Zu Lebzeiten hatte die Erblasserin die Beschwerdegegner als Detektive beschäftigt, da sie sich fortlaufend von Dieben bestohlen glaubte. Die Beschwerdegegner sollen ihr Haus u.a. mit Kameras ausgestattet und einen mittleren fünfstelligen Betrag für detektivische Dienstleistungen erhalten haben. Die Beschwerdeführer wandten sich gegen die Erteilung eines Erbscheins an die Detektive. Sie waren der Ansicht, dass die Erblasserin zum Zeitpunkt der Abfassung des Testaments an einem krankhaften Verfolgungswahn gelitten habe und deshalb nicht mehr testierfähig gewesen sei.
Das Nachlassgericht stellte nach Einholung eines Sachverständigengutachtens zur Testierfähigkeit und mündlicher Anhörung des Sachverständigen fest, dass die Voraussetzungen für die Erteilung eines Erbscheins an die Beschwerdegegner vorliegen würden. Testierunfähigkeit könne nicht festgestellt werden, da die Möglichkeit bestehe, dass die Erblasserin bei der Testamentserrichtung in einem "lichten Augenblick" gehandelt habe.
Hiergegen richtete sich die Beschwerde der Verwandten. Das Oberlandesgericht Frankfurt am Main hat den Beschluss aufgehoben und die Sache an das Nachlassgericht zur weiteren Aufklärung zurückverwiesen. Es war der Ansicht, dass ohne weitere Aufklärung derzeit nicht verlässlich festgestellt werden könne, dass die Erblasserin bei der Testamentserrichtung in einem "lichten Augenblick" gehandelt habe. Testierunfähigkeit liege nicht nur vor, wenn der Erblasser sich keine Vorstellung davon mache, überhaupt ein Testament zu errichten oder dessen Inhalt und Tragweite nicht einordnen könne. Sie sei vielmehr auch dann gegeben, wenn allein die Motive für die Errichtung des Testaments auf einer krankheitsbedingten Unfreiheit beruhten. Auch derjenige, der nicht in der Lage sei, sich über die für und gegen seine letztwillige Verfügung sprechenden Gründe ein klares, von krankhaften Einflüssen nicht gestörtes Urteil zu bilden und entsprechend zu handeln, sei testierunfähig, so das Oberlandesgericht. Es gehe nicht darum, den Inhalt der letztwilligen Verfügung auf seine Angemessenheit hin beurteilen zu können. Maßgeblich sei laut Gericht vielmehr, ob die Freiheit des Willensentschlusses durch krankhafte Störungen der Motiv- und Willensbildung aufgehoben sei. Grundsätzlich gebe es auch keine nach Schwierigkeitsgrad des Testaments abgestufte Testierfähigkeit; die Fähigkeit zur Testamentserrichtung sei entweder gegeben oder fehle ganz.
Wahnhafte Störungen könnten in Abgrenzung zu alterstypischen "verbohrten" Meinungen dann die freie Willensbildung ausschließen, wenn sie krankhaft seien. Dies sei der Fall, wenn eine Abkoppelung von Erfahrung, Logik und kulturellen Konsens sowie der Verlust der Kritik und Urteilsfähigkeit vorliege. Zur Testierunfähigkeit führten derartige Wahnvorstellungen, wenn sie sich auch inhaltlich auf die Frage der Rechtsnachfolge von Todes wegen bezögen.
Aufzuklären sei hier, ob die Erblasserin unter chronischem Wahn gelitten habe. Sofern sich eine chronische Störung bei der Beurteilung der Testierfähigkeit feststellen lasse, seien jedenfalls nach der dem Gericht verfügbaren wissenschaftlichen Literatur kurzfristige "luzide Intervalle" praktisch ausgeschlossen. Zu berücksichtigen sei auch, dass die Erblasserin die Detektive im Zusammenhang mit ihren gegebenenfalls wahnhaften Bestehlungsängsten kennengelernt habe.
Wer wegen krankhafter Störung der Geistestätigkeit, wegen Geistesschwäche oder wegen Bewusstseinsstörung nicht in der Lage ist, die Bedeutung einer von ihm abgegebenen Willenserklärung einzusehen und nach dieser Einsicht zu handeln, kann ein Testament nicht errichten.
© urteile.news (ra-online GmbH), Berlin 19.09.2017
Quelle: Oberlandesgericht Frankfurt am Main/ra-online