14.12.2024
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Dokument-Nr. 33695

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Oberlandesgericht Frankfurt am Main Urteil10.01.2024

EU-Unternehmen kann seiner Rück­zahlungs­verpflichtung von Vorauszahlungen an ein Unternehmen mit Iranbezug nicht einen eigenen möglichen Verstoß gegen Iran-Sanktionen entgegenhaltenEU-Unternehmen muss Vorauszahlung trotz Iran-Sanktionen zurückzahlen

Beruft sich der Geschäfts­partner eines deutschen Tochter­un­ter­nehmens einer iranischen Mutter­ge­sell­schaft nach Ankündigung des erneuten Inkrafttretens der Iran-Sanktionen und SDL-Listung der iranischen Mutter­ge­sell­schaft auf ein vorübergehendes Leistungs­verweigerungs­recht, kann das Tochter­un­ter­nehmen selbst vom Vertrag zurücktreten und die Rückzahlung bereits erbrachter Vorauszahlungen verlangen. Die EU-Blocking-VO verbietet es einem Unternehmen der EU, sich unter Verweis auf die Iran-Sanktionen seiner Liefer­ver­pflichtung bzw. der Rück­zahlungs­verpflichtung zu entziehen. Das Oberlan­des­gericht Frankfurt am Main (OLG) bestätigte die Verpflichtung zur Rückzahlung vorausgezahlten Kaufpreises in Höhe von 36. Mio. €.

Geklagt hatte die 100-prozentige Tochter eines iranischen Unternehmens. Sie bestellte am 04.05. 2018 bei der Beklagten Graphit­elek­troden. Diese sollten unmittelbar an die Mutter­ge­sell­schaft in den Iran geliefert werden. Die Klägerin verpflichtete sich zur Vorauszahlung vor der jeweiligen Lieferung. Am 08.05.2018 kündigten die Vereinigten Staaten von Amerika an, sich aus dem so genannten Iran-Abkommen zurückzuziehen und bis zum 05.11.2018 ihre Iran- Sanktionen wieder­ein­zu­führen. Im August 2018 verpflichtete sich die Klägerin in einer Zusatz­ver­ein­barung mit der Beklagten zur weiteren Vorauszahlung des Kaufpreises und leistete knapp 47 Mio. € an die Beklagte. Diese lieferte im Gegenzug Waren im Wert von gut 11 Mio. €. Im Oktober 2018 wurde die Mutter­ge­sell­schaft der Klägerin auf die Specially Designated Nationals and Blocked Persons List (SDN-Liste) gesetzt und mit sog. Sekun­där­sank­tionen belegt. Nachfolgend kündigte die Beklagte zunächst einen vorübergehenden Lieferstopp unter Verweis auf die politische Situation im Iran an und verweigerte schließlich unter Verweis auf die SDN-Listung der Mutter­ge­sell­schaft die weitere Lieferung und die Rückzahlung der Vorauszahlungen. Daraufhin erklärte die Klägerin den Rücktritt vom Kaufvertrag und begehrt die Rückzahlung der Vorauszahlungen sowie die Feststellung der Schaden­s­er­satz­pflicht der Beklagten. Das Landgericht hat die Beklagte zur Zahlung von knapp 36 Mio. € verurteilt und dem Feststel­lungs­antrag stattgegeben.

EU-Unternehmen kann Rückzahlung nicht verweigern

Die hiergegen eingelegte Berufung der Beklagten hatte vor dem OLG keinen Erfolg. Die Klägerin könne Rückzahlung der Vorauszahlungen begehren, ebenso sei die Beklagte schaden­s­er­satz­pflichtig, bestätigte das OLG die angefochtene Entscheidung. Die Klägerin sei wirksam vom Kaufvertrag zurückgetreten. Ihr habe im Hinblick auf die von der Beklagten verweigerte weitere Lieferung der Graphit­elek­troden ihrerseits ein Rücktrittsrecht zur Seite gestanden. Zum Zeitpunkt der Rücktritts­er­klärung sei auch zu erwarten gewesen, dass es sich nicht lediglich um eine kurze, von der Klägerin hinzunehmende Zeitspanne handeln würde. Der Beklagten stehe gegen diesen Rückzahlungsanspruch kein Leistungs­ver­wei­ge­rungsrecht zu. Dieses könne sie insbesondere nicht mit Erfolg aus den vereinbarten vertraglichen Regelungen herleiten. Eine derartige Auslegung der vertraglichen Klauseln verstieße gegen ein gesetzliches Verbot, hier gemäß Art. 5 Abs. 1 der sog. EU-Blocking- Verordnung. Dieser verbiete es einer im Unionsgebiet eingetragenen juristischen Personen, die im Anhang der Verordnung aufgeführten ausländischen Sanktionsnormen zu befolgen. Hierunter fallen US-amerikanische gesetzliche Regelungen im Rahmen der Iran-Sanktionen, welche die wissentliche erhebliche finanzielle und/oder materielle Unterstützung einer SDN-gelisteten iranischen Person verbieten.

Auch keine unver­hält­nis­mäßige Belastung durch Anwendung der Blocking-Verordnung

Die Anwendung der Blocking-Verordnung belaste die Beklagte hier auch nicht unver­hält­nismäßig. Sie habe zum einen die erhebliche Wahrschein­lichkeit einer eigenen SDN-Listung für den Fall der Rückzahlung nicht hinreichend dargelegt. Die Rückzah­lungs­ver­pflichtung sei vielmehr allein die Folge der Beendigung der Geschäfts­be­ziehung aufgrund des US-Sanktionsregime sei und stelle sich damit nur „als Annex zur Befolgung der US-Sanktionsnorm“ dar. Zum anderen habe die Beklagte es versäumt, bei der EU-Kommission einen grundsätzlich möglichen Antrag auf Befreiung von den Wirkungen des Art. 5 Abs. 1 der EU-Blocking-VO zu stellen. Damit habe sie sich der Möglichkeit begeben, eine Beschränkung ihrer unter­neh­me­rischen Freiheit zu vermeiden. Art. 5 Abs. 1 der EU-Blocking-VO stehe auch einem gesetzlichen Leistungs­ver­wei­ge­rungsrecht entgegen. Die Entscheidung ist nicht rechtskräftig.

Quelle: Oberlandesgericht Frankfurt am Main, ra-online (pm/ab)

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