21.11.2024
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Dokument-Nr. 31775

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Oberlandesgericht Frankfurt am Main Urteil19.05.2022

Deutsch­spra­chiges Tochter­un­ter­nehmen eines russischen Medienkonzerns kann ehemaligem Mitarbeiter nicht Veröf­fent­lichung untersagenErhebliches Veröf­fent­li­chungs­interesse gegeben

Die inländische Öffentlichkeit hat ein erhebliches Interesse zu erfahren, dass ein deutsch­spra­chiges Tochter­un­ter­nehmen eines russischen Medienkonzerns möglicherweise an verdeckten Ermittlungen in Bezug auf russische Regimekritiker involviert war. Berechtigte Belange des Unternehmens müssen hinter das Informations­interesse der Allgemeinheit zurücktreten, auch wenn der Autor eines Buches über die Arbeitsweise des Unternehmens sich sehr kritisch damit ausein­an­dersetzt. Das Oberlan­des­gericht Frankfurt am Main (OLG) hat zwei u.a. auf das Verbot der Veröf­fent­lichung des Buches gerichtete Rechtsmittel im Eilverfahren zurückgewiesen.

In zwei vor dem OLG geführten Eilverfahren hat sich die deutsch­sprachige Konzerntochter eines russischen Medienkonzerns gegen die Veröffentlichung der Erst- und der Zweitauflage des Buches eines ehemaligen journa­lis­tischen Mitarbeiters gewehrt. Der Antragsgegner berichtete in dem Buch über die Aktivitäten der Antragstellerin und ihrer Mitarbeiter. Er arbeitete von 2018 bis 2020 zunächst als freier Mitarbeiter und dann als angestellter Reporter für die Antragstellerin, die sich bislang erfolglos um eine Sendelizenz innerhalb der Europäischen Union bemüht hat. Im Frühjahr 2021 veröffentlichte der Antragsteller im Internet ein Buch, in dem er sich kritisch mit der Arbeit, der politischen Ausrichtung und einzelnen journa­lis­tischen Aktivitäten der Antragstellerin ausein­an­dersetzt. Dabei geht es auch um einen Spezialauftrag, den der Antragsgegner anlässlich der medizinischen Behandlung des Regimekritikers Nawalny in der Berliner Charité nach einem missglückten Anschlag auf ihn erhalten hat.

LG erlaubte teilweise Veröf­fent­lichung

Die Antragstellerin wollte dem Antragsgegner die Veröf­fent­lichung des gesamten Buches in der Erst- sowie in der Zweitauflage, zumindest aber einzelner Äußerungen, Abbildungen und Ablichtungen sogenannter Chat-Verläufe von Mitarbeitern verbieten. Das Landgericht Frankfurt am Main untersagte dem Antragsgegner, einzelne Äußerungen aus dem Buch zu wiederholen, weil es sich um nicht erwiesene Tatsa­chen­be­haup­tungen handele. Für den Großteil der Äußerungen, die Abbildungen oder gar für das gesamte Buch kam dagegen, so das Landgericht, ein Verbot nicht in Betracht, weil darin Wertungen ausgesprochen würden, die von der grundgesetzlich geschützten Meinungs­freiheit des Verfassers erfasst seien.

OLG: Verbot der Veröf­fent­lichung weder aus arbeits­ver­trag­lichen noch aus urheber­recht­lichen Gründen gerechtfertigt

Die hiergegen eingelegten Rechtsmittel der Antragstellerin waren vor dem OLG nicht erfolgreich. Das OLG stellte fest, dass die Antragstellerin dem Antragsgegner weder aus arbeits­ver­trag­lichen noch aus urheber­recht­lichen Gründen eine Veröf­fent­lichung des gesamten Buchs oder der weiterhin angegriffenen Äußerungen und Abbildungen verbieten kann. Ein vorrangiges Geheimhaltungsinteresse der Antragstellerin sei namentlich in Bezug auf die Darstellungen in dem Buch zum „Fall Nawalny“, wo der Antragsgegner seinen Eindruck wiedergibt, an Ermittlungen für den russischen Staat beteiligt worden zu sein, nicht gegeben. Vielmehr sei es für die Öffentlichkeit im Inland von erheblichem Interesse zu erfahren, dass ein deutsches Medien­un­ter­nehmen mit engen Konzern­ver­bin­dungen nach Russland möglicherweise an verdeckten Ermittlungen in Bezug auf russische Regimekritiker involviert sei.

Kein unzulässiger Eingriff in das Unter­neh­mens­per­sön­lich­keitsrecht

Der Antragsgegner habe mit den in der Rechts­mit­te­l­instanz noch anhängigen 63 Einzelaussagen auch nicht das Unternehmenspersönlichkeitsrecht der Antragstellerin verletzt. Hier müssten im Einzelfall die berechtigten Belange der Antragstellerin und die Meinungs­freiheit des Antragsgegners bzw. das Infor­ma­ti­o­ns­in­teresse der Allgemeinheit gegeneinander abgewogen werden. Auch wenn sich der Antragsgegner an einigen Stellen in seinem Buch sehr kritisch mit der fehlenden Sachkompetenz der Mitarbeiter der Antragstellerin, mit deren politischer Nähe zu rechts- oder links­ex­tre­mis­tischen Gruppen im In- und Ausland oder den sog. „Corona-Leugnern“ ausein­an­dersetze, könne auf dieser Grundlage kein unzulässiger Eingriff in das Unter­neh­mens­per­sön­lich­keitsrecht der Antragstellerin angenommen werden. Die im Eilverfahren ergangenen Entscheidungen sind nicht anfechtbar.

Quelle: Oberlandesgericht Frankfurt am Main, ra-online (pm/ab)

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