21.11.2024
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Dokument-Nr. 14697

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Beschluss01.11.2012Oberlandesgericht Frankfurt am Main20 W 12/08
passende Fundstellen in der Fachliteratur:
  • MietRB 2013, 48Zeitschrift: Der Miet-Rechts-Berater (MietRB), Jahrgang: 2013, Seite: 48
  • NZM 2013, 153Neue Zeitschrift für Miet- und Wohnungsrecht (NZM), Jahrgang: 2013, Seite: 153
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ergänzende Informationen

Oberlandesgericht Frankfurt am Main Beschluss01.11.2012

Supermarkt darf in muslimisches Gemeindezentrum umgewandelt werdenFrankfurt am Main erklärt Beschluss einer Wohnungs­ei­gen­tü­mer­ge­mein­schaft gegen die Einrichtung eines religiösen Gemein­de­zentrums für nichtig

Eine Wohnungs­ei­gen­tü­mer­ge­mein­schaft kann die Umwandlung eines Supermarktes in ein religiöses Gemeindezentrum durch einen ihrer Miteigentümer nicht unter Berufung auf die Gemein­schafts­ordnung verbieten. Dies entschied das Oberlan­des­gericht Frankfurt am Main.

Die streitende Wohnungseigentümergemeinschaft (WEG) des zugrunde liegenden Falls besitzt eine Mehrhausanlage in Wiesbaden mit knapp 50 Wohnungen in sechs mehrge­schossigen Gebäuden. In einem separaten, von den Wohngebäuden getrennten Flachbau befindet sich eine früher als Supermarkt genutzte Gewerbeeinheit. Die Gewerbeeinheit wurde im Jahr 2006 mit Zustimmung des WEG-Verwalters an einen Verein veräußert, der den Moscheebau unterstützt. Der Verein beabsichtigt, in der Gewerbeeinheit ein Gebetshaus und Gemeindezentrum muslimischen Glaubens einzurichten. Die WEG stimmte jedoch der geplanten Umwandlung nicht zu und fasste auf einer Versammlung im Dezember 2006 einen entsprechenden Beschluss.

Vorinstanzen lehnen Antrag auf Feststellung der Unwirksamkeit des gefassten WEG-Beschlusses ab

Der Verein die Feststellung der Unwirksamkeit des gefassten Beschlusses. Das zunächst zuständige Amtsgericht wie auch das zweitin­sta­nzlich zuständige Landgericht lehnten den Antrag mit der Begründung ab, dass die Nutzung der Gewerbeeinheit als Gebets- und Gemeindezentrum nicht mit der bisherigen Nutzung als Supermarkt vergleichbar sei und zu einer durch die Gemein­schafts­ordnung nicht mehr gedeckten Beein­träch­tigung der Miteigentümer führe. Gleichzeitig wurde im Jahr 2007 durch einstweilige Anordnung ein Baustopp hinsichtlich des begonnenen Umbaus des Supermarkts verfügt.

OLG erklärt WEG-Beschluss für nichtig

Das Oberlan­des­gericht Frankfurt am Main änderte die Vorent­schei­dungen ab und erklärte den Beschluss der WEG für nichtig. Zwar handele es sich bei der geplanten Nutzung als muslimisches Gebets- und Gemeindezentrum nicht um die von der WEG in der Gemein­schafts­ordnung vorgesehene gewerbliche Nutzung. Aus diesem Grund sei die Umwandlung aber noch nicht unzulässig, denn nach der Gemein­schafts­ordnung sei dem jeweiligen Eigentümer der Gewerbeeinheit nicht nur die gewerbliche Nutzung gestattet, sondern auch eine nach Wohnungs­ei­gen­tumsrecht zulässige Nutzungsänderung. Insoweit gelte, dass die andersartige Nutzung nicht mehr stören oder beein­träch­tigten dürfe als die bestim­mungs­gemäße. Bei der hiernach durch­zu­füh­renden Abwägung dürfe man die geplante Nutzung jedoch nicht mit der bisherigen als Supermarkt vergleichen. Vielmehr sei als Vergleichs­maßstab jeder erlaubte gewerbliche Zweck heranzuziehen, also auch ein Gewerbe, das keinen Laden­öff­nungs­zeiten unterliege und größeren Publi­kums­verkehr hervorrufen oder sonstige Störungen verursachen könne.

Nutzung als muslimisches Gemeindezentrum stellt keine stärker beein­träch­tigende Nutzung dar

Im Vergleich zu Einrichtungen aber, die häufig am Wochenende und in den Abend- und Nachtstunden von Publikum frequentiert werden – etwa einer Gaststätte, einem Fitnessstudio, einer Video- oder Spielothek – stelle die Nutzung als muslimisches Gemeindezentrum im geplanten Umfang jedenfalls keine intensivere und damit stärker beein­träch­tigende Nutzung dar. Die allgemeine Zulässigkeit der Nutzung der Gewerbeeinheit als muslimisches Gemeindezentrum ändere im Übrigen nichts an der Pflicht zur gegenseitigen Rücksichtnahme innerhalb der Gemeinschaft der Eigentümer.

Hintergrundinformation

Die Gemein­schafts­ordnung regelt – ergänzend zum Wohnungs­ei­gen­tums­gesetz – die Rechte und Pflichten der Wohnungseigentümer als Gemeinschaft untereinander. Sie ist damit die Grundordnung, die sich die Wohnungs­ei­gen­tü­mer­ge­mein­schaft selbst gibt, vergleichbar mit der Satzung eines Vereins.

Quelle: Oberlandesgericht Frankfurt am Main/ra-online

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