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Dokument-Nr. 30921

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Oberlandesgericht Frankfurt am Main Urteil17.09.2021

Kein Miet- und Pachtminderung bei coronabedingter Gast­stätten­schließungAnpassung des Vertrages wegen schwerwiegender Störung der Geschäfts­grundlage im Einzelfall möglich

Die in der hessischen Verordnung zur Bekämpfung des Corona-Virus angeordneten Beschränkungen für Einzel­handels­geschäfte und Gaststätten begründen weder einen zu Minderung berechtigenden Mangel der Räumlichkeiten noch führen sie zur Unmöglichkeit der vom Vermieter oder Verpächter geschuldeten Leistung. Ob eine Anpassung des Vertrages wegen einer schwerwiegenden Störung der Geschäfts­grundlage vorzunehmen ist, ist unter Berück­sich­tigung der Umstände des Einzelfalles zu entscheiden. Das Oberlan­des­gericht Frankfurt am Main (OLG) hat mit zwei veröf­fent­lichten Entscheidungen im Ergebnis die Minde­rungs­be­gehren zurückgewiesen. Revision in beiden Fällen wegen grundsätzlicher Bedeutung zugelassen

Im ersten Fall betrieb die Klägerin in Frankfurt als Teil einer bundesweiten Kette ein Sushi-Restaurant. Sie hatte die Räume von dem Beklagten gemietet. Im Zusammenhang mit den hessischen Verordnungen zur Bekämpfung des Corona-Virus konnte das Lokal zeitweilig nicht betrieben werden. Die Klägerin begehrt die Feststellung, dass sie während der Zeit der behördlichen Beschränkungen nicht zur vollen Mietzinszahlung verpflichtet gewesen ist. Das Landgericht hatte die Klage abgewiesen.

OLG: Mieter trägt Verwen­dungs­risiko

Die hiergegen gerichtete Berufung hatte auch vor dem OLG keinen Erfolg. Die Klägerin könne nicht Minderung der Miete verlangen, bestätigte das OLG. Die Mietsache sei nicht mangelhaft gewesen. Der Vermieter schuldete allein die Möglichkeit, in den überlassenen Räumen einen Geschäfts­betrieb mit dem konkret vereinbarten Zweck führen zu können. Er schuldete dagegen nicht die Überlassung des Betriebs selbst. Das so genannte Verwendungsrisiko trage vielmehr der Mieter. Dem Vermieter sei die von ihm geschuldete Leistung auch nicht unmöglich geworden. Er habe weiterhin die Räumlichkeiten in einem zum vertragsgemäßen Gebrauch geeigneten Zustand überlassen können.

Festhalten am unveränderten Vertrag hier zumutbar

Schließlich könne auch keine Herabsetzung des Mietzinses wegen einer schwerwiegenden Störung der Geschäfts­grundlage verlangt werden. Die Folgen der Corona- Pandemie führten zwar zu einer solchen schwerwiegenden Störung. Es könne davon ausgegangen werden, dass die Parteien bei Kenntnis einer solchen Pandemie eine zeitweise Mietminderung vereinbart hätten. Hier sei aber nicht feststellbar, dass der Mieterin unter Berück­sich­tigung aller Umstände des Einzelfalls das Festhalten am unveränderten Vertrag unzumutbar sei. Zu berücksichtigen sei dabei maßgeblich die vertragliche und/oder gesetzliche Risiko­ver­teilung, wonach das Verwen­dungs­risiko den Mieter treffe. Beachtlich seien zudem die wirtschaft­lichen Verhältnisse beider Vertrags­parteien. Hier seien ganz erhebliche Darle­hens­ver­pflich­tungen auf Seiten des Vermieters mit zu gewichten. Im Ergebnis sei dem Vermieter eine Herabsetzung der Miete nicht zumutbar.

Außer­or­dentliche Kündigung wegen coronabedinter Betrie­bs­schließung

In dem zweiten Fall begehrt die Verpächterin ausstehende Pachtzahlungen. Die Pächterin hatte den Vertrag über die Nutzung einer Gaststätte in Wiesbaden wegen der behördlichen Untersagung, Gäste in der Pandemiezeit zu bewirten, am 24.3.2020 außerordentlich gekündigt. Sie räumte das Lokal und stellte alle Zahlungen ein. Das Landgericht hatte die Zahlungsklage abgewiesen.

OLG: Coronabedingte Betrie­bs­schließung rechtfertigt keine außer­or­dentliche Kündigung

Die Berufung der Verpächterin hatte vor dem OLG Erfolg. Die Verpächterin hat einen Anspruch auf die Pachtzahlungen ab Mai 2020, urteilte das OLG. Der Vertrag sei nicht durch die außer­or­dent­lichen Kündigungen der Pächterin beendet worden. Die pande­mie­be­dingten allgemeinen hoheitlichen Maßnahmen rechtfertigten keine außer­or­dentliche Kündigung. Sie beträfen das Verwen­dungs­risiko des Pächters, nicht aber die Gebrauchs­ge­wäh­rungs­pflicht der Verpächter. Der Verpächter habe grundsätzlich nur die Möglichkeit des Gebrauchs zu verschaffen und hierzu die Pachtsachen in einem dem Verwen­dungszweck entsprechenden Zustand zu halten. Der Verpächter „schulde aber nicht die Überlassung des Betriebs selbst, sondern nur die Überlassung der dazu notwendigen Räume“, betonte das OLG. Insoweit sei ein Pachtvertrag ebenso zu behandeln wie ein Mietvertrag. Auch der Pächter trage das Verwen­dungs­risiko (in Form der sog. Fruchtziehung). Die Pachthöhe sei auch nicht aufgrund der behördlichen Beschränkungen gemindert. Die auf Basis des Infek­ti­o­ns­schutz­ge­setzes erfolgten Anordnungen hätten sich nicht gegen das Pachtobjekt selbst, sondern allein gegen die Geschäfts­ausübung gerichtet. Es liege auch kein Fall der Unmöglichkeit vor. Die Verpächterin habe die Räume in einem zum vertragsgemäßen Gebrauch geeigneten Zustand überlassen.

Unzumutbarkeit der Vertrags­fort­führung von Pächterin nicht mehr feststellbar

Es bestehe auch kein Anspruch auf Anpassung des Mietzinses wegen des Wegfalls der Geschäfts­grundlage. Durch den Eintritt der Pandemie und die damit verbundenen Beschränkungen habe sich diese zwar schwerwiegend verändert. Die Folgen der Pandemie griffen ganz erheblich in den Geschäfts­betrieb der Pächterin ein und beseitigten die Nutzbarkeit der Räume. Eine Anpassung des Pachtzinses sei zum einen allerdings bereits zu keinem Zeitpunkt verlangt worden. Zum anderen müsste die unveränderte Fortführung des Vertrages zu der ursprünglichen Pachthöhe für die Pächterin unzumutbar sein. Dies wäre anhand von Umsatzeinbußen, etwaigen Einsparungen, etwaigen staatlichen Hilfen oder sonstigen relevanten Umständen darzulegen. Da die Pächterin selbst den Betrieb eingestellt hatte, bevor die Betrie­bs­be­schrän­kungen Auswirkungen auf ihr Geschäft zeigten, könne dies nicht festgestellt werden.

Quelle: Oberlandesgericht Frankfurt am Main, ra-online (pm/ab)

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