23.11.2024
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Dokument-Nr. 25969

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Oberlandesgericht Frankfurt am Main Beschluss25.05.2018

Mit­bestimmungs­intensität der Arbeitnehmer im Aufsichtsrat richtet sich allein nach Zahl der im Inland BeschäftigtenNicht­be­rück­sich­tigung von Arbeitnehmern ausländischer Betriebe bei Zählweise verstößt nicht gegen Europarecht

Das Oberlan­des­gericht Frankfurt am Main hat entschieden, dass allein die Anzahl der im Inland beschäftigten Arbeitnehmer darüber entscheidet, ob ein Aufsichtsrat dem Mit­bestimmungs­gesetz unterfällt. Es verstößt nicht gegen den Gleichheitssatz, die in ausländischen Tochter­gesellschaften Beschäftigten nicht mitzuzählen.

Der Antragsteller des zugrunde liegenden Rechtstreits ist Aktionär der im Rhein-Main-Gebiet ansässigen Antragsgegnerin. Die gegnerische Aktien­ge­sell­schaft ist im Bereich der Arznei­mit­tel­pro­duktion tätig. Im Aufsichtsrat der Antragsgegnerin sitzen derzeit 1/3 Arbeit­neh­mer­ver­treter auf Basis des sog. Drittel­be­tei­li­gungs­ge­setzes (DrittelbG). Der Antragsteller ist der Ansicht, die Arbeitnehmer müssten paritätisch neben den Anteilseignern mit der Hälfte der Sitze vertreten sein (MitbestimmungsG).

Schwelle von 2.000 wird nur bei Berück­sich­tigung der Beschäftigten der ausländischen Tochter­ge­sell­schaften erreicht

Maßgeblich für den Anteil der im Aufsichtsrat vertretenen Arbeitnehmer ist die Anzahl der Beschäftigten. Übersteigt diese den Schwellenwert von 2.000, ist das MitbestimmungsG anwendbar und eine paritätische Besetzung vorgeschrieben. Liegt sie darunter, beläuft sich der Anteil nach den Vorgaben des DrittelbG auf ein Drittel. Die Zahl der Arbeitnehmer der Antragsgegnerin überschreitet hier nur dann die Schwelle von 2.000, wenn man neben den im Inland beschäftigten Arbeitnehmern auch die in ausländischen Tochter­ge­sell­schaften der Antragsgegnerin Beschäftigten mitbe­rück­sichtigt.

Aufsichtsrat der Antragsgegnerin wurde zutreffend nach Grundsätzen des DrittelbG gebildet

Der Antragsteller leitete ein sogenanntes gerichtliches Statusverfahren nach §§ 98 AktG ein und beantragte, über die Zusammensetzung des Aufsichtsrats gerichtlich zu entscheiden. Das Landgericht wies diesen Antrag zurück. Hiergegen richtete sich die Beschwerde des Antragstellers, die auch vor dem Oberlan­des­gericht keinen Erfolg hatte. Der Aufsichtsrat der Antragsgegnerin sei zutreffend nach den Grundsätzen des DrittelbG gebildet worden, betont das Oberlan­des­gericht. Für die Berechnung der maßgeblichen Anzahl der Arbeitnehmer komme es allein auf die im Inland beschäftigten Arbeitnehmer an.

Gemäß Betrie­bs­ver­fas­sungs­ge­setzes gilt Terri­to­ri­a­l­prinzip

Der Wortlaut des MitbestimmungsG spreche zwar allein von Arbeitnehmern, ohne eine Differenzierung zwischen inländischen und ausländischen Betrieben vorzunehmen. Das Gesetz nehme aber auf § 5 des Betrie­bs­ver­fas­sungs­ge­setzes (BetrVG) Bezug. Dort "gilt jedoch seit jeher das Terri­to­ri­a­l­prinzip", führt das Oberlan­des­gericht zur Begründung der ausschließ­lichen Maßgeblichkeit der im Inland Beschäftigten an. Dies entspreche auch dem Willen des Gesetzgebers. Die vom Antragsteller angeführte Gefahr, dass so weitere Anreize zur Verlagerung von Arbeitsplätzen ins Ausland geschaffen würden, stehe dieser Auslegung nicht entgegen. Die Wertent­scheidung des Gesetzgebers für das Prinzip der Mitbestimmung sei wie andere soziale Grund­ent­schei­dungen auch häufig mit der theoretischen Gefahr der Abwanderung von Arbeitsplätzen ins Ausland verbunden, richte sich hieran jedoch nicht aus. Angesichts der Vielzahl der mit der Standortwahl verbundenen Überlegungen, dürfte die Frage der Mitbestimmung laut Gericht nur eine untergeordnete Rolle spielen.

OLG verneint Diskriminierung aus Gründen der Staats­an­ge­hö­rigkeit und Verstoß gegen Gleichheitssatz

Die Nicht­be­rück­sich­tigung von Arbeitnehmern in ausländischen Betrieben bei der Zählweise verstoße auch nicht gegen Europarecht. Eine Diskriminierung aus Gründen der Staats­an­ge­hö­rigkeit scheide aus. Die Zählweise wirke sich allgemein auf die Mitbe­stim­mungs­in­tensität der Arbeitnehmer im Aufsichtsrat aus und treffe damit inländische und ausländische Arbeitnehmer gleichermaßen.

Der deutsche Gleichheitssatz werde ebenfalls nicht berührt. Aktives und passives Wahlrecht zum Aufsichtsrat stünden - aus Gründen des Terri­to­ri­a­l­prinzips - allein im Inland beschäftigten Arbeitnehmern zu. Folglich sei es auch sachgerecht, den Umfang der Mitbestimmung an der Anzahl dieser Wahlbe­rech­tigten auszurichten.

§ 1 [1] MitbestimmungsG: Erfasste Unternehmen

(1) In Unternehmen, die

1. in der Rechtsform einer Aktien­ge­sell­schaft... betrieben werden und

2. in der Regel mehr als 2.000 Arbeitnehmer beschäftigen,

haben die Arbeitnehmer ein Mitbestimmungsrecht nach Maßgabe dieses Gesetzes.

[...]

§ 3 [1] MitbestimmungsG Arbeitnehmer und Betrieb

(1) 1 Arbeitnehmer im Sinne dieses Gesetzes sind

1. die in § 5 Abs. 1 des Betrie­bs­ver­fas­sungs­ge­setzes bezeichneten Personen mit Ausnahme der in § 5 Abs. 3 des Betrie­bs­ver­fas­sungs­ge­setzes bezeichneten leitenden Angestellten,

2. die in § 5 Abs. 3 des Betrie­bs­ver­fas­sungs­ge­setzes bezeichneten leitenden Angestellten.

[...]

§ 7 [1]MitbestimmungsG: Zusammensetzung des Aufsichtsrats

(1) 1 Der Aufsichtsrat eines Unternehmens

1.mit in der Regel nicht mehr als 10.000 Arbeitnehmern setzt sich zusammen aus je sechs Aufsichts­rats­mit­gliedern der Anteilseigner und der Arbeitnehmer;

[...]

Quelle: Oberlandesgericht Frankfurt am Main/ra-online

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