21.11.2024
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Oberlandesgericht Frankfurt am Main Urteil08.05.2014

Verletzung der Verschwiegen­heits­pflicht: Personalberater ist wegen Weitergabe der Ableh­nungs­gründe an Bewerberin schadens­ersatz­plichtigVerstoß gegen das Allgemeine Gleich­behandlungs­gesetz eines Unternehmens berechtigt Personalberater nicht zur Weitergabe an Informationen an Bewerber

Das Oberlan­des­gericht Frankfurt am Main hat einen Personalberater zu Schadenersatz verurteilt, weil er einer abgelehnten Bewerberin mitteilte, dass sein Auftraggeber sie als Frau nicht einstellen wollte.

Die Klägerin des zugrunde liegenden Streitfalls- ein Maschi­nen­fa­bri­ka­ti­o­ns­un­ter­nehmen - beauftragte den Beklagten - einen Personalberater - im Jahr 2012 mit der Suche nach einer geeigneten Persönlichkeit für die Position eines technischen Verkäufers in ihrem Hause. Nachdem der Beklagte die Unterlagen einer Bewerberin übersandte, teilte der Personalleiter der Klägerin ihm mit, dass man für die Position keine Frau wünsche. Als der Beratungs­vertrag zwischen den Parteien beendet war und der Beklagte sein Honorar erhalten hatte, teilte dieser der Bewerberin mit, dass die Klägerin keine Frau einstellen wolle. Zugleich bezeichnete er das Verhalten der Klägerin als skandalös und diskriminierend und riet der Bewerberin, sich wegen eines möglichen Schadenersatzes an einen Rechtsanwalt zu wenden.

Unternehmen fordert gezahlte Entschädigung wegen Verletzung der vertraglichen Verschwie­gen­heits­ver­pflichtung von Personalberater zurück

In der Tat verklagte die abgelehnte Bewerberin die Klägerin wegen Verstoßes gegen das Allgemeine Gleich­be­hand­lungs­gesetz (AGG). In dem arbeits­ge­richt­lichen Verfahren schloss die Klägerin mit der Bewerberin einen Vergleich über eine Entschädigung in Höhe von 8.500 Euro. Diesen Betrag sowie weitere Folgekosten - insgesamt rund 11.500 Euro - fordert sie im vorliegenden Verfahren von dem Beklagten mit der Begründung zurück, dieser habe seine vertragliche Verschwie­gen­heits­ver­pflichtung ihr gegenüber verletzt.

LG weist Klage ab - OLG ändert erstin­sta­nz­liches Urteil ab

Das zunächst angerufene Landgericht wies die Klage ab. Auf die hiergegen von der Klägerin eingelegte Berufung hat das Oberlan­des­gericht Frankfurt am Main das erstin­sta­nzliche Urteil nun abgeändert und den Beklagten zum Ersatz eines Drittels des der Klägerin entstandenen Schadens verurteilt.

Personalberater hat vertragliche Verschwie­genheits- und Treuepflichten gegenüber der Klägerin verletzt

Zur Begründung führt es aus, dass der Beklagte schaden­er­satz­pflichtig sei, weil er seine vertraglichen Verschwie­genheits- und Treuepflichten gegenüber der Klägerin verletzt habe. Es liege auf der Hand, dass den Beklagten aus der Natur des Vertrages heraus, die Pflicht traf, über die ihm im Rahmen seiner Tätigkeit bekannt werdenden Informationen Stillschweigen zu bewahren. Dies umso mehr, als der Beklagte im Vorfeld - auf einem von ihm in Umlauf gebrachten Flyer - mit seiner strikten Diskretion geworben hatte. Diese Verschwie­genheits- und Treuepflicht habe der Beklagte verletzt, indem er der abgelehnten Bewerberin die Gründe für die Absage mitgeteilt und auf einen Verstoß gegen das AGG hingewiesen habe. Der Beklagte könne sich auch nicht darauf berufen, zur Weitergabe dieser Gründe berechtigt gewesen zu sein. Zwar werde im Arbeitsrecht die Erstattung einer Strafanzeige des Arbeitnehmers gegen seinen Arbeitgeber als zulässig erachtet. Der Beklagte habe allerdings keine Strafanzeige wegen einer möglichen Straftat der Klägerin erstattet, sondern der Bewerberin einen Verstoß gegen das AGG mitgeteilt. Ein solcher Verstoß stelle nach dem Willen des Gesetzgebers keine Straftat dar, sondern führe lediglich zu einem zivil­recht­lichen Entschä­di­gungs­an­spruch des Betroffenen. Gehe es allein um einen zivil­recht­lichen Sachverhalt, könne sich der Beklagte auch nicht darauf berufen, im Interesse der Allgemeinheit gehandelt zu haben.

Bewerberin wurde zur Forderung von Erstat­tungs­ansprüchen regelrecht angestachelt

Unabhängig von diesen Erwägungen verdiene das Verhalten des Beklagten auch deshalb keinen Schutz, weil es unver­hält­nismäßig gewesen sei. Der Beklagte habe die abgelehnte Bewerberin regelrecht angestachelt, seine Auftraggeberin wegen einer Entschädigung in Anspruch zu nehmen.

Unternehmen muss sich überwiegendes Mitverschulden anrechnen lassen

Gleichwohl könne die Klägerin nur ein Drittel des ihr entstandenen Schadens von dem Beklagten ersetzt verlangen, denn sie müsse sich ein überwiegendes Mitverschulden anrechnen lassen. Insoweit sei zu berücksichtigen, dass der Schaden zwar dadurch eingetreten sei, dass der Beklagte gegen seine Verschwie­gen­heits­pflicht verstoßen und damit die Inanspruchnahme der Klägerin ermöglich habe. Die Klägerin habe aber die wesentliche Ursache für den Schaden selbst gesetzt, indem sie es war, die den Verstoß gegen das AGG begangen habe.

Hintergrundinformation

Auszug aus dem Allgemeinen Gleich­be­hand­lungs­gesetz (AGG)

§ 1 Ziel des Gesetzes

Ziel des Gesetzes ist, Benach­tei­li­gungen aus Gründen der Rasse oder wegen der ethnischen Herkunft, des Geschlechts, der Religion oder Weltanschauung, einer Behinderung, des Alters oder der sexuellen Identität zu verhindern oder zu beseitigen.

§ 15 Entschädigung und Schadensersatz

(1) Bei einem Verstoß gegen das Benach­tei­li­gungs­verbot ist der Arbeitgeber verpflichtet, den hierdurch entstandenen Schaden zu ersetzen. Dies gilt nicht, wenn der Arbeitgeber die Pflicht­ver­letzung nicht zu vertreten hat.

(2) Wegen eines Schadens, der nicht Vermö­gens­schaden ist, kann der oder die Beschäftigte eine angemessene Entschädigung in Geld verlangen. Die Entschädigung darf bei einer Nicht­ein­stellung drei Monatsgehälter nicht übersteigen, wenn der oder die Beschäftigte auch bei benach­tei­li­gungs­freier Auswahl nicht eingestellt worden wäre.

[...]

Quelle: Oberlandesgericht Frankfurt am Main/ra-online

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