18.10.2024
18.10.2024  
Sie sehen die Silhouette einer Person, welche an einer Wand mit vielen kleinen Bildern vorbeigeht.

Dokument-Nr. 34187

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Urteil09.07.2024Oberlandesgericht Frankfurt am Main16 U 92/23
Vorinstanz:
  • Landgericht Frankfurt am Main, Urteil06.07.2023, 2-03 O 204/23
ergänzende Informationen

Oberlandesgericht Frankfurt am Main Urteil09.07.2024

Wort "Transe" ist ausschließlich abwertend und ein diskri­mi­nie­rendes SchimpfwortUnter­lassungs­anspruch bestätigt

Eine klagende Transfrau kann u.a. verlangen, nicht als „Transe“ bezeichnet zu werden. Dem Wort kommt ausschließlich eine abwertende Bedeutung zu. Der diskri­mi­nierende Verlet­zungs­gehalt steht auf einer Stufe mit dem Schimpfwort „Schwuchtel“. Das Oberlan­des­gericht Frankfurt am Main hat mit verkündeter Entscheidung den vom Landgericht zugesprochenen Unter­lassungs­anspruch bestätigt.

Die Klägerin ist seit etwa 40 Jahren eine Transfrau. Ihr Geschlecht­s­eintrag lautet „weiblich“. Sie setzt sich gegen Trans­feind­lichkeit ein und veröffentlicht dazu Beiträge u.a. auf der Plattform X. Der Beklagte betreibt einen Blog. Dort veröffentlichte er einen Artikel mit der Überschrift „Versuchte Abmahnung gegen Ansage: Totalitär tickende Transe zieht den Schwanz ein“. Hintergrund dieses Artikels war eine vorausgegangene erfolglose Abmahnung des Beklagten durch die Klägerin wegen eines anderen Artikels. Im Rahmen der dortigen anschließenden gerichtlichen Ausein­an­der­setzung hatte die Klägerin nach einem Hinweis-beschluss auf ihre Ansprüche verzichtet. Sie begehrt nun vom Beklagten, es zu unterlassen, in Bezug auf sie die Äußerung „Totalitär tickende Transe zieht den Schwanz ein“ zu tätigen. Das LG hatte dem im Eilverfahren geltend gemachten Unterlassungsanspruch stattgegeben. Die hiergegen eingelegte Berufung hat nun auch vor dem zuständigen OLG keinen Erfolg.

Wort „Transe“ ausschließlich abwertend und diskriminierend

Der Klägerin stehe unter Abwägung der wider­strei­tenden Grund­rechts­po­si­tionen ein Unter­las­sungs­an­spruch zu. Es liege eine Meinung­s­äu­ßerung vor, die zwar nicht die Grenze zur Schmähkritik überschreite. Die angegriffene Äußerung verstehe ein Durch­schnittsleser aber als gezielte Herabsetzung der Klägerin. Dem Wort „Transe“ komme nach dem allgemeinen Sprachgebrauch ausschließlich eine abwertende Bedeutung zu. Es handele sich um ein Schimpfwort, das in hohem Maße verletzend und diskriminierend sei. Durch dieses Schimpfwort erlange „auch die nachgestellte Wendung ‚zieht den Schwanz ein‘ für den Durch­schnittsleser eine notwendig sexuelle Konnotation, die gerade im Zusammenhang mit einer als ‚Transfrau‘ bezeichneten Person in besonderem Maße herabsetzend ausfällt“, begründete das OLG weiter. Da der Durch­schnittsleser die Möglichkeit in Betracht ziehe, dass die Klägerin ihr männliches Geschlechtsteil habe entfernen lassen, werde sie im Sinne eines Sprachspiels in menschen­ver­ach­tender Weise ins Lächerliche gezogen, „da nichts eingezogen werden kann, was nicht vorhanden ist“. Diese drastische Herabsetzung werde durch die Formulierung „totalitär tickend“ ein weiteres Mal verschärft.

Herabwürdigung ist keine „Satire“

Die Äußerung könne auch nicht als satirisch eingekleidete Wendung gewertet werden. Denn sie enthalte weder Signale, die auf Satire hindeuteten, noch solche, die sie auch nur ironisch erscheinen ließen. Das auf Seiten des Beklagten in die Abwägung einzustellende Recht der Meinungs­freiheit überwiege das allgemeine Persön­lich­keitsrecht der Klägerin nicht. Auch vor dem Hintergrund der rechtlichen Ausein­an­der­setzung zwischen den Parteien sei eine derart menschen­ver­achtende Herabwürdigung der Klägerin nicht zu rechtfertigen. Sie trage vielmehr Züge einer „öffentlich ausgetragenen Privatfehde“, bei der der sachliche Kontext weitgehend in den Hintergrund rücke und damit auch ein etwaiges Infor­ma­ti­o­ns­in­teresse des Beklagten. Der grundrechtliche Schutz der Meinungs­freiheit impliziere zwar die rechtliche Anerkennung menschlicher Subjektivität und damit zugleich von Emotionalität und Erregbarkeit, „dies jedoch nur in den Grenzen zumutbarer Selbst­be­herr­schung“, unterstreicht der Senat. Soweit die Klägerin im Vorprozess auf Ansprüche gegen die Äußerung „Totalitär tickende Trans-Furie“ verzichtet habe, stehe dies dem neuerlichen Unter­las­sungs­be­gehren der Klägerin nicht entgegen. Es lägen Formulierungen mit „völlig unter­schiedliche(m) Bedeu­tungs­gehalt“ vor, weshalb die nun angegriffene Äußerung von dem vorherigen Verzicht nicht erfasst werde. Die im Eilverfahren ergangene Entscheidung ist nicht anfechtbar.

Quelle: Oberlandesgericht Frankfurt am Main, ra-online (pm/ab)

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