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- NJW-RR 2018, 599Zeitschrift: NJW-Rechtsprechungs-Report Zivilrecht (NJW-RR), Jahrgang: 2018, Seite: 599
- NZV 2018, 430Neue Zeitschrift für Verkehrsrecht (NZV), Jahrgang: 2018, Seite: 430
- VersR 2018, 560Zeitschrift für Versicherungsrecht, Haftungs- und Schadensrecht (VersR), Jahrgang: 2018, Seite: 560
- Landgericht Gießen, Urteil04.10.2016, 2 O 341/12
- BGH: Unterbrechung einer Therapie kann Haftung des Schädigers für psychische Beeinträchtigung des Geschädigten ausschließenBundesgerichtshof, Urteil10.02.2015, VI ZR 8/14
- Tod des Ehemanns bzw. Vaters aufgrund Kollision zweier Flugzeuge kann unter dem Gesichtspunkt des Schockschadens Schmerzensgeld rechtfertigenOberlandesgericht Bamberg, Urteil12.08.2014, 5 U 62/13
- Schmerzensgeld wegen Schockschadens nach Unfalltod des Kindes erfordert pathologisch fassbare AuswirkungenOberlandesgericht Celle, Urteil24.08.2022, 14 U 22/22
Oberlandesgericht Frankfurt am Main Urteil06.09.2017
Schockschaden: Schmerzensgeld von 100.000 Euro wegen Miterlebens des Unfalltods des EhemannsIrreversible posttraumatische Belastungsstörung und fortdauernder Depression rechtfertigen Schmerzensgeldhöhe
Erleidet eine Ehefrau eine irreversible posttraumatische Belastungsstörung und eine fortdauernde Depression mit massiven Folgen für ihre Gesundheit und ihr Leben, weil sie den Unfalltod ihres Ehemanns miterleben muss, kann dies ein Schmerzensgeld in Höhe von 100.000 Euro rechtfertigen. Dies hat das Oberlandesgericht Frankfurt am Main entschieden.
In dem zugrunde liegenden Fall hatte eine Ehefrau im Mai 2005 den Unfalltod ihres Ehemanns miterlebt. Der Ehemann war mit einen Motorrad hinter der in ihrem Pkw sitzende Ehefrau auf einer Autobahn gefahren als er unverschuldet mit einem Kleintransporter zusammenstieß. Er fiel dadurch vom Motorrad und geriet unter einem Sattelschlepper. Die Ehefrau entdeckte den leblosen und stark blutenden Körper ihres Ehemanns schließlich eingeklemmt unter dem Führerhaus des Sattelzugs. Aufgrund dieses Geschehens entwickelte die Ehefrau eine irreversible posttraumatische Belastungsstörung und eine fortdauernde Depression. Infolge dessen konnte sie nicht mehr ihre 2 ½ bzw. 6 Monate alten Kinder betreuen, verlor jeglichen Kontakt zu ihnen, sonstigen Familienangehörigen und Freunden. Sie konnte nicht mehr arbeiten und lebte zuletzt in einer betreuten Einrichtung. Sie erhob schließlich im Jahr 2012 vor dem Landgericht Gießen Klage auf Zahlung von Schmerzensgeld in Höhe von mindestens 50.000 Euro gegen den damaligen Unfallverursacher.
Landgericht sprach Schmerzensgeld in Höhe von 100.000 Euro zu
Das Landgericht Gießen gab der Klage statt und sprach der Klägerin ein Schmerzensgeld in Höhe von 100.000 Euro zu. Es führte zur Begründung an, dass durch den Unfall nicht nur die Gesundheit der Klägerin, sondern ihr gesamtes Lebens weitgehend zerstört wurde. Gegen diese Entscheidung richtete sich die Berufung des Beklagten. Er hielt den Schmerzensgeldbetrag für überhöht.
Oberlandesgericht hielt Schmerzensgeldbetrag für angemessen
Das Oberlandesgericht Frankfurt am Main bestätigte die Entscheidung des Landgerichts und wies daher die Berufung des Beklagten zurück. Der zugesprochene Schmerzensgeldbetrag sei nicht zu beanstanden. Die Klägerin habe durch das Miterleben des Unfalls eine erhebliche Gesundheitsbeeinträchtigung bzw. einen Schockschaden erlitten. Die psychischen Belastungen der Klägerin seien massiv und gehen weit über das hinaus, was Angehörige von tödlich Verunglückten erfahrungsgemäß erleiden müssen. Die posttraumatische Belastungsstörung wäre nach Auffassung eines Sachverständigen nicht entstanden, wenn die Klägerin ihren Ehemann nicht unter dem Sattelzug vorgefunden hätte.
Kein Vorliegen einer psychischen Prädisposition oder Fehlverarbeitung
Die gesundheitlichen Beeinträchtigungen der Klägerin gehen nach Ansicht des sachverständig beratenden Oberlandesgerichts auch nicht auf einer psychischen Prädisposition oder Fehlverarbeitung zurück. Dies sei ohnehin nur für die Höhe des Schmerzensgeldes von Belang. Für die Haftungszurechnung sei dies aber unerheblich. Dem Schädiger seien grundsätzlich auch solche psychischen Schäden zuzurechnen, die sich aus einer besonderen seelischen Labilität des Betroffenen erwachsen.
© urteile.news (ra-online GmbH), Berlin 24.01.2020
Quelle: Oberlandesgericht Frankfurt am Main, ra-online (vt/rb)
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