21.11.2024
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Sie sehen einen Teil eines Daches, welches durch einen Sturm stark beschädigt wurde.

Dokument-Nr. 28960

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Beschluss24.07.2020Oberlandesgericht Frankfurt am Main16 U 265/19
Vorinstanz:
  • Landgericht Wiesbaden, Urteil vom 06.09.2019, Az.: 3 O 182/16
ergänzende Informationen

Oberlandesgericht Frankfurt am Main Beschluss24.07.2020

OLG Frankfurt am Main: Keine Haftung der Erben gegenüber dem Lokführer bei Suizid auf BahngleisenKein Anspruch auf Schadensersatz

Nach einem Suizid auf Bahngleisen sind die Erben des Verstorbenen dem involvierten Lokführer nicht zum Schadenersatz verpflichtet, wenn der Schaden in einem die freie Willens­entschließung ausschließenden Zustand zugefügt wurde. Davon war im streit­gegen­ständlichen Fall auszugehen, so dass das Oberlan­des­gericht Frankfurt am Main (OLG) die klageabweisende Entscheidung des Landgerichts bestätigte.

Im hier vorliegenden Fall stritten die Parteien um Schadenersatz nach einem Bahnunglück. Im Januar 2013 kollidierte kurz nach Mitternacht ein Güterzug zwischen Geisenheim und Rüdesheim mit einer im Gleisbett stehenden bzw. sich dort bewegenden Person. Der Lokführer bemerkte die Person, als sie ca. 20 m vor dem Triebfahrzeug auftauchte. Obwohl er eine Schnellbremsung einleitete, konnte er nicht verhindern, dass er die Person tödlich erfasste. Der Lokführer war daraufhin knapp zwei Jahre arbeitsunfähig krank­ge­schrieben. Die Klägerin begehrt von den Erben der verunglückten Person Schadensersatz in Höhe von gut 90.000 € für die an den Lokführer geleisteten Zahlungen (Fortzahlung der Dienstbezüge, Heilbe­hand­lungs­kosten).

OLG verneint Halftung der Erben

Das Landgericht hat die Klage abgewiesen. Die hiergegen gerichtete Berufung hatte auch vor dem OLG keinen Erfolg. Die Erben des Verstorbenen hafteten der Klägerin nicht für den geltend gemachten wirtschaft­lichen Schaden des Lokführers, führte das OLG aus. Der Verstorbene habe im Zeitpunkt der Schadens­zu­fügung nicht schuldhaft gehandelt. Er habe dem Lokführer den Schaden vielmehr gemäß den Feststellungen des Sachver­ständigen "in einem die freie Willens­be­stimmung ausschließenden Zustand krankhafter Störung der Geiste­s­tä­tigkeit" zugefügt (§ 827 BGB). Der Sachverständige sei überzeugend von einem planvollen Suizid ausgegangen. Er habe auch ausgeführt, "dass der Verstorbene nicht mehr in der Lage gewesen sei, seine Gedanken auf die Auswirkungen seines Tuns, insbesondere für den Lokführer zu richten und seine Entscheidung zu verändern."

Selbsttötung alternativlos und einzig gangbaren Weg

Dabei habe der Sachverständige entgegen den Einwänden der Klägerin auch nicht angenommen, "dass automatisch jeder Suizid in einem die freie Willens­be­stimmung ausschließenden Zustand krankhafter Störung der Geiste­s­tä­tigkeit" begangen werde. Er habe aber für die vorliegende Konstellation konkret ausgeführt, aufgrund welcher Überlegungen hier bei dem Verstorbenen von einem "Maß der gedanklichen Einengung und Fixierung auf die Selbsttötung als alternativlos und einzig gangbaren Weg in einer unerträglichen von Krisensituation unter Ausblendung aller entge­gen­ste­henden Erwägungen" auszugehen sei.

Suizidhandlung nicht gleich Schuldfähigkeit

Dass der Verstorbene seine Suizidhandlung bewusst und akribisch geplant habe, spreche nicht für seine Schuldfähigkeit. Der Sachverständige habe insoweit überzeugend dargelegt, dass der Verstorbene zu diesem Zeitpunkt nur noch ein Ziel - seinen Freitod - gekannt habe. Er habe weder zwischen richtig und falsch unterscheiden noch Alternativen wahrnehmen können.

Auch keine Haftung aus Billig­keits­gründen

Es bestehe auch keine Ersatzpflicht der Beklagten aus Billig­keits­gründen (§ 829 BGB). Die Vermö­gens­ver­hältnisse des Verstorbenen stellen sich nicht besser als die des Geschädigten dar. Die freiwillige Haftpflicht­ver­si­cherung des Verstorbenen sei nicht in sein Vermögen einzubeziehen. Das Risiko, dass der Versi­che­rungs­nehmer einen Schaden herbeiführe, für den er nicht verantwortlich sei, sei grundsätzlich nicht versichert. Bestehe damit kein Versi­che­rungs­schutz, könne dieser auch keinen in den Vergleich der Vermögenslagen einzubeziehende Vermögenswert darstellen.

Quelle: Oberlandesgericht Frankfurt am Main, ra-online (pm/ku)

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