21.11.2024
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Dokument-Nr. 31502

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Oberlandesgericht Frankfurt am Main Urteil10.02.2022

Kostenlose Abgabe eines nicht­verschreibungs­pflichtigen Schmerzgels an Apotheker zu Demonstrations­zwecken zulässigAbgabe des Arzneimittels zu Demonstrations­zwecken stellt keinen Verstoß gegen das Arznei­mit­tel­gesetz (sowie das Heilmittel­werbegesetz dar

Außendienst­mitarbeiter eines Arzneimittel­herstellers dürfen Apothekern kostenlos je eine einzelne Verkaufs­ver­packung eines nicht verschreibungs­pflichtigen Schmerzgels mit dem Aufdruck „Zu Demonstrations­zwecken“ abgeben, entschied das Oberlan­des­gericht Frankfurt am Main (OLG). Die Abgabe verstoße weder gegen das Arznei­mit­tel­gesetz noch gegen das Heilmittel­werbegesetz. Es liege eine geringwertige Zugabe vor, die auch nicht geeignet sei, den Apotheker unsachlich zu beeinflussen.

Beide Parteien vertreiben apothe­ken­pflichtige Arzneimittel. Das Sortiment der Beklagten umfasst ein nicht verschrei­bungs­pflichtiges Schmerzgel mit einem Apothe­ke­n­ab­ga­bepreis von 9,97 €. Dieses Arzneimittel gaben Außen­dienst­mi­t­a­r­beiter der Beklagten kostenlos an Apotheken ab. Die Verkaufs­ver­pa­ckungen waren dabei mit der Aufschrift „Zu Demon­s­tra­ti­o­ns­zwecken“ gekennzeichnet. Die Klägerin nimmt die Beklagte auf Unterlassen in Anspruch. Sie sieht in dieser Abgabe einen Verstoß gegen das Arzneimittelgesetz (AMG) sowie gegen das Heilmittelwerbegesetz (HWG).

EuGH: Abgabe von Gratismustern nicht verschrei­bungs­pflichtiger Arzneimittel zulässig

Das Landgericht hatte zunächst einen Unter­las­sungs­an­spruch wegen unzulässiger Abgabe von Mustern eines Ferti­g­a­rz­nei­mittels an Apotheken im Sinne des § 47 Abs. 3 AMG bejaht. Auf die Revision gegen das die Berufung zurückweisende Urteil des Landgerichts hatte der BGH den EuGH zur Auslegung der § 47 Abs. 3 AMG zugrund­lie­genden Richtlinie angerufen. Dieser entschied, dass die Richtlinie nicht der Abgabe von Gratismustern nicht verschrei­bungs­pflichtiger Arzneimittel an Apotheken entgegenstehe (EuGH, Urteil vom Urt. v. 11.6.2020 - C-786/18).

OLG verneint Verstoß gegen AMG und HWG

Im daraufhin neu durch­zu­füh­renden Berufungs­rechtzug wies das OLG nunmehr die Unter­las­sungs­anträge der Klägerin zurück. Die Abgabe des Arzneimittels zu Demon­s­tra­ti­o­ns­zwecken verstieße gemäß der Auslegung des EuGH nicht gegen § 47 Abs. 3 AMG. Es liege aber auch kein Verstoß gegen § 7 Abs. 1 S. 1 HWG vor, entschied das OLG. Nach § 7 Abs. 1 HWG sei es unzulässig, "Zuwendungen und sonstige Werbegaben anzubieten oder zu gewähren oder als Angehöriger der Fachkreise" anzunehmen, es sei denn, dass es sich um Gegenstände von geringem Wert, die durch eine dauerhafte und deutlich sichtbare Bezeichnung des Werbenden oder des beworbenen Produktes oder beider gekennzeichnet sind, oder um geringwertige Kleinigkeiten handelt.

Zuwendung von geringem Wert

Hier sei von einer Zuwendung von geringem Wert auszugehen. Die Außen­dienst­mi­t­a­r­beiter hätten den Apotheken jeweils nur ein einzelnes Exemplar zu Demon­s­tra­ti­o­ns­produkts überlassen. Der Einkaufswert habe bei 5,34 € gelegen. Durch den Aufdruck "zu Demon­s­tra­ti­o­ns­zwecken“ werde das Produkt jedoch nicht mit dem handelsüblichen Original gleichgesetzt. Sein Wert sei wesentlich geringer. Die überwiegend geöffnet übergebenen Packungen überschritten jedenfalls nicht die Ein-Euro-Grenze.

Auch keine Gefahr der unsachlichen Beeinflussung des Apothekers

Darüber hinaus habe aber auch nicht die Gefahr der Weitergabe der Packung an Apothekenkunden und damit eine realistische Gefahr der unsachlichen Beeinflussung des Apothekers bestanden. Das Überlassen eines einzelnen Exemplars mit dem Aufdruck „Zu Demon­s­tra­ti­o­ns­zwecken“ habe erkennbar der Eigenerprobung des Apothekers bzw. seines Personals gedient. Der Apotheker habe gewöhnlich kein nennenswertes Interesse, nur einem einzelnen Kunden ein Probeexemplar überlassen zu können. „Eine für den Betrieb wirtschaftlich interessante Kundenbindung lässt sich so nicht aufbauen“, stellt das OLG fest. Die Klägerin habe nicht widerlegen können, dass es allein darum gegangen sei, “den Apothekern Konsistenz und Geruch des Produkts vorzuführen“. Die Entscheidung ist nicht rechtskräftig. Die Klägerin kann mit der Nicht­zu­las­sungs­be­schwerde die Zulassung der Revision begehren.

Quelle: Oberlandesgericht Frankfurt am Main, ra-online (pm/ab)

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