23.11.2024
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Dokument-Nr. 32827

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Urteil20.04.2023Oberlandesgericht Frankfurt am Main16 U 10/22
Vorinstanz:
  • Landgericht Frankfurt am Main, Urteil01.12.2021, 2-34 O 37/21la
ergänzende Informationen

Oberlandesgericht Frankfurt am Main Urteil20.04.2023

Google darf Namen mit Ergän­zungs­vor­schlag 'bankrott' versehenKein Anspruch auf Unterlassung der Suchwort­vervoll­stän­digung „bankrott“

Die Verknüpfung des Namens eines Unternehmers mit dem Begriff „bankrott“ über die Autocomplete-Funktion im Rahmen der Google-Suche kann nach den Einzel­fa­l­lum­ständen zulässig sein. Das Oberlan­des­gericht Frankfurt am Main (OLG) hat einen Unter­lassungs­anspruch des Klägers zurückgewiesen. Das Ergebnis der Autocomplete-Funktion sei erkennbar unbestimmt und enthalte keine eigenständige Behauptung. Der Nutzer wisse, dass es automatisch generiert werde. Konkrete Bedeutung erlange die Kombination erst nach weiteren Recherchen, begründete das OLG seine Entscheidung.

Der Kläger ist Inhaber einer Unter­neh­mens­gruppe, die auf dem Gebiet des Innendesigns von Hotels tätig ist. Die Beklagte betreibt u.a. die Inter­net­such­ma­schine Google. Bei Eingabe von Vor- und Nachnamen des Klägers erscheint über die Autocomplete- Funktion als Sucher­gän­zungs­vor­schlag „bankrott“. Hintergrund ist, dass zwei zur Unter­neh­mens­gruppe des Klägers gehörende Unternehmen vor rund zehn Jahren im Zusammenhang mit Ermittlungen deutscher Steuerbehörden insolvent und später wegen Vermö­gens­lo­sigkeit aus dem Handelsregister gelöscht wurden. Ein konkret auf den Kläger bezugnehmender Websei­ten­eintrag stammt von einem Inkas­so­un­ter­nehmen, welches ein Geschäfts­partner der Unter­neh­mens­gruppe mit dem Einzug einer Forderung beauftragt hatte. Der Kläger wendet sich sowohl gegen die Anzeige des Sucher­gän­zungs­vor­schlags „bankrott“ als auch gegen die Anzeige und Verlinkung auf die Webseite mit der URL, die sich auf die Zahlungs­fä­higkeit bezieht.

Kein Anspruch aus DS-GVO

Das Landgericht hatte die Beklagte verpflichtet, den über die Autocomplete-Funktion generierten Suche­r­er­gän­zungs­vor­schlag nicht mehr anzuzeigen und die Klage im Übrigen abgewiesen. Auf die Berufung der Beklagten hat das OLG das Urteil abgeändert und die Klage auch insoweit abgewiesen. Der Kläger habe keinen Anspruch auf Unterlassung der Suchwort­ver­voll­stän­digung „bankrott“ bei namensbasierter Suche nach seinem Vor- und Zunamen. Dieser Anspruch ergebe sich insbesondere nicht aus der Datenschutzgrundverordnung (i.F.: DS-GVO). Die Autocomplete-Funktion sei zwar als automatische Verarbeitung perso­nen­be­zogener Daten einzustufen. Hier hätten die Interessen des Klägers an der Löschung aber hinter die Interessen der Nutzer und der Öffentlichkeit zurückzutreten. Ob ein Löschungs­an­spruch bestehe, sei grundsätzlich auf Basis einer umfassenden Grund­rechts­ab­wägung auf der Grundlage aller relevanten Umstände des Einzelfalls zu beurteilen. Abzuwägen seien auf Seiten des Klägers die Grundrechte auf Achtung des Privat- und Familienlebens, des Schutzes perso­nen­be­zogener Daten und der unter­neh­me­rischen Freiheit; auf Seiten der Beklagten das Recht auf unter­neh­me­rische Freiheit und freie Meinung­s­äu­ßerung. Zu berücksichtigen seien auch die Zugangs­in­teressen der Internetnutzer und das Interesse einer breiten Öffentlichkeit am Zugang zu Informationen.

Suchvorschlag bloß Ergebnis eines automatischen Vorgangs

Gewicht erlange hier, dass die Bedeutung des nach Eingabe des Namens erscheinenden Suchvorschlags „bankrott“ erkennbar offenbleibe und unbestimmt sei. Einem verständigen Internetnutzer sei bewusst, dass der Suchvorschlag Ergebnis eines automatischen Vorgangs sei. Der Nutzer könne mit der angezeigten Kombination zunächst „nichts anfangen“. Der angezeigten Kombination selbst sei keine eigenständige Behauptung zu entnehmen. Sie sei allein Anlass für weitere Recherchen. Selbst wenn der Nutzer eine Verbindung zwischen dem Kläger und dem Begriff „bankrott“ herstellen würde, wäre offen, wie diese Verbindung inhaltlich auszugestalten wäre. Zu berücksichtigen sei dabei auch, dass es tatsächliche Anknüp­fung­s­tat­sachen für die Verbindung des Namens mit dem Begriff „bankrott“ gebe. Entgegen der Ansicht des Klägers beschränke sich der Begriff „bankrott“ auch nicht auf den strafbewehrten Vorwurf des § 283 StGB. Er finde vielmehr im allgemeinen Sprachgebrauch im Sinne einer Zahlungs­un­fä­higkeit bzw. Insolvenz Verwendung. Die Berufung des Klägers, mit welcher er weiterhin auch die Auslistung des Suchergebnisses in Form der konkreten URL begehrte, hatte dagegen keinen Erfolg. Die betroffenen Grundrechte des Klägers hätten hinter das Recht der Beklagten und das Interesse aller Nutzer am freien Infor­ma­ti­o­ns­zugang zurückzutreten, bestätigte das OLG die Entscheidung des Landgerichts. Die Entscheidung ist nicht rechtskräftig. Mit der Nicht­zu­las­sungs­be­schwerde kann die Zulassung der Revision beim BGH begehrt werden.

Quelle: Oberlandesgericht Frankfurt am Main, ra-online (pm/ab)

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