21.11.2024
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Sie sehen die Silhouette einer Person, welche an einer Wand mit vielen kleinen Bildern vorbeigeht.

Dokument-Nr. 29818

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Oberlandesgericht Frankfurt am Main Urteil04.02.2021

Identi­fi­zierende Berich­t­er­stattung über Mitglied der Pick-Up-Artist-Szene zulässigKein Unterlassungs­anspruch wegen Verletzung des allgemeinen Persönlichkeits­rechts

Die Öffentlichkeit hat ein hohes Interesse an der Ausein­an­der­setzung mit dem Phänomen der "Pick-Up-Artist-Szene". Persönlichkeits­rechte des Klägers, der durch einen Video-Clip und Coaching-Tätigkeit selbst als Mitglied dieser Szene an die Öffentlichkeit getreten ist, treten bei Abwägung aller betroffenen Interessen hinter die Meinungs­freiheit der Verfasser der zwei angegriffenen Berichte zurück. Das Oberlan­des­gericht Frankfurt am Main (OLG) hat deshalb Unterlassungs­ansprüche des Klägers gegen eine identi­fi­zierende Berich­t­er­stattung zurückgewiesen.

Der Kläger wendet sich gegen zwei Artikel, die in einer AStA-Zeitschrift einer Universität im Sommer 2015 veröffentlicht wurden. Unter den Titeln ´Pick-Up-Artists´ und Casanova - eine künstlerische Technik der Liebe? und ´Pick-Up-Artists´: Ein fragwürdiges Phänomen von Verführung befassten sie sich mit der Pick-Up-Artist-Szene. Der Kläger begehrt von der beklagten Herausgeberin dieser Zeitung insbesondere, dass sie nicht mehr durch Angabe seines Namens, seines Studentenstatus sowie der Bezeichnung seiner Nebentätigkeit identifizierend über ihn berichtet.

OLG: Identi­fi­zierende Berich­t­er­stattung hier rechtmäßig

Das Landgericht hatte der Klage stattgegeben. Die hiergegen eingelegte Berufung hatte vor dem OLG Erfolg und führte zur Klageabweisung. Dem Kläger stünde kein Unter­las­sungs­an­spruch gegen die Beklagte zu, urteilte das OLG. Die Beklagte habe die bestimmten von Verfassern gekenn­zeichneten Artikel in ihrer Zeitung zwar verbreitet und sei damit grundsätzlich für den Inhalt verantwortlich. Sie hafte jedoch nicht für die Verbreitung der Äußerungen, da die identi­fi­zierende Berichterstattung hier rechtmäßig gewesen sei. Die Artikel griffen zwar in das Persönlichkeitsrecht des Klägers ein und berührten ihn in seiner so genannten Sozialsphäre. Dieser Eingriff sei jedoch nicht rechtswidrig. Als Herausgeberin könne sich die Beklagte auf das den Autoren der veröf­fent­lichten Artikel und den Lesern zustehende Grundrecht der Meinungs- und Kommu­ni­ka­ti­o­ns­freiheit berufen. Zu den Aufgaben der Beklagten gehöre auch die Förderung der politischen Bildung und der staats­bür­ger­lichen Verantwortung der Studierenden. Die streit­ge­gen­ständliche Zeitung diene als Diskus­si­onsforum.

Veröf­fent­lichung wahrer Tatsa­chen­be­haup­tungen zulässig

Bei Abwägung zwischen dem allgemeinen Persön­lich­keitsrecht des Klägers und der Meinungsfreiheit der Verfasser der Artikel überwiege die Meinungs­freiheit. Die Presse sei nach verfas­sungs­recht­licher Rechtsprechung zur Erfüllung ihrer Aufgaben nicht grundsätzlich auf eine anonymisierte Berich­t­er­stattung zu verweisen. Die Artikel knüpften zudem an wahre Tatsachen aus der Sozialsphäre des Klägers und eine Tätigkeit an, die der Kläger „in Coachings nebenberuflich lehrt(e) und selbst in der Öffentlichkeit betreibt“. Wahre Tatsachen müssten in der Regel hingenommen werden, auch wenn sie nachteilig für den Betroffenen seien.

Infor­ma­ti­o­ns­in­teresse der Öffentlichkeit überwiegt Interesse an Anonymität

Das Infor­ma­ti­o­ns­in­teresse der Öffentlichkeit überwiege das Interesse des Klägers an Anonymität. „Es besteht zunächst ein hohes öffentliches Interesse an einer Ausein­an­der­setzung mit dem Phänomen der „Pick-Up-Artist- Szene“. Zum Zeitpunkt der Veröf­fent­lichung sei es vermehrt zu übergriffigem Verhalten an der Universität gekommen. Dabei habe sich das öffentliche Interesse nicht nur auf die weiblichen Studierenden der Universität, sondern auf die gesamte Öffentlichkeit erstreckt. Die Artikel befassten sich mit der Historie der Szene und setzten sich kritisch mit ihr auseinander. Es bestehe ein Interesse der Öffentlichkeit daran, zu erfahren, wie sich einzelne Vertreter dieser Szene in der Öffentlichkeit präsentieren. Naheliegend sei es deshalb, dass auch Vertreter der Szene - wie im Artikel geschehen - angeführt würden. Der Kläger gehöre zu der Szene, „denn er praktiziert „Pick-Up“ nicht nur selbst, sondern er lehrt(e) die Pick-Up-„Kunst“ im Nebenberuf in Coaching-Seminaren“ und hat sich selbst mit dem Thema im Frühjahr 2014 durch einen Fernsehbeitrag bewusst in die Öffentlichkeit begeben.

Revision beim BGH möglich

Die Entscheidung ist nicht rechtskräftig. Mit der Nicht­zu­las­sungs­be­schwerde kann die Zulassung der Revision beim BGH begehrt werden.

Quelle: Oberlandesgericht Frankfurt am Main, ra-online (pm/ab)

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