23.11.2024
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Sie sehen eine Szene aus einem Krankenhaus, speziell mit einem OP-Saal und einem Arzt im Vordergrund.

Dokument-Nr. 30745

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Urteil19.08.2021Oberlandesgericht Frankfurt am Main26 U 62/19
Vorinstanz:
  • Landgericht Hanau, Urteil30.10.2019, 4 O 1505/18
ergänzende Informationen

Oberlandesgericht Frankfurt am Main Urteil19.08.2021

Auskunfts­an­spruch über Wirkungen eines Medikaments bei überwiegender Wahrschein­lichkeit der Schadens­ver­ur­sachungVerdacht auf Verunreinigung mit einem möglicherweise Krebs verursachenden Stoff

Besteht eine 97 % Wahrschein­lichkeit, dass ein mit einem möglicherweise Krebs verursachenden Stoff verunreinigtes Medikament eingenommen wurde, kann der später an Krebs Erkrankte von dem Hersteller des Arzneimittels Auskunft verlangen. Das Oberlan­des­gericht Frankfurt am Main (OLG) hat mit Teilurteil die Herstellerin von Valsartan AzB zur Auskunft über alle Wirkungen des Medikaments, die bei der Bewertung schädlicher Folgen von Bedeutung sein können, gem. § 84 a AMG verurteilt.

Die Klägerin begehrt Auskunft über die Wirkungen des von der Beklagten hergestellten Medikaments Valsartan AbZ sowie Schmerzensgeld. Die Beklagte arbeitet mit mehreren Wirkstoff­her­stellern zusammen, die alle den gleichen Wirkstoff Valsartan herstellen. Im Sommer 2018 teilte sie im Form eines Chargenrückrufs mit, dass bei einer ihrer Wirkstoff­her­steller eine produk­ti­o­ns­be­dingte Verunreinigung mit N-Nitros­odie­thylamin festgestellt worden sei. Dieser Stoff sei als wahrscheinlich krebserregend bei Menschen eingestuft worden. Aus organi­sa­to­rischen Gründen erfasste der Rückruf alle Packungsgrößen und Chargen, auch wenn von der Verunreinigung nur Chargen betroffen waren, die unter Verwendung des einen Wirkstoff­her­stellers hergestellt wurden.

Oberlan­des­gericht gibt der Klägerin Recht

Die Klägerin behauptet, Valsartan AbZ in der Zeit von 2013 bis Mai 2018 eingenommen zu haben. Die eingenommenen Chargen hätten zu den verunreinigten gehört. Durch die Einnahme sei sie an Krebs erkrankt. Das Landgericht hat die Klage abgewiesen. Auf die hiergegen gerichtete Berufung hat das OLG die Beklagte zur Auskunft über ihr bekannte Wirkungen und Erkenntnisse verurteilt, die für die Bewertung der Vertretbarkeit schädlicher Wirkungen von Valsartan von Bedeutung sein können, soweit diese u.a. Krebs­er­kran­kungen betreffen. Die Klägerin habe nachgewiesen, das in Rede stehende Medikament eingenommen zu haben. Es lägen auch Tatsachen vor, welche die Annahme begründeten, dass das Arzneimittel den geltend gemachten Schaden verursacht habe. Eine derartige „begründete Annahme“ sei jedenfalls dann zu bejahen, „wenn mehr für eine Verursachung der Rechts­guts­ver­letzung durch das Arzneimittel spricht als dagegen“.

OLG: Überwiegende Wahrschein­lichkeit reicht aus

Erforderlich sei eine „überwiegende Wahrschein­lichkeit“. Hier habe die Klägerin zwar nicht den Vollbeweis führen können, dass die von ihr eingenommenen Medikamente aus den verunreinigten Chargen stammten. Dies sei jedoch auch nicht erforderlich. Der Nachweis, aus welcher Charge ein verwendetes Medikament stamme, sei dem Durch­schnitts­ver­braucher kaum möglich. Es bestehe keine Obliegenheit des Konsumenten, bei jedem eingenommenen Medikament die auf der Packung aufgedruckte Chargen­be­zeichnung zu notieren. Jedenfalls wenn eine sehr hohe Wahrschein­lichkeit bestehe, dass die Patientin tatsächlich ein Medikament aus einer kontaminierten Charge erhalten habe, sei die für den Auskunftsanspruch erforderliche Annahme der Schadens­ver­ur­sachung gut begründbar. Dies sei hier der Fall. Die Wahrschein­lichkeit, dass die Klägerin zumindest einmal ein Medikament aus einer kontaminierten Charge erhalten habe, liege bei ca. 97 %.

Quelle: Oberlandesgericht Frankfurt am Main, ra-online (pm/pt)

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