Die Verbraucherschutzzentrale Nordrhein-Westfalen geht im Gebiet der Bundesrepublik gezielt gegen Fluggesellschaften mit Unterlassungsklagen vor, die Vorleistungsklauseln in ihren Allgemeinen Geschäftsbedingungen verwenden. Im vorliegenden Fall handelt es sich um folgende Klausel:
"Die Bezahlung ist bei Buchung in voller Höhe fällig. [...] Da die Bezahlung bei Buchung in voller Höhe fällig ist, erfolgt die Belastung Ihrer Kreditkarte bzw. der Einzug des Flugpreises sofort".
Die Verbraucherschutzzentrale sieht in der Klausel eine unzumutbare Belastung der Verbraucher, da ihnen entgegen der Wertung im Bürgerlichen Gesetzbuch eine Vorleistungspflicht auferlegt und ein Zurückbehaltungsrecht genommen werde. Zudem werde ihnen das Insolvenzrisiko der Fluggesellschaft auferlegt und frühzeitig Liquidität entzogen.
Das in erster Instanz mit der Sache befasste Landgericht Frankfurt am Main ist den Argumenten der Verbraucherschutzzentrale im Wesentlichen gefolgt und hat der Unterlassungsklage mit Urteil vom 8. Januar 2014 stattgegeben, die Verwendung der Klausel also untersagt.
Auf die hiergegen von der Fluggesellschaft eingelegte Berufung hat das Oberlandesgericht Frankfurt am Main das vorausgegangene Urteil des Landgerichts nunmehr abgeändert und die Klage abgewiesen. Zur Begründung führt das Gericht aus, dass die Klausel nicht wegen unangemessener Benachteiligung der Kunden der Fluggesellschaft unwirksam sei. Soweit die Verbraucherschutzzentrale geltend mache, dass der Kunde bei der Vorleistungspflicht bereits frühzeitig das Druckmittel des Zurückbehaltungsrechts verliere sowie mit dem Insolvenzrisiko der Fluggesellschaft belastet werde, seien diese Nachteile nicht so gravierend, dass sie in Anbetracht der berechtigten Interessen der Fluggesellschaft zu einem ungerechtfertigten Missverhältnis der Rechte und Pflichten der Vertragsparteien führten.
So habe der Verlust des Zurückbehaltungsrechts keine große praktische Bedeutung, zumal der Fluggast für den Fall von Verspätungen, Annullierungen und Nichtbeförderungen Rechte aus der europäischen Fluggastrechte-Verordnung (EG) Nr. 261/2004 habe.
Auch das Risiko einer Zahlungsunfähigkeit der Fluggesellschaft erscheine beherrschbar. Dabei sei zu berücksichtigen, dass es bei der Bewertung einer Vorleistungsklausel einen Unterschied mache, ob ein Kunde den Reisepreis an einen nicht staatlich überwachten Reiseveranstalter zahlen müsse oder - wie hier - an ein Luftfahrtunternehmen, das über seine finanziellen Verhältnisse gegenüber einer staatlichen Behörde Rechenschaft ablegen müsse und insoweit überwacht werde. Zudem könne sich der Kunde dadurch gegen das Insolvenzrisiko absichern, dass er für geringes Geld eine Fluginsolvenzversicherung abschließe.
Die verbleibenden Nachteile für die Kunden seien durch das überwiegende Interesse der Fluggesellschaft an einer sofortigen Bezahlung des Flugpreises bei Buchung gerechtfertigt. So seien Fluggesellschaften anders als andere Unternehmen in verstärktem Maße auf Planungssicherheit angewiesen, weil sie erhebliche Vorkehrungen für die Erbringung des Fluges treffen müssten.
Die Vorleistungspflicht sei überdies weltweit allgemein üblich. Für die beklagte Fluggesellschaft gehe es danach nicht nur um die "einfache" Unterlassung der Verwendung der Klausel. Folge wäre vielmehr, dass sie - mit für sie unabsehbaren Folgen - aus dem weltweit praktizierten Flugbuchungsverfahren der IATA ausscheiden müsste, einem System, das auch für den Verbraucher Vorteile biete.
© urteile.news (ra-online GmbH), Berlin 08.09.2014
Quelle: Oberlandesgericht Frankfurt am Main/ra-online