21.11.2024
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Dokument-Nr. 31964

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Oberlandesgericht Frankfurt am Main Urteil30.06.2022

Unterlassene Anhörung vor Löschung eines Posts bei Facebook kann im Prozess um die Wieder­frei­schaltung nachgeholt werdenAnhörungsfehler im Prozess um Wieder­frei­schaltung heilbar

Nach einem Grundsatzurteil des Bundes­ge­richtshofs sind die Regelungen in den Nutzungs­be­din­gungen, die Facebook in einem Fall der Hassrede eine Befugnis zur Löschung dieses Posts einräumen, unwirksam, weil sie kein Verfahren vorsehen, aufgrund dessen der betroffene Nutzer über die Entfernung umgehend informiert, ihm der Grund dafür mitgeteilt und eine Möglichkeit zur Gegenäußerung eingeräumt wird, woran sich eine neue Entscheidung mit der Möglichkeit der Wieder­frei­schaltung des Posts anschließt. Das Oberlan­des­gericht Frankfurt am Main (OLG) hat nunmehr entschieden, dass die fehlende Anhörung seitens der Beklagten im Verfahren nachgeholt werden kann und, wenn diese zu keiner anderen Bewertung führt, der betroffene Nutzer dann nicht die Wieder­frei­schaltung des Posts beanspruchen kann. Das Löschungsrecht ergebe sich in diesem Fall bei einem vertrags­widrigen Post aus dem Nutzungsvertrag.

Die Beklagte ist in Deutschland Vertrags­partnerin der Nutzer von Facebook. Der Kläger stimmte den im April 2018 geänderten Nutzungs­be­din­gungen der Beklagten zu. Im November 2018 postete er im Zusammenhang mit einem Artikel über die gewalttätige Ausein­an­der­setzung zwischen Afghanen in einer Flücht­lings­un­terkunft, in deren Verlauf diese untereinander Messer eingesetzt hatten, u.a.: „Solange diese sich gegenseitig abstechen ist es doch o. k. Ist jemand anderer Meinung? Messer-Emoji“. Die Beklagte löschte diesen Beitrag und sperrte außerdem vorübergehend Teilfunktionen des klägerischen Kontos. Der Kläger begehrte daraufhin vor dem Landgericht unter anderem die Freischaltung des gelöschten Beitrags. Das Landgericht hat die Klage abgewiesen.

Post stellt Hassrede dar

Die hiergegen gerichtete Berufung hat auch vor dem OLG keinen Erfolg. Der Kläger habe auch keinen Anspruch auf Wieder­frei­schaltung des gelöschten Posts. Der Post sei zwar eine Meinung­s­äu­ßerung. Er verstoße aber gegen die über die Nutzungs­be­din­gungen einbezogenen Bestimmungen in den Gemein­schafts­s­tandards zur Hassrede. Der Begriff der Hassrede sei hinreichend transparent und in den Regelungen selbst definiert worden. Erfasst würden u.a. „Angriffe durch eine gewalttätige und entmen­sch­li­chende Sprache, durch Aussagen über Minder­wer­tigkeit und durch Aufrufe, Personen auszuschließen und zu isolieren“.

Facebook ist berechtigt Hassreden zu verbieten

Die Beklagte sei auch berechtigt, ein Verbot von Hassrede vorzusehen, durch das auch nicht strafbare oder rechts­ver­letzende Meinung­s­äu­ße­rungen erfasst werden. Sie dürfe den Nutzern ihres Netzwerks bestimmte Kommu­ni­ka­ti­o­ns­s­tandards vorgeben, die über die straf­recht­lichen Vorgaben hinausgingen. Die Verhal­tens­regeln sollten einen Kodex für „einen respektvollen Umgang miteinander“ enthalten. Hier verstehe der flüchtige Leser die Äußerung so, dass es dem Kläger „gleichgültig ist bzw. er es in Ordnung finde, wenn afghanische Flüchtlinge sich gegenseitig abstechen“. Dies unterfalle dem Bereich der Hassrede. Soweit die Löschung des Posts erfolgte, ohne den Kläger umgehend zu informieren und ihm die Möglichkeit zur Stellungnahme mit anschließender Neuentscheidung zu gegeben, könne die Beklagte sich zwar nicht auf ihre Regelungen zum Entfernungs- und Sperrvorbehalt berufen. Diese seien gemäß der Rechtsprechung des Bundes­ge­richtshofs unwirksam.

Anhörungsfehler im Rahmen des Prozesses nachträglich geheilt

Die Beklagte sei aber zur Löschung unmittelbar aus dem Nutzungsvertrag berechtigt. Die Verfah­rens­an­for­de­rungen zur Information des Betroffenen über die Löschung ergäben sich aus einer ergänzenden Vertrags­aus­legung. Durch die Unwirksamkeit der Klausel über den Entfernungs- und Sperrvorbehalt sei im vertraglichen Gefüge eine Lücke entstanden, die im Wege der Auslegung zu schließen sei. Über diese ergänzende Vertrags­aus­legung sei die Beklagte verpflichtet, den Nutzer über die Entfernung eines Beitrags zu informieren und im Gelegenheit zur Stellungnahme und Neuentscheidung zu geben. Dies sei im Rahmen des hiesigen Prozesses nachgeholt worden. Der anfängliche Anhörungsfehler sei damit nachträglich geheilt worden.

Revision wegen grundsätzlicher Bedeutung zugelassen

Die Entscheidung ist nicht rechtskräftig. Der Senat hat wegen grundsätzlicher Bedeutung die Revision zum BGH u.a. hinsichtlich des dargestellten Antrags auf Wieder­her­stellung des gelöschten Artikels zugelassen.

Quelle: Oberlandesgericht Frankfurt am Main, ra-online (pm/ab)

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