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Oberlandesgericht Frankfurt am Main Beschluss03.01.2023

Entscheidung über Rechtmäßigkeit einer medikamentösen Zwangs­be­handlung in der vorläufigen Unterbringung nur mit Beteiligung des Pflicht­ver­tei­digers und bestmöglicher Sach­verhalts­aufklärungOLG hebt LG-Beschluss wegen mehreren schwerwiegenden Verfah­rens­mängeln auf

Das Landgericht musste über die Rechtmäßigkeit der medikamentösen Zwangs­be­handlung einer Angeklagten entscheiden. Diese war, weil dringende Gründe für die Annahme vorlagen, dass sie im Zustand der Schul­d­un­fä­higkeit schwere Straf-traten begangen hat, vorläufig in einer psychiatrischen Klinik untergebracht (§ 126 a StPO). Die Entscheidung hätte hier nur unter Einbindung des Pflicht­ver­tei­digers und der persönlichen Anhörung der betroffenen Person unter sachver­ständiger Beratung erfolgen dürfen, entschied das Oberlan­des­gericht Frankfurt am Main (OLG) und hob die landge­richtliche Entscheidung auf.

Der Beschwer­de­führerin werden versuchte räuberische Erpressung und mehrere Brandstiftungen vorgeworfen. Das Strafverfahren ist noch nicht rechtskräftig abgeschlossen. Sie ist u.a. wegen einer Psychose und einer aufgehobenen bzw. nicht ausschließbaren Einschränkung der Steuerfähigkeit vorläufig in einem psychiatrischen Krankenhaus untergebracht. Auf Antrag der Klinik genehmigte das zuständige Ministerium für Soziales und Integration die zwangsweise Behandlung der Beschwer­de­führerin Anfang Oktober. Der Klinikleiter ordnete daraufhin die intramuskuläre Behandlung mit Antipsychotika an. Dies wurde der Beschwer­de­führerin durch Übergabe des Bescheides angekündigt. Nach der ersten Behandlung Mitte Oktober erlitt die Beschwer­de­führerin mehrere Kreis­lauf­schwächen, ist im Denken aber geordneter, deutlich ruhiger und im Kontakt adäquater. Ende Oktober legte die Beschwer­de­führerin selbst Widerspruch gegen die Zwangsbehandlung ein. Das Landgericht wies diesen Antrag im schriftlichen Verfahren ohne mündliche Anhörung der Beschwer­de­führerin und ohne Einschaltung ihres Pflicht­ver­tei­digers zurück.

OLG: Pflicht­ver­teidiger hätte beteiligt werden müssen

Die hiergegen gerichtete Beschwerde der Beschwer­de­führerin führte zur Aufhebung des Beschlusses durch das OLG. Der Beschluss leide an mehreren schwerwiegenden Verfah­rens­mängeln, begründete das OLG seine Entscheidung. Eine gegen den natürlichen Willen des Betroffenen vorgenommene Zwangs­be­handlung stelle einen besonders schwerwiegenden Eingriff in seine Grundrechte dar. Dies gelte auch, wenn sie zum Zwecke der Heilung vorgenommen werde. Der Eingriff in die körperliche Unversehrtheit und das Selbst­be­stim­mungsrecht bedinge u.a., dass hohe Anforderungen an den Erhalt des effektiven Rechtsschutzes des Betroffenen zu stellen seien. Daraus folge hier, dass der bereits im Strafverfahren bestellte Pflichtverteidiger am Verfahren zur Zwangs­me­di­kation hätte beteiligt werden müssen. Gegenstand der Zwangs­me­di­kation sei gerade die Einwil­li­gungs­un­fä­higkeit der Beschwer­de­führerin gewesen. Damit hätten Zweifel bestanden, dass die Beschwer­de­führerin ihre Rechte in diesem Verfahren sachgerecht selbst wahrnehmen kann. Das Gericht hätte zudem auf eine bestmögliche Sachver­halts­auf­klärung hinwirken müssen. Dazu hätte gehört, sich einen eigenen aktuellen persönlichen Eindruck durch Anhörung der Beschwer­de­führerin zu verschaffen. Außerdem wäre die Einschaltung eines externen forensischen Sachver­ständigen erforderlich gewesen.

Hohe Anforderungen an Zwangs­be­handlung in einstweiliger Unterbringung

Der Senat hat außerdem darauf hingewiesen, dass die Anforderungen an eine Zwangs­be­handlung, die bereits im Rahmen einer einstweiligen Unterbringung, vor Rechtskraft des Urteils der Strafkammer, erfolgen soll, besonders hoch anzusetzen seien. Zwar lasse das Hessische Maßre­gel­voll­zugs­gesetz eine Zwangs­be­handlung unter bestimmten Umständen bereits in der einstweiligen Unterbringung zu. Sie werde aber nur in Fällen in Betracht kommen, in denen tatsächliche Anhaltspunkte von großem Gewicht dafür bestehen, dass durch die Verzögerung der Behandlung der Erfolg eines zu erwartenden nachfolgenden Maßre­gel­vollzugs nachhaltig in Frage gestellt wäre. Ein Hinweis auf eine drohende Chronifizierung der psychiatrischen Erkrankung reiche insoweit nicht aus. Wegen der fehlenden Beteiligung eines Verteidigers und der unzureichenden Sachaufklärung hat das OLG den Beschluss aufgehoben und das Verfahren an die Strafkammer zur möglichst raschen Anhörung im Beisein eines forensischen Sachver­ständigen zurückverwiesen. Die Entscheidung ist nicht anfechtbar.

Quelle: Oberlandesgericht Frankfurt am Main, ra-online (pm/ab)

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